Walter Ulbricht (German Edition)
Ausführung mit dem Hinweis, dass ich mit meinen 32 Jahren für eine solche Aufgabe doch wohl noch ein wenig zu jung sei, worauf Ulbricht erklärte: »Genosse Siegert, die Beratung ist für Sie beendet.« Am Ende gab es eine kurze Notiz und einen Beschluss der Bezirksleitung – und dann konnte ich loslegen. Ich schaute mir zunächst 42 Hotels in sechs Ländern an und wusste: Ich hatte Geld für einen »Trabant« – aber ich wollte einen »Mercedes«.
Außer Ulbrichts Zusage, ich könne jederzeit bei ihm anrufen, wenn es partout nicht weitergehe, gab es von Berlin keine Hilfe. Ein einziges Mal nur machte ich von seinem Angebot Gebrauch. Als Folge schickte er mir alle Minister, zwei Dutzend hatten wir, nach Rostock. Sie haben mich, den jungen Schnösel, wegen meiner Forderungen gehasst. Ich wollte moderne Kücheneinrichtungen haben, worauf man mich auf sowjetische Einrichtungen verwies. Da müsste meine Küche doppelt so groß werden, um alle Geräte unterzubekommen, lästerte ich. Das gleiche bei der Telefonanlage. Oder die Belüftung. Ich wolle keinen Anbau …
Der einzige, der mir zur Seite sprang, war Verkehrsminister Otto Arndt. Dem schien mein unerschütterbares Selbstbewusstsein und mein unbändiger Wille zu imponieren. Und er stimmte schließlich seine Kollegen um.
Am 20. Jahrestag der DDR, am 7. Oktober 1969, erfolgte der erste Spatenstich. Zuvor hatte ich noch die Warnemünder überzeugen müssen, dass sie den am Bauort befindlichen Seerosenteich und den Gedenkstein verlegten. Das ging mit der angrenzenden Entbindungsstation natürlich nicht. Da wir auch nachts in der Baugrube arbeiten – vor allem die lautstarken Rammarbeiten waren lästig –, habe ich erklärt, dass das künftige Hotel die Patenschaft über alle in der Nacht geborenen Kinder übernehmen würde. Komisch, von Stund an kamen dort tagsüber keine Kinder zur Welt, nur noch in der Nacht war Betrieb im Kreißsaal.
Am 4. Juni 1971 wurde unser Haus unweit der Warnemünder Mole eröffnet.
Fast ein Jahr später kam Fidel Castro mit einer kubanischen Delegation, das »Neptun« wurde seine Residenz, dort führte man auch die politischen Verhandlungen mit der DDR-Spitze. Auf Wunsch Castros nahmen auch die Ulbrichts an einer Schiffsreise teil, und Fidel hatte sie am nächsten Tag, das war der Samstag, ins Hotel gebeten. Sie selbst logierten außerhalb, ich glaube in Dierhagen.
Morgens standen die beiden alten Leute im Foyer – und lösten in den Kulissen Hektik aus.
Werner Lamberz zerrte mich beiseite und verlangte, ich solle den beiden die Tür weisen. »Du musst die rauswerfen, Honecker will sie hier auf keinen Fall sehen.«
»Wieso ich?«, fragte ich zurück.
»Weil du der Hausherr bist!« Lamberz’ Erklärung duldete keinen Widerspruch.
Also erfüllte ich den mir unangenehmsten Auftrag, den ich jemals bekommen habe. Ich begrüßte die beiden Ulbrichts und verwies darauf, dass das gesamte Hotel zum Protokollbereich erklärt worden sei und ich keine freie Minute hätte, um mich ihnen mit der nötigen Aufmerksamkeit zu widmen. Ich würde sie aber gern zum Montag einladen, da wäre ich den ganzen Tag nur für sie da und könnte ihnen, wie versprochen, das ganze Haus zeigen.
Die beiden waren klug genug, um den eigentlichen Grund des Rauswurfs zu begreifen, und ersparten mir die Peinlichkeit einer Nachfrage. Sie drehten sich um und verließen wortlos das Hotel.
Am Montag verbrachten wir einen sehr angenehmen Tag miteinander. Ich zeigte ihnen das Haus, sie ließen sich manches Kunstwerk erläutern und fragten interessiert nach. Beide zeigten mit jeder Geste, dass sie mir nichts nachtrugen.
Vielleicht aber war ihnen auch bewusst, dass diese Stillosigkeit, mit der man ihnen begegnete, nicht über Nacht gekommen war. Sie war ihnen darum nicht neu.
Ins Gästebuch trug er mit seiner breitlaufenden, schwer zu lesenden Schrift ein: »Gen. Direktor, Genossen Mitarbeiter des Hotels Neptun! Herzlichen Dank für die ideenreiche Einrichtung des Hotels und die gute Versorgung der Gäste. Im Wesentlichen ist das Hotel ein Sanatorium mit vielen Einrichtungen für die Rehabilitation der Gesundheit der Werktätigen und ihrer Familienangehörigen.
Herzlichen Dank Gen. Wenzel, der als Direktor sich größte Mühe gegeben hat, mit Unterstützung der Bezirksleitung der SED das Weltniveau kennenzulernen und das Beste fürs Neptun anzuwenden. Den Ministerien und dem Hotelwesen sind hier viele gute Beispiele gegeben.
Ich wünsche Gen. Wenzel und den
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