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Wandel

Wandel

Titel: Wandel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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das andere. Sanya hatte so eine Art, unerfreuliche Tatsachen, an denen nicht mehr zu rütteln war, einfach zu akzeptieren – das gehörte zu seiner Persönlichkeit. Ganz gleich, wie dick es kam, er regte sich nicht auf, er nahm hin, was geschah, und machte unentwegt weiter. So gut er eben konnte.
    Wahrscheinlich sollte ich etwas daraus lernen.
    Ich schwieg noch eine Weile, ehe ich beschloss, ihm zu vertrauen. „Ich darf erst noch mein kleines Mädchen retten. Das ist abgemacht.“
    „Ach so.“ Wieder dieses bedächtige Nicken. „Das ist vernünftig.“
    „Findest du wirklich?“
    Er hob die Brauen. „Die Kleine ist dein Kind, nicht? Von deinem Blut?“
    Ich nickte. „Ist sie“, sagte ich leise.
    „Na, denn.“ Er hob die Hände, als sei damit alles gesagt. „Dann ist das für ein schlechtes Schicksal ein ziemlich gutes“, sagte er. „Angemessen. Rette dein kleines Mädchen.“ Er versetzte mir einen herzlichen Schlag auf die Schulter. „Wenn du ein Schreckensmonster geworden bist und sie mich losschicken, dich zu erschlagen, mache ich es kurz und schmerzlos. Aus Respekt vor dir.“
    Irgendwo steckte ein Witz in diesen Worten – ich wusste nur nicht, wo. „Danke“, sagte ich.
    „Bitte.“ Wir standen gut fünf Minuten stumm nebeneinander, dann musterte Sanya stirnrunzelnd die restlichen Pizzakartons. „Gibt es irgendeinen Grund für diese …“
    Im selben Moment verwandelte sich die Gasse in eine Szene aus Hitchcocks Film Die Vögel: Hunderte Flügel rauschten, Hunderte winziger Gestalten näherten sich im Sturzflug den Mülleimern mit den Pizzakartons. Hier und da erkannte ich die orangefarbenen Plastikhüllen der Cuttermesser, mit denen die Leibgarde des Pizzafürsten ausgestattet war, ansonsten schoss ein Meer aus flirrenden Farben an uns vorbei, durch das Tageslicht gedämpft, aber dennoch prächtig. Eine Heerschar des kleinen Volkes war unterwegs – hätte ich das Ganze nachts veranstaltet, wer weiß, wie viele Menschen vor Schreck in hysterische Anfälle bekommen hätten.
    Das kleine Volk liebte Pizza. Mit einer so rasenden Leidenschaft, dass man es sich kaum vorstellen konnte. Die vier Pizzas verschwanden im Handumdrehen. Das war ein bisschen so, als sähe man in einer alten Wochenschau aus dem Zweiten Weltkrieg zu, wie ein Bomber in der Luft auseinanderfiel: Erst flogen einzelne Teile durch die Luft, dann zischten Hunderte von Teilchen in alle Himmelsrichtungen, jedes von einer Fee davongetragen, die es sich geschnappt hatte.
    In weniger als drei Minuten war alles vorbei.
    Mal ernsthaft: Wo ließen sie das alles bloß?
    Toot schwebte vor mir und stopfte sich die letzte Handvoll Pizza in den Mund, schluckte geräuschvoll und salutierte.
    „Nun, Generalmajor?“
    „Wir haben sie gefunden, mein Fürst. Sie ist gefangen und befindet sich in Gefahr.“
    Sanya und ich tauschten einen Blick.
    „Wo?“, wollte ich wissen.
    Toot streckte mir Susans Bild hin, immer noch unversehrt, und dazu zwei dunkle Haarsträhnen, fein säuberlich zusammengerollt. „Zwei Haare von ihrem Haupt, mein Fürst. Falls Ihr es begehrt, führe ich Euch auch hin.“
    Sanya war beeindruckt. „So schnell habt ihr sie gefunden?“
    „Die meisten unterschätzen das kleine Volk“, sagte ich. „Es ist genial, wenn es um Informationsbeschaffung geht, man muss nur seine Grenzen kennen. Sie sind viele, das ist von Vorteil, und in Chicago und Umgebung sind eine Menge von ihnen bereit, mir von Zeit zu Zeit unter die Arme zu greifen.“
    „Lang lebe der Pizzafürst!“, schmetterte Toot.
    „Lang lebe der Pizzafürst“, antworteten zwitschernde Stimmen, ohne dass man hätte erkennen können, woher. Wenn das kleine Volk wollte, konnte es so gut wie unsichtbar sein.
    „Mach weiter so, Generalmajor, und ich ernenne dich zum General“, sagte ich.
    Toot erstarrte. „Weshalb? Ist das sehr schlecht? Was habe ich getan?“
    „Es ist gut. Ein General ist höher als ein Generalmajor.“
    Seine Augen wurden groß. „Es gibt Höheres.“
    „Ja und ob – du bist auf der Überholspur nach oben.“ Ich nahm ihm die Haare ab. „Wir holen den Wagen. Bringst du uns zu ihr, Toot?“
    „Jawohl, Sir!“
    „Gut.“ Sanya lächelte. „Es gibt jemanden zu retten, und wir wissen, wo wir hinmüssen – da kenne ich mich aus.“

34. Kapitel
    Z ugegeben“, sagte Sanya ein paar Minuten später, „normalerweise stürme ich nicht gerade das örtliche Hauptquartier des FBI, und schon gar nicht am helllichten Tag.“
    Wir parkten einen Block

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