Walzer, Küsse und Intrigen - Michaels, K: Walzer, Küsse und Intrigen
Augen brannten von aufsteigenden Tränen. „Nein“, gestand sie endlich ein, „ich musste zu lange mit den Launen meiner Mutter leben, als dass ich das glauben dürfte. Nur eins muss ich unbedingt wissen, nämlich, dass ich nicht wie sie bin.“
Er hatte die Tür schon leicht aufgedrückt, schloss sie jedoch nun wieder. „Du bist ganz und gar nicht wie sie. Mein Gott, Nicole, wie kannst du das auch nur denken?“
„Vielleicht … vielleicht, weil wir … dort im Theater … und gestern Abend. Und beide Male, Lucas, beide Male war sie dort und … und tat das Gleiche. Setzte ihre Reize ein, um sich den nächsten Ehemann – den vierten übrigens – zu angeln, der ihr sagen soll, dass sie jung und schön ist … und aufregend. Sie hat mich praktisch ermutigt, dir deine Wünsche zu erfüllen, nicht zu rasch natürlich, da du vielleicht nicht mehr kaufen würdest, was du umsonst bekommen kannst.“
„Zum Teufel mit ihr!“, schimpfte Lucas unterdrückt. „Kann sie denn immer nur Ärger machen?“
„Lucas, was meinst du damit? Hat sie denn schon Ärger gemacht?“
„Noch nicht, mein Herz.“ Er nahm Nicole bei der Hand und ging mit ihr zur Tür. „Komm, deine Schwester wird dich suchen. Aber wir müssen uns noch einmal unterhalten. Heute Abend noch! Du bist bestimmt zu Lady Hertfords Gala geladen?“
„Ja, unter anderem. Aber ich werde meine Meinung nicht ändern.“ Wie sie selbst bemerkte, klang sie leider nicht sehr überzeugend.
„Natürlich glaubst du das“, erwiderte er und küsste sie auf die Wange, was sofort die Sehnsucht nach mehr in ihr weckte. „Und es würde mich entmutigen, wenn ich mich nicht so sehr darauf freute, dir zu zeigen, wo dein gedanklicher Fehler liegt.“
Als sie in den Saal zurückkehrten, kamen dort auch gerade Lydia und der Duke an, Lydia sichtlich auf der Jagd nach weiteren Relikten von antiken Standbildern.
„Sie scheinen sehr von sich überzeugt, Mylord!“ Nicole blinzelte in dem hellen Licht des sonnendurchfluteten Raumes.
Lächelnd sah er auf sie nieder und bot ihr seinen Arm. „Und ich freue mich darauf, dich heute Abend wieder zu verärgern . Aber nicht wieder in verborgenen Gemächern, die bin ich langsam leid. Du nicht auch? Wenn das Wetter sich hält, könnte ich dich vielleicht in Lady Hertfords Garten verärgern .“
Zuerst wollte Nicole auf diese lachend vorgebrachte Drohung antworten, doch ihr fiel nichts ein. Letztendlich nützte es gar nichts, ihm zuzustimmen.
„Lieber wäre mir, du erzähltest mir, was im ‚Broken Wheel‘ geschah.“
„Das kann ich mir vorstellen.“
„Eine Antwort war das nicht!“ Zornig zog sie ihn am Ärmel zurück, als er sie zu ihrer Schwester führen wollte.
„Also gut, gut, ich erzähle es. Alles! Und dann steht es dir frei, meinen Antrag noch einmal abzulehnen, und dann endgültig.“
12. KAPITEL
B ei White’s herrschte wenig Betrieb, womöglich, weil dichter schwefelgelber Nebel über der Stadt lag, der jedes Mal, wenn die großen Eingangstüren geöffnet wurden, in die Räume zog und wie eine üble Wolke über dem Boden waberte.
Lucas nickte dem Portier grüßend zu und händigte Hut und Umhang einem Lakaien aus, dann schlenderte er weiter in die Klubräume, wo er mit Rafael Daughtry, Duke of Ashurst, verabredet war.
„Danke, dass du gekommen bist, Rafe.“
„Wie hätte ich widerstehen können, wenn du im Nachsatz ausdrücklich verlangt hast, dass ich niemandem ein Wort davon sage? Und mit ‚niemand‘ meinst du Nicole, dessen bin ich mir ziemlich sicher.“ Rafe stand auf, um Lucas die Hand zu schütteln.
„Wie war deine Fahrt?“, fragte Lucas, griff nach der Karaffe auf dem kleinen Tisch zwischen den gemütlichen Ohrensesseln und schenkte sich ein.
„Die Wege sind kaum passierbar, so tief ist der Schlamm. Ansonsten kam ich besser zurecht, als ich mir noch vor einem Jahr hätte träumen lassen. Was ich der Schulung meiner lieben Gemahlin zu verdanken habe, die mich lehrte, angesichts einer Zwangslage zu handeln, wie es einem Duke ansteht. Heute kann ich sogar die Rechnungsbücher führen – die ich vor einem Jahr nicht einmal hätte verstehen können. Und trotzdem sehe ich mich manchmal noch als der arme Verwandte ohne große Zukunft, aber immer seltener.“
So schnell hatte Lucas nicht erwartet, das ansprechen zu können, was ihm auf dem Herzen lag, doch nach dieser Vorgabe fragte er: „Sag, wie kamen dein Onkel und seine Söhne eigentlich ums Leben? Was die Ereignisse während meines
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