Wandel
langsam das grüne Feuer. Die Kobolde in der Halle veranstalteten ein ohrenbetäubendes, rückenmarklähmendes Beifallskonzert.
Ich kletterte aus dem Loch, krabbelte mühsam um mehrere Lastwagenladungen Steinschutt herum beziehungsweise darüber hinweg und eilte zu Susan, die immer noch auf der gegenüberliegenden Ringseite am Boden lag.
Sie war von oben bis unten voller Hautabschürfungen und kleinerer Wunden, sie rührte sich nicht. Unzählige winzige Löcher, die höchstwahrscheinlich von den umherfliegenden Splittern des explodierten Vampirschädels stammten, zierten ihre Lederhose. Ihr Rückgrat schien völlig verbogen, aber ich konnte schlecht sagen, ob das schlimm war oder nicht. Susan war immer schon außerordentlich biegsam gewesen. Wer wusste das besser als ich? Aber jetzt, wo sie schlaff und reglos dalag – es war wirklich schwer zu beurteilen.
Immerhin atmete sie, und die Tätowierungen waren noch nicht verschwunden, sondern leuchteten weiterhin grell rot. Ihr Puls ging viel zu langsam, möglicherweise auch unregelmäßig, was ich nicht genau einschätzen konnte. Ich beugte mich hinunter und zog eins ihrer Lider hoch.
Ihre Augen waren schwarz, durchgehend schwarz.
Nervös fuhr ich mir mit der Zunge über die Lippen. Die Tätowierungen waren ein Warnzeichen, das die Bruderschaft nutzte: Sie tauchten auf, wenn die Vampirnatur größeren Einfluss gewann, und waren erst schwarz, wurden dann, je mehr Kontrolle der Vampiranteil sich verschaffte, immer heller, bis zu diesem leuchtenden Rot auf Susans Wange. Susan war nicht bei Bewusstsein, aber ihre Tätowierungen zeigten mir deutlich, dass der Blutdurst sie wahnsinnig machen würde, sollte sie jetzt das Bewusstsein wiedererlangen. Als ich diese Tätowierungen zuletzt so leuchten gesehen hatte, hatte Susan mich fast umgebracht.
Womit dieser ganze Schlamassel hier eigentlich angefangen hatte.
Susan blutete aus vielen, wenn auch kleinen Wunden. Ich glaubte zu wissen, was hier gerade geschah: Um die Wunden zu heilen, besorgte sich ihr Körper instinktiv Kraft aus dem Vampirteil ihres Wesens. Nur brauchte der Nahrung, sonst konnte er ihr nur begrenzt Hilfe bieten.
Sie brauchte Blut.
Aber wenn sie welches bekam, aufwachte und fand, sie bräuchte noch mehr? Igitt!
Ihr Atem ging immer langsamer. Als er einen Moment lang aussetzte, wäre ich fast in helle Panik verfallen.
Gut, es half ja doch nichts. Ich zog mein Taschenmesser aus der Manteltasche und ritzte mir dort, wo in der Handfläche meiner rechten Hand die alten Brandnarben immer noch ziemlich dick waren und ich relativ wenig spürte, die Haut auf.
Ich wölbte die Hand, um das austretende Blut zu sammeln, streckte den Arm aus und hielt ihn so, dass ich ganz vorsichtig ein wenig Blut in Susans Mund tropfen lassen konnte.
Wumm – man hätte meinen können, ich hätte ihr eine Stromladung durch den Körper gejagt. Sie bebte, wurde ganz steif, wölbte den Rücken zu einer Brücke. Seltsame, knackende Geräusche drangen aus ihrem Rückgrat. Keuchend riss sie die leeren, schwarzen Augen auf, tastete hektisch wie ein Säugling auf der Suche nach der nächsten Mahlzeit mit den Lippen nach meiner Hand. Ich hielt ihr die Hand über ihren Mund und ließ mein Blut langsam hineinfließen.
Ach, wie sie es genoss, mein Blut. Als wäre es Schokolade, eine Massage, guter Sex und ein neues Auto auf einmal. Sie räkelte sich wohlig, verträumt, etwa zwei Minuten lang, bis ihre Augen plötzlich den leeren Blick verloren, sich verengten, sie meinen Arm mit beiden Händen packte – und ich ihr mit der Rechten einen Faustschlag ins Gesicht verpasste.
Wobei ich mich nicht zurückhielt. Der Schlag saß und hatte Nachdruck. Ich musste Susans dunkle Seite wieder in ihre Schranken weisen. Wenn man ihr jetzt die Oberhand ließ, dann zerstörte sie Susan und mich so nebenbei wahrscheinlich gleich mit. Susan knallte mit dem Hinterkopf auf den Boden, wo sie verwirrt blinzelnd liegenblieb.
Ich stand auf, wich ein paar Schritte zurück und stopfte mir die verletzte Hand in den Mund. Himmel, ich zitterte schon vor Ermattung. Mein rechter Arm war ganz kalt. Erst als der Abstand zwischen uns reichte, um im Notfall den Schild hochreißen zu können, blieb ich stehen.
Ich durfte miterleben, wie sich die eigentliche Susan zurückmeldete. Sie atmete langsamer, kontrollierter, regelmäßiger. Etwa fünf Minuten lang konzentrierte sie sich ganz auf ihr Inneres, danach hatte sie ihr dunkles Selbst aus dem Fahrersitz verdrängt. Sie
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