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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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Entwicklung der »neuen Intelligenz« in der DDR erfolgte zu großen Teilen über die ABF. Und dass Ulbricht darauf maßgeblich Einfluss genommen hatte, wurde mir bewusst, als ich ihn kennenlernte. Bildungsfragen hatten bei ihm immer einen sehr hohen Stellenwert.
    Dass damals, während des Studiums in Jena, noch Klassenkampf an der Universität herrschte, habe ich selber erfahren. Die Studenten mit bürgerlicher Herkunft nannten uns abschätzig »Mistgabelstudenten« und ließen sich mit »Sie« und »Herr Kommilitone« anreden. Mit einem von ihnen musste ich einmal eine Seminararbeit anfertigen, und er bestellte mich zu sich. Dort wurde ich von der Polizei erwartet. Man hatte ihn kurz zuvor verhaftet, denn er arbeitete in einer Gruppe, die sehr aktiv gegen die neue Ordnung wühlte. Man hielt mich für ein Mitglied dieser Gruppe und steckte mich, obgleich doch Mitglied der Partei, in eine Zelle. Irgendwann haben sie mich aber entlassen und sich bei mir entschuldigt.
    Wann hast du zum ersten Mal mit Ulbricht zu tun gehabt?
    Anfang der 50er Jahre, ich war einer von 21 Werkleitern volkseigener Betriebe, die sich gegenüber dem DDR-Präsidenten verpflichtet hatten, binnen eines Jahres ihren Betrieb rentabel zu machen, also aus den roten in die schwarzen Zahlen zu führen.
    Ich meine persönlich.
    Das war später, auf einem Plenum, da war ich noch bei Zeiss, also in der zweiten Hälfte der 50er Jahre. Ulbricht erklärte in seiner Rede, dass Zeiss den neuen Rechner ZAR-1 produziere. Aber das traf nicht zu. Der Rechner war erst in der Entwicklung. In der Pause ging ich zu ihm: »Genosse Ulbricht, das stimmt nicht, was Sie da gesagt haben, das darf nicht in die Zeitung.«
    In der nächsten Pause holte er mich zum Gespräch. Warum ich ihn vorhin darauf angesprochen habe, wollte er wissen. – Weil ich für die Wahrheit sei und nicht wolle, dass sich die Partei blamiere, antwortete ich. Das habe ich sehr gut gemacht, sagte er. »Wir müssen immer offen und ehrlich sein. Und so sollten wir es künftig miteinander halten. Selbst wenn die Wahrheit unangenehm ist oder sogar schmerzt.« Das war der Beginn einer engen Beziehung. Als ich dann in Berlin war, rief er selber regelmäßig bei mir an, um sich nach diesem oder jenem zu erkundigen. Als das zum ersten Mal geschah, meldete meine Sekretärin, Ulbricht aus dem Ministerium – wir hatten einen Mitarbeiter dieses Namens – habe mich zu sprechen wollen, worauf sie ihm beschied, dass ich jetzt für ihn keine Zeit habe. Der Irrtum klärt sich rasch auf. Kurz, sie konnte sich nicht vorstellen, dass Walter Ulbricht einfach so bei mir anrief.
    »Sag, ich habe hier gelesen ...« oder »Ich habe die und die Information bekommen ...«, begann er meist. »Was meinst du dazu?« Das gefiel mir, es zeigte mir, wie intensiv er sich mit wissenschaftlichen und technischen Fragen beschäftigte und wie stark sein Interesse an diesen Themen war.
    Oder ich erinnere mich der Vorbereitung eines Parteitages. Es war Sommer, er zog sein Jackett aus und stellte sich vor unserer Arbeitsgruppe und erklärte, was er in von uns für seine Bericht brauchte. Sein konzeptionelles Denken überzeugte mich, man muss in der Wissenschaft weit vorausdenken, und das konnte er. Er hat mir in dieser Hinsicht sehr imponiert.
    So wie unter Ulbricht wurden später nie wieder wissenschaftliche Grundlagen und angewandte Forschung gefördert. Er hatte begriffen: ohne wissenschaftlich-technischen Fortschritt gibt es keinen gesellschaftlichen Fortschritt.
    Im Krisenjahr 1953 warst du, noch keine 30 Jahre alt, Werkleiter des VEB »Optima« Büromaschinenwerk Erfurt. War das ein großer Betrieb?
    Etwa 4.000 Werktätige.
    Wie hast du dort den 17. Juni erlebt?
    Offen gestanden: Ich war völlig überrascht, weil ich glaubte, dass in unserer Belegschaft alles in Ordnung sei. Ich war in einer Sitzung und bekam die Mitteilung, dass sich die Arbeiter und Angestellten auf dem Betriebshof versammelt hätten und streikten. Zunächst nahm ich an, dass sie mit meiner Leitungsarbeit nicht einverstanden seien. Ich ging auf den Hof, auf dem gerade gebaut wurde, kletterte auf einen Schutthaufen und rief: »Was wollt ihr von mir, was habe ich falsch gemacht?«
    »Von dir wollen wir nichts, riefen sie. Wir sind nicht mit der Politik in Berlin einverstanden, die Regierung soll zurücktreten!« Es kamen auch einzelne Rufe »Ulbricht muss weg!«
    Ich nehme das zur Kenntnis, sagte ich, aber nun sollten sie wieder an ihre Arbeit gehen. Den Betrieb

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