Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Walzer der Liebe

Titel: Walzer der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Hazard
Vom Netzwerk:
abwarten konnte, wieder heimzufahren, wo, seiner Meinung nach, die einzig anständigen Menschen lebten.
    Hibbert war also genötigt, meine Wünsche zu respektieren, da weder meine Tante, meine Cousine oder mein Vetter zu Haus waren. Von diesem Tag an hasste er mich. Er hatte gewiss Grund, mich meiner eingebildeten Art wegen zu tadeln.
    Als ich am nächsten Vormittag ins Erdgeschoss kam, war Miss Wardell längst aufgebrochen. Ich hoffte, sie möge eine gute Anstellung finden, die arme Frau!
    In der ersten Nacht hatte ich große Schwierigkeiten, Schlaf zu finden. Mein Zimmer lag an der Rückseite des Hauses, aber dennoch konnte ich den Lärm der Stadt vernehmen, der in der Dunkelheit nur leicht gedämpft zu mir drang. Und natürlich wurde ich am folgenden Morgen früh durch die Rufe der Händler und die Geräusche des starken Verkehrs in der Park Lane geweckt.
    Louisa kam zu mir und führte mich in den kleinen Salon, den die Familie als Frühstückszimmer benutzte. Ich staunte, dass sie bereits auf den Beinen war. Als sie und meine Tante nach Hause zurückgekehrt waren, hatte ich in der Ferne Kirchturmuhren dreimal schlagen gehört. Den Viscount hatte ich nicht heimkehren hören.
    Louisa hatte mich wirklich überrascht. Zum einen lag das an ihrer spröden, tiefen Stimme und dem wissenden Ausdruck in ihren Augen. Beides stand in erstaunlichem Gegensatz zu ihrer zierlichen, beinahe kindlichen Gestalt. Sie ist einundzwanzig Jahre alt, ein Jahr älter als ich. Da sie stets in London gelebt hatte, war sie auf eine Weise weltgewandt, wie ich mir das bei mir nie hätte vorstellen können. Sie vermittelte mir das Gefühl, lediglich die naive Cousine vom Lande zu sein, und das war unangenehm. Nur die Erkenntnis, dass sie sich mir gegenüber nicht absichtlich so benahm, machte es mir möglich, sie und ihre Art zu reden sowie ihr Betragen zu akzeptieren.
    Meine Tante Lavinia hatte mich ebenfalls überrascht. Sie ist die jüngste Schwester meines Vaters und hatte meinen Onkel auf den Tag genau ein Jahr nach dem Tod seiner ersten Gattin geehelicht. Möglicherweise hatte ich sie, als ich noch ein Kind war, schon in Yorkshire bei Familien treffen gesehen, konnte mich jedoch nicht an sie erinnern. Nach ihrer Heirat hatte ich sie ganz bestimmt nicht mehr zu Gesicht bekommen, sodass unsere Begegnung in London wie ein erstes Kennenlernen war. Früher musste sie eine schöne Frau gewesen sein, doch jetzt war ihr Gesicht eingefallen und faltig, und sie wirkte geistesabwesend, meistens sogar furchtsam. Zwischen ihr und ihren Stiefkindern herrschte wenig Zuneigung. Manchmal brachte sie zaghaft eine Anregung vor, der allerdings weder Louisa noch deren Bruder Beachtung schenkten.
    Wie soll ich den Viscount beschreiben? Er heißt Cameron James Langley, ist sechsundzwanzig Jahre alt und hat den Titel geerbt, als er erst drei Jahre alt war. Ich konnte mich nie entscheiden, ob ich ihn als gut aussehend empfand oder nicht. Wie seine Schwester ist er von hohem, schlankem Wuchs, hat das gleiche schwarze Haar, ebenfalls graue Augen und einen hellen Teint. Sein und Louisas Aussehen hatten mich nach meiner Ankunft irritiert, weil mir die Hautfarbe so ungesund erschien. Seither habe ich indes begriffen, dass nicht nur Damen, sondern auch Gentlemen aus dem haut ton sich darum bemühen. Vornehme Blässe und sorgfältig gepflegte weiße Hände sind Zeichen eines Aristokraten, der nicht gezwungen ist, sich mit irgendwelchen kaufmännischen oder landwirtschaftlichen Belangen zu befassen.
    Louisa und ihr Bruder waren über meinen rosigen Teint entsetzt. Glücklicherweise war ich nicht im Juli eingetroffen, zu einer Zeit, da ich im Allgemeinen so braun wie eine Kaffeebohne bin.
    Cameron hatte mich sofort gebeten, ihn mit dem Vornamen anzusprechen, obwohl wir nur Stiefcousins sind. Es war schwierig, ihn kennen zu lernen. Zum einen ließ er sich selten dazu herab, etwas zu äußern. Er ist tatsächlich der schweigsamste Mensch, den ich je getroffen habe. Im Übrigen ist er selten zu Haus, kommt und geht, wie es ihm genehm ist, und informiert seine Schwester oder meine Tante nur selten über seinen Aufenthaltsort und seine Pläne. Erst in der vergangenen Woche war er drei Tage lang verschwunden, und als Louisa ihn nach seiner Heimkehr fragte, wo er gewesen sei, murmelte er irgendetwas von einem Pferd. Es war ihr überlassen geblieben, aus dieser Antwort zu machen, was sie für richtig hielt, da er sich nicht näher geäußert hatte.
    Aber natürlich war nicht er

Weitere Kostenlose Bücher