Walzer der Liebe
ehe ich mich, innerlich gestärkt durch das Bewusstsein, die Klinke fest in der Hand zu hallen und beträchtlichen Abstand zu Lord Moreston zu haben, zu ihm umdrehte. Ich sah ihn voll an und erwiderte in Erinnerung an das Gespräch, das er mit seiner Schwester in diesem Raum über seine Heiratspläne geführt hatte: „Du kannst dich längst nicht so glücklich schätzen wie ich, weil ich dir mit knapper Not entkommen bin!"
14. KAPITEL
Ich war zu Recht, indigniert, als ich zu Bett ging. Ich wusste, die Art, wie ich mit Cameron geredet hatte, gehörte sich nicht, doch das war mir gleich. Wie hatte er wagen können zu sagen, Hugh spiele nur mit mir? Wie hatte er wagen können zu unterstellen, Hugh sei ein Mann, der einer Frau die Tugend raubte und sie dann im Stich ließ? Das wusste ich besser. O ja! Ich wünschte mir sehnlichst, Hugh möge zurückkommen. Es würde sehr schwer sein, die Tage allein zubringen zu müssen.
Wir hatten diverse Möglichkeiten diskutiert, wie ich den Namen des geheimnisvollen Briefschreibers herausfinden könne. Daran wurde ich am folgenden Vormittag erinnert, als ein weiterer, mir bekannt vorkommender Brief eintraf, als ich allein beim Frühstück saß. Ich machte den Umschlag nicht sofort auf. Stattdessen verspeiste ich ruhig meine Erdbeeren mit Schlagrahm, Rührei mit Schinken und einen mit Orangenmarmelade bestrichenen Kuchen.
Ich schenkte mir sogar noch Kaffee nach, ehe ich das hässliche Siegel brach.
Dieser Brief verwirrte mich. Obwohl es dieselbe Handschrift war, las er sich anders als die anderen Schreiben, die ich erhalten hatte. Er war so geschwätzig. Der Verfasser ließ sich endlos über meinen Stolz und meine Dreistigkeit aus, meine schlechten Manieren, die, wie der Schreiber behauptete, das Ergebnis meiner fragwürdigen Erziehung und meiner bäuerlichen Herkunft seien. Zum ersten Mal zog er auch mein Aussehen ins Lächerliche.
Formulierungen wie „Ihr scheußliches rotes Haar, das so gewöhnlich ist" und „diese Katzenaugen" störten mich nicht, aber ich nahm Anstoß an der Bemerkung, meine Brüste ließen mich wie eine stillende Mutter aussehen. Ich war sehr empfindlich, was die Größe meiner Brüste betraf.
Ich hatte fast vergessen, dass ich an dem Abend, als wir das Theater verließen, auf die Straße gestoßen worden war. Jetzt glaubte ich, das sei nicht absichtlich geschehen, da eine große Menschenmenge vor dem Gebäude gewesen war und jeder sich nach vorn gedrängt hatte, um seine Kutsche zu finden. Als ich diesen Vorfall Hugh gegenüber erwähnt hatte, war seine Miene ernst geworden. Er hatte mir jedoch gesagt, ich solle mir deswegen keine Sorgen machen, weil er die Absicht habe, den Schuldigen zu finden. Sein Gesichtsausdruck und der Ton, in dem das von ihm geäußert worden war, hatten mir ein Frösteln verursacht.
Dann hatte er vorgeschlagen, ich solle versuchen, Schriftproben von allen Frauen in Moreston House zu bekommen. Er hatte betont, ich dürfe mich jedoch keinem Risiko aussetzen. Nun beschloss ich, ungeachtet meiner Schlussfolgerungen auch den Namen des Viscount auf die Liste meiner Verdächtigen zu setzen und meine Suche sogleich zu beginnen.
Ich wusste, er hatte das Haus früh verlassen, weil das Gedeck von seinem Platz am Frühstückstisch bereits abgeräumt gewesen war. Die Hausmädchen hatten bestimmt schon längst aufgehört, in der Bibliothek zu fegen und dort Staub zu wischen. Es würde niemand dort sein, der sich über mich wunderte.
Aber, ach! Ich hatte den Butler vergessen. Ich begegnete ihm vor der Tür zur Bibliothek.
Er erdreistete sich sogar zu der Frage, was ich in einem privaten Raum Seiner Lordschaft zu suchen hätte.
Ich starrte ihn erbost und hocherhobenen Hauptes an. „Ich weiß nicht, Hibbert, was Sie das angeht", erwiderte ich im frostigsten Ton. „Aber da Sie neugierig sind, teile ich Ihnen mit, dass ich ein bestimmtes Buch zum Lesen suche. Sie können sich entfernen."
Hibbert blieb nichts anderes übrig, als sich zu verbeugen und mir die Tür zu öffnen. Es dauerte jedoch einige Augenblicke, bis mein Herz wieder normal schlug.
Sobald sich die Tür hinter mir geschlossen hatte, suchte ich mir ein Buch aus. Nachdem ich mein Alibi hatte, ging ich zu Lord Morestons Schreibtisch. Einige Schriftstücke von seiner Hand lagen darauf, doch ich wagte nicht, .ein Blatt an mich zu nehmen. Es hätte zu leicht vermisst werden können. Stattdessen fing ich an, die Schub laden zu durchsuchen. Eine von ihnen war randvoll mit
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