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Walzer der Liebe

Titel: Walzer der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Hazard
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Kleid zu tragen."
    Mr. Carlyle hatte Recht. Meine Ballkleider enthüllten beträchtlich mehr von meinem Körper als das Nachthemd, das ich anhatte. Ich kapitulierte, da ich wusste, dass er fähig war, mir die Bettdecke fortzuziehen und mich aus dem Bett zu heben. Zu meiner Überraschung kauerte er sich vor mich hin und zog mir die Slipper an. Ich blickte auf seinen dunkelhaarigen Kopf und fragte mich, warum ich plötzlich den Tränen nahe war.
    Die Musiker hörten wie auf ein Signal hin mitten im Stück auf und begannen dann einen schwungvollen Walzer. Inzwischen hatten die Lakaien die Möbelstücke fortgerückt und den Teppich aufgerollt, damit eine freie Fläche entstand. Hugh Carlyle ergriff meine linke Hand und hob sie hoch. Ich konnte nicht umhin, das Gesicht zu verziehen, da mir die Schulter noch wehtat. Sofort ließ er mich los.
    „Haben Sie Schmerzen? Im Arm?" erkundigte er sich besorgt.
    „Nein, in der Schulter. Ich glaube, da bin ich von dem Pferd getroffen worden", erklärte ich.
    Zu meinem Schreck fing er an, die obersten Knöpfe meines Nachthemdes zu öffnen. Ich wusste, ich hätte ihm Einhalt gebieten müssen, wollte jedoch in Anbetracht der Leute im Korridor keine Aufmerksamkeit auf sein Benehmen lenken.
    Er schob den Stoff beiseite und inspizierte meine Schulter. Dabei verdüsterte sich seine Miene. Die Prellung sah schlimmer aus, als sie war. Die Stelle war ganz gelb, purpurrot und grün verfärbt. Schweigend knöpfte er das Nachthemd wieder zu.
    „Nehmen Sie meine Hand, Miss Ames. Halten Sie sie so, wie es für Sie am bequemsten ist." Ich fröstelte innerlich, denn seine Stimme hatte kalt und abweisend geklungen.
    Ich vergaß seine Verärgerung jedoch, als wir zu tanzen begannen. Wie froh ich jetzt war, dass Louisa darauf bestanden hatte, ich müsse von einem Tanzlehrer die neuesten Tänze lernen. Der Unterricht ermöglichte es mir, mich mühelos von meinem Partner führen zu lassen, ja sogar, wie ich hoffte, graziös und nicht unbeholfen zu wirken. Beim Tanzen betrachtete ich staunend Mr. Carlyles Gesicht.
    Dann räusperte sich Mrs. Collins im Gang, und Mr. Carlyle sagte: „Es tut mir Leid, dass wir kein Cembalo haben."
    „Das ist nicht wichtig. Die Musik ist entzückend. Wissen Sie, welches Stück gespielt wird?"
    Wir plauderten zwanglos, ohne jedoch den Blick voneinander zu wenden. Und unsere Augen drückten Dinge aus, die besser ungesagt blieben. Vielleicht bildete ich es mir ja nur ein, aber ich hatte den Eindruck, dass ich durch den um meine Taille geschlungenen Arm und die auf meinem Rücken liegende warme, mich führende Hand näher als schicklich an Mr. Carlyle gedrückt wurde.
    Nachdem die Musik verklungen war, überwand ich mich dazu, rasch einen Schritt von ihm zurückzuweichen.
    Er sah mich weiterhin an und gab einem Lakaien ein Zeichen. „Schenken Sie Miss Ames noch ein Glas Champagner ein, und verlassen Sie dann den Raum", befahl er. An mich gewandt, fügte er hinzu: „Das wird Ihnen helfen, schneller einzuschlafen. Sie müssen sich um nichts Gedanken machen. Ich werde mich um alles kümmern", versprach er, während er mich zum Bett brachte und das Champagnerglas auf den Nachttisch stellte.
    Hinter ihm rollten die Lakaien den Teppich wieder aus und rückten die Möbel an ihren ursprünglichen Platz. Sie arbeiteten flink und leise. Schließlich verließen sie mit den Körben den Raum, und ich war mit Mr. Carlyle allein.
    Er deckte mich zu, streckte dann die Hand aus und löste das Band von meinem Haar.
    Meine Haare fielen auf das Kopfkissen. Geistesabwesend schob er die Hände in meine Locken. Ich spürte, dass er meinen Kopf umfasste und ihn leicht anhob. Als er sich zu mir neigte, hüstelte Mrs. Collins wieder. Er seufzte und ließ mich los.
    „Passen Sie gut auf sich auf, Miss Ames", sagte er in normalem Ton und stand auf. „Ich rechne damit, Sie bald wieder in der Öffentlichkeit zu sehen."
    Er verneigte sich, nachdem er die Tür erreicht hatte.
    Aus dem Korridor konnte ich das Scharren von Stuhlbeinen hören und die beim Zurücklegen der Instrumente in ihre Behälter entstehenden Geräusche. In diesem Moment gab es für mich jedoch niemanden in der Welt außer Mr. Carlyle. Ich kam mir unendlich einsam vor. So musste Aschenputtel sich nach dem Ball ohne den Prinzen gefühlt haben, der den Abend für sie zu einem so wundervollen Erlebnis hatte werden lassen.

6. KAPITEL
    „Los, erzähle! Alles!"
    „Was hast du gehört?" wollte ich wissen und nippte scheinbar gleichmütig

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