Walzer der Liebe
„Machen Sie schon! Schauen Sie sich die Schriftproben an", befahl er. „Das ist doch bestimmt der wahre Grund, weshalb Sie sich heute in mein Haus geschlichen und sofort die Bibliothek aufgesucht haben. So ein Pech für Sie, dass Sie mich hier angetroffen haben, ehe Sie anfangen konnten, hier herumzustöbern!"
Ich machte den Mund auf, um Mr. Carlyle zu widersprechen, schloss ihn jedoch gleich wieder. Mr. Carlyle war wütend. Unverhohlener Zorn spiegelte sich in seinen Augen wider.
Seine ganze Haltung und sein Gesicht drückten höchste Verärgerung aus. Ich wandte den Blick ab.
Seine Handschrift war einzigartig, verwegen und schwungvoll. Man erkannte sofort, dass es die eines Mannes war. Keine Frau würde die Buchstaben so energisch, so klar und mit solch abrupten Abstrichen schreiben. Weder das eine noch das andere Muster entsprach auch nur im Entferntesten der Schrift in den Briefen, die ich erhalten hatte.
„Natürlich besteht die Möglichkeit, dass ich Talent zum Fälschen habe", sagte Mr. Carlyle, während er finster vor mir stand. „Aber lassen wir das jetzt beiseite." Er streckte die Hand aus und half mir auf die Füße. Dann ergriff er meinen Arm und zog mich, obwohl ich ihm nur widerstrebend folgte, zur Tür. „Wir gehen in meine Räume hinauf, erklärte er, als wir im Korridor waren. Mein Widerstand entlockte ihm lediglich ein spöttisches Lächeln. „Keine Angst, Miss Ames! Ich habe mich selten weniger lüstern gefühlt. Außerdem dürfte die Umgebung keine große Rolle mehr spielen. Ihr guter Ruf, oder das, was man dafür halten kann, ist inzwischen zerstört."
Ich hörte auf, mich gegen Mr. Carlyle zu sträuben. Das war nutzlos, und ich hätte mir nur wehgetan. Oben angekommen, zerrte er mich den Korridor entlang zu seinem Schlafzimmer.
Bei Tageslicht wirkte es sehr ansprechend, luxuriös und maskulin. Das enorme Himmelbett schien drohend vor uns aufzuragen. Ich zwang mich, es nicht zu beachten.
„Also, wo genau haben Sie das Papier gefunden, Madam?" fragte er voller Sarkasmus.
„Nicht hier. Im Ankleidezimmer", antwortete ich und schämte mich, weil meine Stimme gebebt hatte.
„Zeigen Sie mir die Stelle", forderte er.
Ich ging vor ihm in den angrenzenden Raum und machte die unterste Schublade der kleinen Kommode auf. Zu meiner Überraschung war der Papiervorrat noch immer unter den Schachteln und Bürsten verborgen, noch dazu ordentlicher, als ich ihn zurückgelassen hatte.
Mr. Carlyle hatte vorhin derart selbstsicher geklungen, dass ich überzeugt gewesen war, er habe ihn entfernt.
Ich nahm ein Blatt zur Hand und reichte es ihm. „Es besteht wohl kein Zweifel, dass dieses Papier das Gleiche ist. Stimmen Sie mir zu, Sir?"
Er antwortete mir nicht. Stattdessen ging er zum Klingelzug und läutete. Wir warteten, sorgsam darauf achtend, uns nicht anzusehen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis ein älterer, sehr ordentlicher und korrekter Mann ins Zimmer kam. Falls er überrascht war, mich hier anzutreffen, so ließ er sich das nicht einmal durch ein Wimpernzucken anmerken. Man hätte denken können, eine beliebige Zahl von Frauen verkehre regelmäßig in Mr. Carlyles Ankleidezimmer. Vielleicht war das sogar der Fall.
„Sie haben geläutet, Sir?" fragte der Diener.
„Können Sie mir erklären, warum dieses Papier in der untersten Schublade ist, Simkins?" fragte Mr. Carlyle und händigte ihm das Blatt aus.
Der Kammerdiener schaute es kaum an. „Weil ich es dort aufbewahre, Sir", antwortete er. „Ich pflege mir darauf zu notieren, welche Dinge nachgefüllt werden müssen. Zum Beispiel mehr Schuhwichse, oder Rasierseife, oder das besondere Parfüm, das Sie benutzen. Eigentlich müsste da auch ein Bleistift sein. Ja, hier ist er.
Gestatten Sie mir eine Anmerkung, Sir. Am Tag nach der Gala habe ich festgestellt, dass jemand sich in dieser Schublade zu schaffen gemacht und auch die anderen Fächer durchsucht hat. Es tut mir Leid, dass ich das nicht früher erwähnt habe. Sie schienen so viel im Kopf zu haben, dass ich es für richtiger hielt, Sie nicht mit dieser Sache zu behelligen. Außerdem ist nichts entwendet worden."
„Ich verstehe. Das war alles. Sorgen Sie dafür, dass ich nicht gestört werde."
Ich merkte kaum, dass der Kammerdiener das Zimmer verließ. Ich hatte nur Augen für Hugh Carlyle, und all meine Gedanken kreisten um die Frage: Was habe ich getan? Was habe ich getan?
Ins Schlafzimmer zurückgekehrt, wurde ich von Mr. Carlyle genötigt, mich in einen Sessel zu
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