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Wandel

Wandel

Titel: Wandel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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überlegen.
    Die nächste Ebene war von Frauen besetzt. Sie trugen dieselben rituellen Gewänder wie Alamaya, waren aber wie die Jaguar-Krieger von oben bis unten mit Tätowierungen bedeckt. Auch ihnen haftete diese kaum wahrnehmbare Aura an, die ihre männlichen Kollegen auszeichnete und die auf größere Fähigkeiten als die bloßer Sterblicher schließen ließ.
    Gütiger Himmel! Wenn auf beiden Ebenen dieselbe Anzahl von Wachen postiert war – leider hatte ich keinen Grund, etwas anderes anzunehmen –, dann hatten wir es hier gut und gern mit tausend Jaguar-Kriegern und Priesterinnen zu tun. Ich mochte ein gefährlicher Mann sein, aber sogefährlich war niemand. Plötzlich war ich sehr froh, dass wir uns weder an einem Bluff noch an einem Frontalangriff versucht hatten. Egal nach welchem Plan wir vorgegangen wären, früher oder später hätte die schiere Überzahl uns einfach überrollt.
    Zahlen waren eben doch nicht ganz unwichtig.
    Eine nervige Tatsache, die aber dennoch eine Tatsache blieb. Egal, wie gerecht die Sache sein mochte, für die man sich einsetzte, wenn der Gegner einem rein zahlenmäßig um das Doppelte überlegen war und seine Kämpfer noch dazu von der Schlagkraft her ähnlich leistungsfähig waren wie man selbst, dann konnte man nur siegen, wenn man echt kreativ war. Befragen Sie die Deutschen zu ihrem Zweifrontenkrieg im Zweiten Weltkrieg: Deren Panzerbesatzungen klagten damals, sie würden die Panzer der Alliierten abschießen wie die Fliegen, aber es stünden immer sofort neue bereit. Auch wenn sie bei zehn abgeschossenen alliierten Panzern selbst nur einen einbüßten, nutzte ihnen das auf die Dauer wenig, denn beim Gegner rollte sofort Panzer Nummer elf los, und alles ging munter weiter.
    Mein Team und ich waren dem Gegner zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen. Dieser Wahrheit musste ich ins Gesicht sehen. Was kein schönes Gefühl war – und ich hatte mir erst die beiden unteren Ebenen der Pyramide angesehen.
    Die nächsten Ebenen waren mit Vampiren bestückt, keiner in seiner Monstergestalt, aber trotzdem leicht zu erkennen, denn sie hatten sich mit ihrer Tarnung keine große Mühe gegeben, und die durchgehende Schwarzfärbung ihrer Augen verkündete beredt genug, warum wir es hier nicht mit Menschen zu tun hatten. Bei den Vampiren schien die Unterscheidung zwischen den Geschlechtern nicht wichtig zu sein, sie war kaum erkennbar. Auf zwei weiteren Ebenen trafen wir Jaguar-Krieger, die richtige Vampire waren, dann folgten zwei Ebenen mit Vampir-Priestern und -Priesterinnen, danach kamen Ebenen mit einzelnen Vampiren, die jeweils von eigenem Gefolge umgeben waren – wahrscheinlich der Adel des Roten Hofes. Je höher die Ebene, auf der sie standen, desto mehr Gold trugen diese Adligen und desto weniger Tätowierungen waren an ihnen zu entdecken.
    Direkt unter der Ebene mit dem Tempel ragten drei einsame Gestalten auf. Soweit ich es von meiner Warte aus beurteilen konnte, waren sie größer als die meisten Sterblichen, weit über zwei Meter. Sie waren in sehr unterschiedliche traditionelle Gewänder gekleidet und trugen dazu je eine eigene charakteristische Maske. Nun war mein Wissen über die Mythologie der Maya ein bisschen eingerostet, aber den Geheimdienstberichten des Weißen Hofs meinte ich entnommen zu haben, dass sich die Herren der äußeren Finsternis den alten Mayas als Gottheiten mit je eigener Identität präsentiert hatten. Ob diese Gestalten damals wirklich mehr gewesen waren als uralte Vampire oder ob erst der Glaube der sie verehrenden Menschen sie zu mehr hatte werden lassen, war in dem Bericht leider unerwähnt geblieben.
    Wie dem auch sei: Beim Anblick der drei zitterten mir die Knie. Ich konnte nichts dagegen tun.
    Im Tempel oben auf der Pyramide schimmerte Licht.
    Der Blutgeruch kam von dort.
    Der Grund dafür lag uns quasi zu Füßen: Das Blut rann die Stufen hinab, die zur Pyramide hinaufführten. Ein steter, tropfender, tiefroter Strom, der sich die Stufen hinunter bis auf den Boden ergoss, wo dieser aufgerissen war, als hätte sich jemand mit einer Fräse durch die blutgetränkte Erde gewühlt und sie in Stücke gerissen. Das mussten die Blutsklaven gewesen sein. Mein Hirn bescherte mir wieder einmal entzückende Bilder, diesmal von einer wahnsinnigen Meute mordlustiger Vampire, die das Erdreich aufgewühlt und Erdklumpen verschlungen hatten, die gierig übereinander hergefallen waren, um sich die besten Brocken streitig zu machen – bis Harry Dresden und Co.

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