Wandel
wo ich ihn hinschaffen kann, damit er nicht draufgeht.“
„Ich jammere …“ Molly hatte sich ereifern wollen, riss sich aber zusammen, schloss eine Sekunde lang die Augen und fuhr in kühlem Ton fort: „Tut mir leid, ich wollte nicht jammern. Ich bin nur …“ Sie sah zu Thomas auf. „Ich habe Angst.“
„Das weiß ich“, presste Thomas zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch hervor.
„Ähm“, sagte Molly. „Warum machen deine Augen das?“
Ehe Thomas antwortete, entstand eine kleine Pause. „Das sind nicht meine Augen. Es sind die Augen meines Dämons. Damit er dich besser sehen kann.“
„Dämon …“ Molly starrte ihn an. „Du bist hungrig. Wie … wie die Vampire.“
„Hungrig? Nach einem Kampf wie dem eben? Ich bin kaum noch bei Verstand.“
Sie hätten es besser wissen müssen, alle beide: Jedesmal, wenn ein Magier einer anderen Person direkt in die Augen sah, riskierte er, einen Seelenblick auszulösen. Einen voyeuristischen Blick durch die Fenster der Seele seines Gegenübers. Der Seelenblick zeigt wie auf einem Schnappschuss den wahren Kern der Person, die man ansah, und sie bekam im Gegenzug auch einen Blick ins Innerste des Magiers.
Ich wurde zum zweiten Mal Zeuge eines Seelenblicks zwischen zwei anderen. Da war dieser Moment, als die Blicke der beiden sich ineinander vertieften – Mollys Augen weiteten sich plötzlich wie die eines erschrockenen Rehs, und sie schnappte nach Luft. Ihr Kinn zuckte heftig zur Seite, als versuche sie, ihren Blick abzuwenden, schaffe es aber nicht.
Thomas wurde unnatürlich still. Auch seine Augen weiteten sich, aber in diesem Fall erinnerte es eher an eine Katze, die erwartungsvoll am Boden kauerte, kurz bevor sie sich auf ihre Beute stürzte.
Mollys Rücken bog sich ein wenig nach hinten. Leises Stöhnen drang aus ihrer Kehle, Tränen standen ihr in den Augen.
„Gott“, sagte sie. „Gott. Nein. Nein, du bist wunderschön. Wie sehr das wehtun muss … wie sehr du dich … lass mich dir helfen!“ Sie tastete nach seiner Hand.
Thomas rührte sich nicht, als ihre Finger seine Hand ergriffen. Kein einziger Muskel zuckte, nur seine Augen schlossen sich langsam.
„Miss Carpenter“, zischte er, „fassen Sie mich nicht an. Bitte.“
„Nein, es ist schon in Ordnung“, sagte Molly. „Alles ist gut, ich bin ja hier.“
Die Hand meines Bruders bewegte sich so schnell, dass man die Bewegung kaum mitbekam. Bleiche Finger packten Mollys Handgelenk – sie keuchte leise. Thomas riss die Augen auf und heftete seinen Blick auf Molly – sie atmete immer schneller. Unter ihrem Hemd zeichneten sich ihre Brustwarzen ab, ihr Mund öffnete sich, sie stöhnte.
Ich glaube, ich versuchte schwach, zu protestieren. Keiner der beiden beachtete mich.
Thomas beugte sich weiter vor, anmutig wie eine Katze, lautlos wie eine Schlange. Molly bebte. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, neigte sich ihm entgegen. Als die beiden Münder aufeinandertrafen, bebte sie noch heftiger, bis sich ihr ganzer Leib erst anspannte, dann starr wurde. Ein Keuchen löste sich aus ihrer Kehle, ihre Augen rollten nach hinten und verschwanden in ihrem Kopf, als Thomas sie an sich drückte, seinen Unterleib gegen ihre Hüften presste. Molly riss mit beiden Händen an seinem weißen Seidenhemd, bis die Knöpfe absprangen, das Hemd offen stand und sie die Hände flach auf seine nackte Brust legen konnte.
Mouse traf Thomas wie eine Abrissbirne.
Der Angriff des großen Hundes schleuderte meinen Bruder aus den Armen meines Lehrlings und gegen die Ziegel der Kaminumrandung. Thomas zischte überrascht und wütend, aber Mouse hatte ihn an der Kehle gepackt, ehe er sich vom ersten Schock erholen konnte.
Mouse hatte es nicht darauf angelegt, Thomas die Kehle durchzubeißen, aber er hielt ihn fest. Die Spitzen seiner Zähne hatten die oberste Hautschicht durchdrungen, er knurrte bedrohlich. Thomas tastete nach dem Schürhaken, der neben dem Kamin hing, aber Mouse war das nicht entgangen, und er schüttelte ihn warnend, wobei seine Zähne gleich noch ein wenig tiefer einsanken. Thomas ließ sich nicht beirren und tastete weiter, während die Haltung meines Hundes zusehends angespannter wurde.
Das reichte, um mich aus meiner Lethargie zu reißen. „Thomas!“, krächzte ich heiser.
Mein Bruder erstarrte. Mouse spitzte ein Ohr in meine Richtung.
„Nicht!“, krächzte ich weiter. „Er beschützt das Mädchen.“
Thomas stieß ein leises Keuchen aus. Dann konnte ich beobachten,
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