Wandel
gelassen hatte, winselte.
„Wann?“, wollte ich wissen.
„Letzte Nacht.“
Ich starrte Stevie an. Dann warf ich seinen Geldbeutel wieder auf den Klapptisch. „Bind ihn los, Sanya, und bring ihn zur Tür.“
Mit einem leisen Seufzer der Enttäuschung zückte Sanya ein Messer, um unseren Auftragsmörder aus seinem Kokon zu befreien.
Ich ging mit gesenktem Kopf den Flur hinunter, zurück in den Wohnbereich. In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken.
Susan hatte einen Auftragskiller angeheuert, um mich umzubringen. Warum?
Genau – warum? Ich blieb stehen und lehnte mich an die Flurwand. Warum sollte Susan jemanden anwerben, um mich umzubringen? Noch dazu, verdammt noch mal, einen, der mit Handfeuerwaffen arbeitete? Wo es durchaus Leute gab, die größere Chancen gehabt hätten, einen solchen Auftrag erfolgreich zu erledigen?
Ein Scharfschütze schaffte es möglicherweise, einen Magier umzulegen, wenn der ihn nicht vorher bemerkte. Aber bei einer Pistole musste man gefährlich nah ans Objekt rangehen, wenn man treffen wollte, und Stevie D. galt als Spezialist für Handfeuerwaffen. Handfeuerwaffen gaben einem Magier mehr Zeit zu merken, dass Unheil drohte, da wurde man nicht erst gewarnt, wenn einem die Kugel aus einem Präzisionsgewehr schon in der Brust steckt, sondern konnte sich eher noch schnell eine Verteidigungsmagie zusammenschustern. Eine Pistole war wohl kaum die ideale Waffe gegen einen Magier.
Auch brauchte Susan keine Aufträge zu vergeben, wenn sie mich töten wollte. Einen Vorwand, um mich allein zu treffen, einen weiteren, um mir dicht auf die Pelle zu rücken, mehr hätte sie doch gar nicht nötig gehabt.
Die Geschichte stimmte vorn und hinten nicht. Ich hätte Stevie ja gern einen Lügner geschimpft, war aber sicher, dass er keiner war. Der Mann glaubte, was er uns erzählt hatte.
Entweder war ich zu blöd, um mitzubekommen, dass Stevie log, oder er sagte die Wahrheit. Falls er log, war er ein Vollidiot – wenn man bedachte, was ich ihm alles antun hätte können. Ein Idiot schien er mir nicht zu sein. Wenn er aber die Wahrheit sagte …
Wenn er die Wahrheit sagte, dann hatte Susan entweder wirklich jemanden angeworben, um mich umzubringen, oder jemand anderes, der so aussah wie sie, war mit Stevie ins Geschäft gekommen. Aber wie gesagt: Warum hätte Susan jemanden anheuern sollen, bei dem die Erfolgschancen höchstens fünfzig zu fünfzig standen? Das roch eher nach Esteban und Esmeralda.
Die Eebs – so kam Sinn in die Sache. Esmeralda mit ihrem grün-blauen Augenpaar hätte Stevie sonst was vormachen können, wenn sie es darauf anlegte. Aber woher wussten die beiden, wo ich war? Hatten sie es irgendwie geschafft, Sanya von meiner Wohnung aus bis zur Kirche zu folgen, ohne dass Mouse das mitbekommen hatte – und wo zum Teufel steckten Susan und Martin? Die hätten schon längst hier auflaufen müssen, Zeit genug hatten sie gehabt. Warum waren sie also nicht hier?
Da spielte jemand Spielchen mit mir. Zu viele Fragen – wenn ich nicht bald ein paar Antworten fand, stand ich demnächst ohne Hemd in der Wüste, und das, wie ich mich kannte, im denkbar ungünstigsten Augenblick.
Alsdann!
Zeit, loszuziehen und Antworten zu finden.
***
Wenn man in meinen Kreisen verkehrte, wurde einem Paranoia quasi zur zweiten Natur. Als Paranoiker war man immer beschäftigt: Man sinnierte über völlig lächerliche Probleme, die auftauchen mochten, wahrscheinlich aber nie auftreten würden, und dachte sich Lösungen dafür aus. Wenn eins dieser lächerlichen Probleme dann wirklich auftrat, fühlte man sich bestätigt und konnte munter weitermachen.
Ich zum Beispiel hatte so manche freie Stunde darüber nachgedacht, wie ich jemanden quer durch Chicago jagen oder ihn aufspüren konnte, ohne ein Objekt aus dem Besitz dieses Menschen als Fokus einsetzen zu können. Einfache Suchmagie erforderte irgendetwas von der Person, der man folgen wollte; meist nahm man Haare, Blut oder abgeschnittene Fingernägel. Hatte man weder das eine noch das andere und wollte trotzdem eine bestimmte Person aufspüren, dann reichte notfalls auch eine Kleinigkeit aus dem Besitz des Gesuchten. Ein Stück Stoff aus einem seiner Kleidungsstücke, das Schildchen aus einem Unterhemd, egal. Auch so konnte man jemanden aufspüren.
Aber was, wenn es gerade ziemlich hektisch und chaotisch zuging? Wenn einem gerade das Haus über dem Kopf abgefackelt wurde und die Werkstatt dazu, und man wollte trotzdem jemanden aufspüren? Was
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