Walzer der Liebe
Antwort. Ich erinnerte mich deutlich, dass er versprochen hatte, mir nie zu schaden. Ich entsann mich jedoch auch in aller Klarheit, dass er mir zu verstehen gegeben hatte, ich wirke angespannt und nervös, und sich nach dem Grund erkundigt hatte.
Nein! sagte ich mir. Selbst wenn! Ich glaubte es nicht. Ich wollte es nicht glauben.
„Wie ich sehe, ist dir etwas eingefallen." Louisa tätschelte meinen Arm. „Weißt du, das ist nicht Mr. Carlyles Schuld. Mr. Carlyle muss dauernd im Gespräch sein, bewundert, bestaunt werden. Und bestimmt hast du die ganze Zeit gewusst, dass er sich nicht in der Absicht, dich zu heiraten, um dich bemüht."
„Nein, natürlich tut er das nicht", erwiderte ich spröde. An dem Abend, an dem wir den Tanz ausgesessen hatten, waren seine eigenen Worte einem Freund gegenüber gewesen, man brauche nur Raffinesse, um der Ehe zu entgehen. Raffinesse und Kühnheit und vielleicht eine Spur von Unverschämtheit. Und, o du meine Güte!, unverschämt war er wirklich.
„Dennoch fällt es mir schwer, das von ihm anzunehmen", fuhr ich bedächtig fort. „Ich halte ihn nicht für die Art Mann, der so etwas Schreckliches tun würde, ganz gleich, wie sehr er Gleichgültigkeit vortäuscht. Ich ... ich kann das nicht glauben."
Erneut tätschelte Louisa meinen Arm. „Ich weiß. Das ist schwer, nicht wahr? Aber wir haben nicht viele Verdächtige, oder? Doch wir sind vielleicht imstande, seine Schuld oder Unschuld zu beweisen, wenn du willens bist, einen Versuch zu unternehmen."
„Wie?"
„Ich habe gehört, dass er bald ein Fest geben will. Das tut er nicht in jedem Jahr, doch wenn er eines veranstaltet, bemüht jeder im ton sich um eine Einladung. Seine Gesellschaften sind so extravagant! Vor zwei Jahren hat er ein südamerikanisches Thema gewählt. Es gab exotische Blumen, eingeborene Trommler, sogar einen wilden Jaguar, der ein Diamanthalsband trug. Er war in einem Käfig, und das Halsband sollte demjenigen gehören, der Mut genug hatte, es ihm abzunehmen. Natürlich hat niemand das gewagt."
„Aber wie sollte ein von Mr. Carlyle veranstalteter Ball uns dabei helfen, herauszufinden, ob er der Schuldige ist oder nicht?" warf ich ein, um Louisas Beschreibung früherer Vergnügungen zu beenden.
„Nun, wenn wir dort sind, könnten wir den Schreibtisch in der Bibliothek inspizieren und vielleicht sogar Mr. Carlyles Privaträume aufsuchen. Oder nur eine von uns tut das. In dem Gedränge, das dort bestimmt herrschen wird, dürfte es nicht allzu schwierig sein, sich unbemerkt davonzustehlen. Das verlangt nur Mut und Entschlossenheit. Und sollten wir irgendeinen Beweis finden, das Papier, den blauen Siegellack oder das grässliche Petschaft, dann wäre das doch ein eindeutiger Hinweis darauf, dass Mr. Carlyle der Täter ist, nicht wahr?"
Ich musste zugeben, dass Louisa Recht hatte, wenngleich ich mir bei dem anspruchsvollen Mr. Hugh Carlyle nicht vorstellen konnte, dass er so grellblauen Siegellack benutzen würde, nicht einmal dann, falls er dadurch seine Schuld zu verschleiern suchte.
„Natürlich sind die Chancen sehr gering, dass wir etwas finden", meinte Louisa düster. „Das wäre zu leicht. Nein, ich bin sicher, dass du mit deiner ersten Vermutung Recht hast. Es muss sich bei dem Absender um eine Frau handeln, die uns beide so verabscheut, dass sie sich an uns rächen will. Wenn uns doch nur einfiele, wer sie sein könnte!"
Louisa fing an, die Namen von Frauen aufzuzählen, die aus irgendeinem Grund einen Groll gegen sie hegten. Ich hörte jedoch kaum zu und überlegte, ob wirklich Mr. Carlyle hinter der Sache stecke. Konnte er es sein? War er ein so guter Schauspieler, dass ich ihn nicht mit diesem schändlichen Unterfangen in Verbindung brachte? Und war er ein so charakterloser Mensch, dass er fähig war, mir so etwas anzutun, nur um sich zu amüsieren oder um vielleicht eine Wette zu gewinnen?
Ein Teil von mir wollte ihn in Schutz nehmen, jede Missetat seinerseits abstreiten, mir zu verstehen geben, dass Louisa sich nur an einen Strohhalm klammere. Aber ein anderer Teil von mir, die Denkweise einer aus dem Norden stammenden Frau vom Land, musste zugeben, dass es für mich keine Möglichkeit gab, ganz sicher zu sein.
Hugh Carlyle war ein Rätsel.
8. KAPITEL
Noch ehe jemand wach war, hatte Viscount Moreston das Haus frühmorgens verlassen.
Niemand wusste, wohin er sich begeben hatte. Niemand wusste, wann er zurückkehren würde. Als ich meiner Tante einen guten Morgen wünschen ging,
Weitere Kostenlose Bücher