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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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bisweilen selbst in ihren später oftmals gähnende Langeweile verbreitenden Leitartikeln das Feuer auf Säumige und Frevler. An einem Frühlingstag Ende der 60er Jahre war der schon vor langer Zeit verstorbene verdienstvolle Journalist Franz Krahl damit beauftragt, einen solchen Beitrag zu schreiben. Dabei ging es u. a. um das Fehlverhalten leitender Mitarbeiter eines volkseigenen Betriebes im Bezirk Karl-Marx-Stadt. Als Krahls Kolumne dann in einem kleinen Kreis diskutiert wurde, stieß sich einer der Begutachter daran, dass der Autor das kritisierte Werk als »Beispiel« bezeichnet hatte.
    Franz, der für seine unleserliche Schrift bekannt war, ersetzte das beanstandete Wort durch die Vokabel »typisch«.
    Als die Seite zur abendlichen Endkontrolle kam, lasen die erstaunten Korrektoren: »In einem bekannten Karl-Marx-Städter Werk, das auch als Appiset für viele andere Betriebe gelten kann …«
    Der Setzer hatte Krahls Krakel »typisch« nicht lesen können und seiner Phantasie freien Lauf gelassen. Doch die Genossen im Großraum wussten Rat. Die unbekannte Wortschöpfung leite sich aus dem Französischen her und gehöre überdies längst zum üblichen Wirtschaftsvokabular auch der DDR, erklärte ein »Kenner«. Ihm widersprach niemand. So gingen 850.000 Exemplare der A-Ausgabe durch die Druckmaschinen.
    Als der diensthabende Chefredakteur Günther Kertzscher zu später Stunde ins Haus kam, konnte die erst in der Nacht produzierte B-Ausgabe für Berlin, Brandenburg und das Ausland noch vor einer Fortsetzung des Unheils bewahrt werden. Kertzscher stolperte sofort über die Phantasievokabel in der ersten Zeile des Leitartikels, ließ sich das Manuskript kommen, entzifferte Krahls Hieroglyphen und veranlasste die Korrektur.
    Tags darauf bat mich die Redaktion der Frauenzeitschrift Für Dich um ein geeignetes Pseudonym für eine Serie kleiner außenpolitischer Beiträge, die ich dem Blatt zugesagt hatte: Ich empfahl »Claudia Appiset«.
    Von welchem Format Walter Ulbricht gewesen ist, wurde nicht zuletzt auch durch die Tatsache erhellt, dass er – sieht man von gehässiger Verhöhnung seiner Mundart und Sprechweise oder feindseligem Anmachen ab – zur Zielscheibe unzähliger geistreich-pointierter Witze geworden ist. Einer war kurz nach der Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und den Malediven in Umlauf gebracht worden. Die meisten DDR-Bürger mussten erst auf der Karte nachschauen, wo das Inselreich lag. Walter Ulbricht erblickt in diesen Tagen vor dem Staatsratsgebäude morgens, mittags und abends denselben Wachsoldaten. Als er sich bei diesem erkundigt, warum er denn niemals abgelöst werde, bekommt er zur Antwort: »Genosse Staatsratsvorsitzender, ich stehe Strafe!«
    »Warum?«
    »Weil ich nicht gewusst habe, wo die Malediven sind.«
    Ulbricht ermahnt den jungen Mann: »Nun, das ist nicht gut. Ein Soldat muss in seinem Spind Ordnung halten!«

Klaus Wenzel
    Ohne die beiden Ulbrichts gäbe es das Hotel »Neptun« nicht
    Klaus Wenzel, Jahrgang 1937, Fischer, Koch, Hoteldirektor auf der »Völkerfreundschaft«, von 1966 bis 1969 Direktor des Hotels »Warnow« in Rostock, Initiator und seit der Eröffnung 1971 Direktor des Hotels »Neptun« in Rostock-Warnemünde. 2002 in den USA als Spitzen-Hotelier ausgezeichnet, 2003 als bester deutscher Hotelier geehrt. Inzwischen Rentner.
    D ie Ulbrichts stiegen immer in dem von mir geleiteten Hotel »Warnow« ab, wenn sie zur Ostseewoche nach Rostock kamen. Das war die damals wohl größte und wichtigste internationale politische Veranstaltung, die die DDR jährlich ausrichtete. Die beiden fühlten sich bei uns sehr wohl, und Lotte Ulbricht fragte mich wiederholt, ob ich nicht einen Wunsch hätte. Offenkundig wollte sie sich erkenntlich zeigen. Ich winkte stets dankbar und bescheiden ab. Als sie nicht nachließ, platzte ich heraus: »Ich will ein neues Hotel!« Und sie reagierte gelassen: »Schreiben Sie das mal auf ein Blatt Papier, Genosse Klaus.«
    Das tat ich. Ich skizzierte meine Überlegungen und gab damit zu erkennen, dass ich mich in den Engpässen der DDR-Volkswirtschaft doch nicht völlig auskannte. Aber die Ulbrichts waren von meiner Idee angetan, ein Hotel mit Weltniveau – der Ostseewoche würdig – in den Warnemünder Sand zu setzen.
    Walter Ulbricht arrangierte ein Treffen mit dem 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Rostock, Harry Tisch, und anderen wichtigen Leuten, darunter dem Generaldirektor der Interhotels. Dieser begann seine

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