Walzer der Liebe
können. Ich werde wie auf glühenden Kohlen sitzen, bis ich etwas von Ihnen höre."
Ich umarmte Lady Beech, betrat Mr. Carlyles Garten und machte sorgfältig das Tor hinter mir zu. Derweil ich an der Mauer entlangging und Ausschau nach Gärtnern hielt, entsann ich mich der Kobra und hoffte, sie möge dem Schlangenbeschwörer nicht entwischt sein.
Andererseits sagte ich mir, ein so wertvolles Reptil würde bestimmt scharf bewacht.
Zumindest hoffte ich das.
Behutsam schlug ich den Weg zur Terrasse ein, ohne eine Menschenseele zu erblicken. Irgendwie war das unheimlich, ganz so, als hätte eine böse Fee das Haus verzaubert und jeden Bewohner in tiefen Schlummer versetzt.
Als ich die Hand über die Augen legte und in den Salon spähte, sah ich, dass er leer war.
Die Fenstertür, an der ich sacht rüttelte, ließ sich leicht öffnen. Ich huschte in den Raum und kam mir, nachdem ich jetzt im Haus war, weniger exponiert vor. Dennoch hielt ich den Atem an und lauschte angestrengt. Nichts regte sich. Alles war still.
Vollkommen still.
Klopfenden Herzens machte ich eine der zum Salon führenden Türen einen Spalt weit auf und horchte. Wieder war nichts zu vernehmen. Ich zog die Tür weiter auf und inspizierte den Korridor. Wie erwartet, war er leer. Jetzt zögerte ich nicht mehr, sondern eilte kühn zur Treppe. Zuerst wollte ich zu Mr. Carlyles Räumen hinauf.
In diesem Moment hörte ich in einiger Entfernung hinter mir Schritte, die sich von der Rückseite des Hauses her näherten. Ich verschwand im nächsten Raum und schloss die Tür hinter mir. Einen Moment lang blieb ich, wo ich war, ein Ohr an die Tür gepresst, ehe ich mich umdrehte, um ein Versteck zu suchen.
Können Sie sich mein Entsetzen vorstellen, als ich entdeckte, dass Hugh Carlyle mich ernst aus seinem hinter seinem Schreibtisch stehenden Sessel anschaute? Können Sie sich vorstellen, dass mein Herz eine Sekunde lang zu schlagen aufhörte und dann zu rasen begann?
Ich weiß, dass ich nach Luft schnappte und unwillkürlich die Hände an den Hals hob, als Mr. Carlyle aufstand, sich auf den Schreibtisch stützte und mich betrachtete.
Kaum war das zu erwartende Klopfen an der Tür zu hören, sagte er nur: Jetzt nicht!"
Wir beide lauschten den sich entfernenden Schritten. Dann kam er, als wäre ein Zauber gebrochen worden, um den Schreibtisch und näherte sich mir. Er sah streng aus, lächelte nicht, hatte die Lippen zusammengepresst. Und seine Augen ... oh, seine Augen glichen blaugrauen Feuersteinen.
Wie soll ich meine Reaktion erklären? Selbst heute habe ich noch Schwierigkeiten, mein Verhalten zu begreifen. Es sah mir überhaupt nicht ähnlich und war vollkommen wahnwitzig, wenn man bedenkt, weshalb ich mich in diesem Haus befand. Ich zögerte jedoch nicht und dachte auch nicht nach. Nein, impulsiv ging ich zu Mr. Carlyle und umfasste mit beiden Händen sein Gesicht. Noch immer redete er nicht mit mir, und auch ich sagte nichts zu ihm.
Auch seine Miene änderte sich nicht. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, zog seinen Kopf herab und küsste ihn.
Können Sie das glauben? Können Sie glauben, dass ich ihn küsste, obwohl ich ihn eines schrecklichen Vergehens verdächtigte?
Er schlang weder die Arme um mich, noch erwiderte er meinen Kuss. Das war mir gleich. Es störte mich nicht. Als ich endlich einen Schritt zurücktrat, flüsterte ich: „Ich habe auf Sie gewartet."
„Ach, tatsächlich?" fragte Mr. Carlyle leise. „Warum?" Er wirkte nicht mehr ärgerlich, und seine Stimme hatte auch nicht grimmig geklungen.
Erleichtert antwortete ich: „Ich muss mit Ihnen reden. Es gibt Dinge, die ich Ihnen erklären muss. Es gibt Dinge, die ich Sie fragen muss. Das ist wichtig für mich."
„Warum haben Sie mich eben geküsst?" wollte er wissen und schaute mich prüfend an.
Ich konnte den Blick nicht abwenden. „Auch das musste ich tun", gestand ich.
Er wies auf einen vor dem leeren Kamin stehenden Sessel und wartete, bis ich Platz genommen hatte, ehe er sich mir gegenüber niederließ. Kein einziges Mal wandte er die Augen von mir. Ein Teil von mir wollte ihm versichern, ich sei kein Produkt seiner Fantasie und würde auch nicht verschwinden. Ich unterließ diese Bemerkung jedoch. Jetzt war nicht der rechte Moment für Nebensächlichkeiten. Nicht jetzt, da es mir todernst war.
„Beginnen Sie, Miss Ames. Ich glaube, Sie haben die Situation in der Hand", meinte Mr. Carlyle, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
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