Walzer, Küsse und Intrigen - Michaels, K: Walzer, Küsse und Intrigen
ich komisch finde, Lucas?“, fügte er unbehaglich hinzu. „Mir kam es nicht vor, als hätten die Schwestern und Lady Daughtry einander sehr gern. Zwar sagte Lady Nicole, sie neckten einander nur, aber für mich klang es anders. Vorn lächeln sie, und hinter dem Rücken haben sie die Messer gezückt. Frauen machen mir Angst, Lucas, das gebe ich unumwunden zu.“
„Es ist meine Schuld, Fletcher. Ich habe mit Lady Nicole gestritten, deshalb hat sie wohl eine Lösung gesucht, damit sie mir nicht begegnen muss.“
Sofort lehnte Fletcher sich erleichtert zurück. „Ah, und ich dachte schon, es läge an mir. Ihr habt gestritten, sagst du? Das war nicht nett.“
„Ja, ich bin ein schlechter Kerl“, spottete Lucas und stand auf. „Ich muss dich jetzt leider bitten zu gehen. Ehe wir uns auf dem Ball treffen, muss ich noch ein paar Dinge erledigen.“
Neugierig musterte Fletcher ihn. „Hat das etwas mit dem zu tun, was wir letztens besprachen?“
„Möchtest du es wirklich wissen?“
„Hm, besser nicht. Außer du möchtest, dass ich dir den Rücken frei halte. Bin vielleicht kein Held mit den Fäusten, aber wenn du mich brauchst, bin ich dabei.“
Flüchtig dachte Lucas daran, dass Nicole ihm genau diese Unterstützung angeboten hatte, nur mit wesentlich größerer Überzeugung, tatsächlich von Nutzen sein zu können.
„Du beschämst mich, Fletcher, wirklich, aber danke, es wird nicht gefährlich sein.“
Fletcher nickte, dann sagte er: „Weißt du, Lucas, dein Vater ist schon sehr lange tot. Möglicherweise findest du die Antwort auf das, was dich quält, nie mehr. Da muss ich dich fragen: Ist es denn noch wichtig? Kein Mensch erinnert sich mehr daran.“
„Doch, ich. Und meine Mutter. Der Tod meines Vaters hat auch sie fast getötet. Zu lange haben wir an Lügen geglaubt. Nun hat man mir die Wahrheit angeboten, und diese Chance muss ich einfach wahrnehmen, selbst wenn ich deshalb einen Vertrag mit dem Teufel schließen muss! Und das habe ich getan.“
Wieder nickte Fletcher. „Lord Frayne?“
„Woher …?“
„Ganz so einfältig bin ich nicht. Nicht nur Lady Nicole fiel auf, dass er zum gleichen Zeitpunkt wie du seine Loge verließ. Mit dem Umgang zu pflegen, heißt, mit der Gefahr zu spielen, mein Freund.“
„Ja, das ist wohl so. Und es ist nicht die einzige Gefahr, mit der ich spiele“, fügte er hinzu, an Nicole denkend.
Eine halbe Stunde später näherte Lucas sich der Hintertür des „Broken Wheel“. Er steckte nun in einer zweifelhaften, muffig riechenden Kluft aus ausgebeulten braunen Hosen, einem groben Wollwams, wie es Seeleute trugen, und zerschlissenen, ausgetretenen Stiefeln. All das hatte sein treuer Kammerdiener bei einem Trödler in Tothill Fields besorgt.
Zwei kräftige Männer, die mit verschränkten Armen an der Wand neben der Tür gelehnt hatten, vertraten ihm in drohender Haltung den Weg.
Lucas hatte sein blondes Haar, das nun unter einer schmierigen Kappe steckte, mit Asche aus dem Kamin bestäubt und auch Gesicht und Hände damit bearbeitet, sodass er aussah, als hätte er seit Langem weder Wasser noch Seife gesehen. Kampflustig hob er das Kinn. „Wie? Bin euch wohl zu schön, was?“
Der Wächter, der ihm am nächsten stand, wandte angewidert den Kopf. „Mach mal’n Schritt rückwärts, Herrgott. Stinkst ja wie’n Fischweib! Und zieh Leine. Für dich gibt’s hier nix zu seh’n.“
„Mein guter Freund Guy Fawkes sieht das’n bisschen anders“, erwiderte Lucas gedämpft.
Nach einem raschen Blickwechsel trat der zweite Mann vor. „Scheint mir verdammt nobles Gewäsch zu sein für ein’n wie dich“, sagte er argwöhnisch.
Doch Lucas war vorbereitet. „Und? Man kann doch unverschuldet ins Unglück geraten, oder? Uns alle hat das gleiche Regime in den Staub geworfen, mein Freund. Aber geh doch zum Teufel!“, knurrte er und machte auf dem Absatz kehrt.
Sofort fiel eine große Hand auf seine Schulter und drehte ihn wieder um. „Du kenns’ die Einlassworte, also schickt dich jemand, der dir traut. Los, geh rein.“
Einen winzigen Moment schloss Lucas erleichtert die Augen, dann schüttelte er die Hand des Mannes ab, murmelte einen Fluch und betrat den Keller der Kaschemme.
In dem feuchten, fensterlosen Raum mit den nackten Ziegelwänden, der nur von ein paar Talglichtern erhellt wurde, roch es nach Schmutz und Schweiß und abgestandenem Bier. Lucas konnte kaum die Gesichter der ihm zunächst Stehenden erkennen, was aber auch erwünscht war, denn wer
Weitere Kostenlose Bücher