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Wandel

Wandel

Titel: Wandel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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gleichmäßig und ruhig. Sie atmete auch wieder halbwegs normal, nur ihre Augen, die ein wenig offen standen, blickten leer ins Nichts.
    Ich murmelte Finsteres in meinen nicht vorhandenen Bart. Irgendwann würde es das gottverdammte Mädchen zu weit treiben, irgendwann würde es sie das Leben kosten. Das war jetzt das zweite Mal, dass ein Vampir kurz davor gewesen war, von ihr zu trinken. Zugegeben: Beim ersten Mal hatte sie nichts dafür gekonnt, das war auf hinterhältige Art und Weise vor sich gegangen, trotzdem war eine Wiederholung nicht gut für sie, und niemand konnte die Folgen voraussehen, falls Thomas eben doch schon damit begonnen hatte, sich von ihr zu nähren.
    „Molly?“, sprach ich sie an. Dann noch einmal, lauter: „Molly!“
    Sie schnappte einmal kurz und hektisch nach Luft, ehe ihr Blick zu uns zurückkehrte und sie mich verwundert ansah.
    „Du machst meinen Teppich schmutzig“, sagte ich.
    Sie setzte sich auf und beäugte leicht benommen sich und die grüne Farbe, mit der sie von oben bis unten bekleckert war. „Was ist passiert?“
    „Du hast Thomas in die Seele gesehen. Dabei habt ihr den Durchblick verloren, und er hätte dich fast verspeist.“ Ich stieß sie mit einer meiner Krücken an. „Mouse hat dich gerettet. Steh auf.“
    „Gut“, sagte sie. „Ist ja gut.“ Es dauerte ein bisschen, bis sie sich leise stöhnend aufgerappelt hatte. „Ist mit Thomas alles in Ordnung?“ Sie rieb sich das rechte Handgelenk.
    „Mouse hätte ihn um ein Haar getötet. Er hat Schiss, schämt sich, ist vor Hunger halb von Sinnen und verschwunden.“ Ich schlug ihr leicht mit der Krücke gegen ein Bein. „Was hast du dir dabei gedacht?“
    Molly schüttelte den Kopf. „Wenn du gesehen hättest … ich meine, wenn du ihn gesehen hättest. Gesehen, wie einsam er ist. Gespürt, welche Schmerzen er leidet, wie leer er sich fühlt, Harry …“ Wieder standen ihr Tränen in den Augen. „Noch nie im Leben habe ich etwas so Furchtbares gefühlt. Oder jemanden gesehen, der so tapfer ist.“
    „Ach, und da hast du dir gedacht, du hilfst ihm lieber und lässt dir das Leben aus dem Leib reißen?“
    Sie sah mich einen Augenblick lang an. Dann wandte sie den Blick ab. „Es wird einem nicht aus dem Leib gerissen. Es wird …“ Sie wurde rot. „Ich glaube, die einzig zutreffende Bezeichnung wäre: fortgeleckt. Als würde man den Guss von einer Torte lecken. Oder … den Schokoüberzug von einem Lutscher.“
    „Bloß wirst du nie rausfinden, wie lange man lecken muss, bis die Füllung kommt!“, herrschte ich sie an. „Weil du nämlich vorher tot bist. Oder wahnsinnig. Bei dem, was du drauf hast, eine ziemlich grausige Vorstellung. Ich wiederhole die Frage gern noch einmal.“ Was …“ Ich betonte jedes Wort mit einem Aufstampfen meiner Krücke. „Hast. Du. Dir. Dabei. Gedacht.“
    „Es kommt nicht wieder vor.“ Mir entging nicht, dass Molly bei diesen Worten zitterte.
    Skeptisch geworden sah ich auf sie hinunter.
    Molly war noch nicht bereit. Was uns bevorstand, war eine Nummer zu groß für sie. Sie hatte viel zu viel Selbstvertrauen und nicht genug gesunden Menschenverstand.
    Wie ärgerlich. Ich in ihrem Alter hatte bereits meine Ausbildung zum Privatdetektiv absolviert, mich selbstständig gemacht und lebte bereits fast ein Jahrzehnt unter allen möglichen Damoklesschwertern.
    Natürlich hatte ich Molly gegenüber einen Erfahrungsvorsprung. Meinen ersten dunklen Pakt hatte ich im zarten Alter von elf oder zwölf mit meinem damaligen Mentor Justin DuMorne abgeschlossen, ohne zu ahnen, worauf ich mich einließ. Mit sechzehn kam der nächste, der mit der Leanansidhe, und kurz danach hatte ich rund um die Uhr unter der Bewachung Wächter Morgans gestanden, des Meisters aller Paranoiker.
    So jung ich damals auch gewesen sein mochte, das Leben hatte mir reichlich Lektionen beschert. Meist in Form harter Schläge auf den Hinterkopf, aber immerhin. Als ich so alt gewesen war wie Molly jetzt, hatte ich schon ganz ohne fremdes Zutun ziemlich viele bescheuerte Entscheidungen getroffen und es irgendwie geschafft, sie zu überleben.
    Aber letztlich war ich nie in derart gefährliche Situationen verwickelt gewesen. Ein Troll unter einer Brücke oder ein übelgelaunter Geist – viel schlimmer war es eigentlich nie gekommen. Das alles hatte mich auf die Konfrontation vorbereitet, der ich mich jetzt stellen musste.
    Auf welche Erfahrungen konnte Molly zurückgreifen? Sicher, sie war ein gebranntes Kind, aber wie

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