Wandel
aufgetaucht waren und eine andere Party begonnen hatte.
Als wir über das offene Gelände zwischen Säulenhalle und Pyramide gingen, sah ich mich sorgsam nach allen Seiten um. Hier stand der Viehtransporter, den Susan erwähnt hatte. Ein Trupp Männer von einem privaten Sicherheitsdienst in Khakiuniform und taktischen Kampfwesten bewachte ihn. Mindestens zweihundert weitere Sicherheitsleute standen in Kampfeinheiten zu je fünfzig Mann über das Gelände verteilt.
Alamaya führte uns ohne Aufenthalt über das Hofgelände und fing an, die Treppe emporzusteigen, die über eine Ebene der Pyramide nach der anderen bis ganz nach oben führte. Sie ging schnell, mit gleichmäßigen Schritten, denen etwas Feierliches anhaftete. Ich erntete auf dem Weg hinauf von allen Seiten her feindselige Blicke, die ich nicht weiter beachtete. Weshalb auch? Hier stand niemand, der meine Aufmerksamkeit wert gewesen wäre, und außerdem waren Alamayas Waden viel interessanter.
Als wir die letzte Ebene unter der mit dem Tempel erreicht hatten, wandte sich unsere Führerin an mich. „Mein Fürst wird nur mit einem von euch sprechen, Magier. Bitte befiehl deinen Gefolgsleuten, hier zu warten.“
Hier – direkt bei den Herren der äußeren Finsternis, den abgelaufenen Gottlingen.
Wenn ich einen Fehler machte und die Sache schieflief, dann würde sie blitzschnell und grandios schieflaufen. Als Erstes würden die Leute leiden, die alles aufs Spiel gesetzt hatten, um mir zu helfen. Kurz dachte ich daran, sie fortzuschicken, mich auf irgendeinen Handel einzulassen, damit sie gehen konnten, dem Roten Hof allein entgegenzutreten. Ich hatte schon genug Leben auf dem Gewissen.
Aber dann hörte ich im Tempel über mir ein leises Geräusch. Dort weinte ein Kind.
Maggie.
Ein so trauriger, unschuldiger Laut sollte die Todesglocke für meine Freunde sein? Kaum vorstellbar – aber gut möglich.
„Bleibt hier“, sagte ich leise zu den anderen. „Ich glaube nicht, dass es hier gleich abgeht wie in einem John-Woo-Film. Murphy hat das Kommando, solange ich fort bin, und Sanya gibt ihr Rückendeckung.“
Murphy zog skeptisch die Brauen hoch, nickte dann aber. Sanya wich etwas zurück, bis er rechts hinter ihr stand.
Ich stieg langsam die letzten Stufen zum Tempel hinauf.
Der war eher schlicht, doch sehr elegant: ein fast würfelförmiges Gebäude mit einer einfachen Öffnung auf jeder Seite, die kaum größer war als eine gewöhnliche Zimmertür. Alamaya schritt als Erste durch eine der Türen, trat aber gleich dahinter einen Schritt zur Seite und kniete sich mit fest auf den Boden gehefteten Blick hin, als sei sie es nicht wert, weiter hineinzugehen oder sich umzusehen.
Ich holte tief Luft und ging an ihr vorbei, um mich dem Roten König zu stellen.
Der ziemlich klein war.
Er stand mit dem Rücken zu mir, einen Meter fünfzig, höchstens einen Meter sechzig groß, hatte die Hände über den Kopf gehoben und murmelte etwas in einer Sprache, die ich nicht verstand – wahrscheinlich Alt-Maya oder etwas Ähnliches. Er trug eine Mischung aus Rock und Kilt und war von der Taille an aufwärts und von den Knien abwärts nackt, so dass man seine Muskeln bewundern konnte, die mir zwar recht hübsch, aber keineswegs besonders beeindruckend vorkamen. Sein langes, schwarzes Haar fiel bis zum Ansatz der Schulterblätter, und in den Hände hielt er ein blutiges Messer, das er in diesem Moment langsam, aber entschieden senkte.
Erst jetzt sah ich die an Händen und Füßen gefesselte Frau auf dem Altar, die mit weit aufgerissenen Augen, in denen kein Fünkchen Hoffnung mehr glomm, das Messer anstarrte, offenbar unfähig, den Blick davon zu lösen.
Völlig ohne mein Zutun ballten sich meine Hände zu Fäusten. Ich war nicht hier, um zu kämpfen, rief ich mir verzweifelt in Erinnerung. Ich war nicht hier, um zu kämpfen …
Aber ich war auch nicht hier, um einfach herumzustehen und zuzusehen, wie er eine hilflose Frau abschlachtete. Wenn es um Frauen in Not ging, hatte ich noch nie einen klaren Kopf bewahren können. Dann kam bei mir der Neandertaler durch, pflegte Murphy zu sagen.
Womit sie im Prinzip recht haben mochte. Trotzdem schnappte ich mir im Tempel nicht gleich den nächstbesten stabilen Knochen, um mich auf den Typen mit dem Messer zu stürzen. Ich räusperte mich laut und unhöflich und sagte: „He!“
Woraufhin das Messer in der Luft erstarrte.
Bis der Rote König es sinken ließ und sich umdrehte – und mich wieder einmal unsanft daran
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