Walter Ulbricht (German Edition)
arbeitete. Das Institut wäre ein Fass ohne Boden geworden. Ardenne solle alle solche Fragen mit mir besprechen, sagte Ulbricht, aber sein Institut bliebe privat. Walter Ulbricht sagte mir im Anschluss dieser Begegnung: Fahr mal die Zuwendungen langsam zurück. Und warum muss der Baron keine Steuern zahlen? Vergleichbare Einrichtungen sind von diesen Verpflichtungen auch nicht befreit. Also kurz gesagt, ihm schmeckte es zunehmend weniger, dass Manfred von Ardenne derart hofiert wurde, wie es geschah.
Später, nach der Wende, wurde aus seiner Umgebung kolportiert, ich hätte ihn – im Auftrage Honeckers – fortgesetzt bedrängt, dass er eine staatliche Beteilung am Institut zuließe, was er aber tapfer abgelehnt habe. Das Gegenteil war der Fall. Zudem: Honecker interessierte sich weder für Ardennes Institut noch für die wissenschaftliche Forschung.
Aus bündnispolitischen Überlegungen haben wir manche Verrenkung gemacht, aber solche nicht. Eines Tages beispielsweise kam Prof. Dr. Hermann Klare 8 , der Präsident der Akademie der Wissenschaften, zu mir und erklärte, er wolle Mitglied der SED werden. Hermann, das geht nicht, sagte ich, der Akademiepräsident muss neutral und parteilos sein. Er ließ sich nur trösten mit der Feststellung, in meinen Augen sei er als parteiloser Kommunist auf diesem Posten viel wichtiger denn als Parteimitglied.
Oder Kurt Schwabe 9 , der 1945 sein »Forschungsinstitut für chemische Technologie« gegründet hatte. Die Nazis hatten ihn aus der TU vergrault, da begann er selbständig zu forschen. Das war eine exzellente Einrichtung, die noch heute existiert. Ich habe zu Ardenne gesagt, er solle sich von dem eine Scheibe abschneiden: Schwabe mache im Jahr mehrere Millionen Gewinn und führe diesen an den Staat ab, der nehme nicht nur. Prof. Schwabe bewilligte sich ein bescheidenes Gehalt von weniger 6.000 Mark brutto. Und, da er kinderlos war, und er mich mochte, wollte er mir sein Institut testamentarisch vermachen. Das empfand ich als große Ehre, aber als Stellvertretender Ministerpräsident konnte und wollte ich ein solches Erbe nicht annehmen.
Wie war das Verhältnis zwischen Max Steenbeck, ein hervorragender Physiker, und Walter Ulbricht?
Positiv. Es stimmt auch nicht, dass er sich nach seiner Rückkehr aus der Sowjetunion bei Ulbricht Bedenkzeit ausgebeten habe, ob er in der DDR bleibe oder in die BRD gehe. Als er später den Krupp-Preis für seine Tätigkeit bei Siemens während der Nazizeit verliehen bekam, da hingen 40.000 DM dran, kam er zu mir und fragte, ob er das Geld annehmen solle, woraus ich schloss, dass er den Preis ablehnen wollte. Selbstverständlich, sagte ich, warum denn nicht? Gut, sagte er, und spendete davon den größten Teil für einen Kindergarten in Jena, dann zum Ankauf von wissenschaftlicher Literatur im Ausland. Und mit dem Rest leistete er sich eine Urlaubsreise mit seiner Frau nach Finnland. Steenbeck wollte nie in die BRD.
Nebenbei: Ich war insgesamt 27 Jahre im Ministerrat für Wissenschaft und Technik verantwortlich: Keiner der Forscher, die vorher bei mir waren und um Dienst- oder Urlaubsreisen in den Westen nachgesucht haben, ist drüben geblieben. Nicht einer. Sie wussten, was sie an der DDR hatten.
Und mit Peter Adolf Thiessen war Ulbricht befreundet.
Die waren per Du. Thiessen hatte eine furchtbare Vergangenheit: Der war schon vor 1933 in der NSDAP. Aber er hatte auch ein großes Verdienst. Am renommierten Kaiser-Wilhelm-Institut 10 , das Thiessen leitete, arbeitete auch der Kommunist Robert Rompe 11 , der eine illegale antifaschistische Widerstandsgruppe führte. Thiessen hat das mitbekommen – und ihn gedeckt. Rompe hat mir mal gesagt, dass er Thiessen faktisch sein Leben verdanke, der hätte ihn hochgehen lassen können. Stattdessen warnte er ihn: Seien Sie vorsichtig! Er sagte nicht etwa: Hören Sie auf!
Ulbricht wusste davon. Und davon, was Thiessen für die sowjetische Atombombe zur Brechung des US-Kernwaffenmonopols geleistet hatte. Thiessen war der höchstdekorierte deutsche Forscher in der Sowjetunion, die Sowjets haben ihn – zu Recht – mit Auszeichnungen überhäuft. Er kehrte als ein reicher Mann in die DDR zurück.
Thiessen, du erwähntest es, war in der NSDAP. Du wurdest, kaum dass du als Minister berufen warst, im Westen als »Nazi« denunziert. Was war da dran.
Zunächst: Die DDR und die Antifaschisten in der Bundesrepublik haben immer wieder scharf kritisiert, dass belastete Nazis in den 50er Jahren in der BRD
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