Wandel
erinnerte, dass nukleare Sprengköpfe auch nicht besonders groß waren. Der König verhielt sich in keiner Weise bedrohlich, er funkelte mich noch nicht einmal wütend an.
Brauchte er auch nicht.
Sein Blick reichte. Der Druck, den seine Augen auf mich ausübten, war anders als alles, was ich in meinem Leben je zu spüren bekommen hatte. Leeres Dunkel schien mir fast körperlich einen Schlag zu versetzen. Ich verspürte das dringende Bedürfnis auszuweichen, ein paar Schritte zurückzutreten, um nicht in ein Vakuum gesogen zu werden und mich in absoluter Leere zu verirren. Schlagartig wusste ich wieder, wie allein ich hier war, ohne meine Freunde, ohne eines meiner Werkzeuge, dass ich mich auf Dinge eingelassen hatte, die meine Kräfte bei Weitem überschritten – und dass mein Aufzug total lächerlich war.
All das geschah nur durch die körperliche Anwesenheit des Königs, er tat nichts weiter, als einfach da zu sein. Seine Präsenz war viel zu groß für den kleinen Körper, eigentlich auch viel zu groß für die Steinmauern dieses Tempels. Seine Ausstrahlung war allgegenwärtig – nur ein Narr hätte da nicht deutlich gespürt, wie groß das Universum und wie klein und unwichtig er selbst darin war. Ich jedenfalls fühlte meine trotzige Entschiedenheit dahinschmelzen wie Butter in der Sonne. Ich biss die Zähne zusammen und wandte den Blick ab.
Der Rote König lachte leise in sich hinein. Er sagte etwas, Alamaya antwortete, stand auf, kam zu ihm und kniete zu seinen Füßen nieder, das Gesicht mir zugewandt.
Die Sklavin auf dem Altar weinte leise vor sich hin.
Aber ich hörte auch noch eine andere, noch leisere Stimme, sie kam von hinter dem Altar. Himmel. Da war ich wirklich in letzter Sekunde aufgetaucht. Einen Augenblick lang konzentrierte ich mich ganz und gar auf das Stimmchen meiner Tochter, so süß, so leise. Mit einem Mal kam ich mir nicht mehr so klein und unwichtig vor. Ich war nur noch unglaublich aufgebracht.
Der Rote König sagte etwas.
Alamaya nickte. „Ihr sprecht nicht die Sprache der Ewigkeit, Magier“, sagte sie. „Also wird mein Herr sich dieser Sklavin bedienen, damit eine Verständigung zwischen euch möglich ist.“
„Kolossal“, sagte ich. „Verflixt cool.“
Alamaya sah mich einen Augenblick lang verwirrt an, ehe sie etwas sagte. Wahrscheinlich erklärte sie dem Roten König gerade, ich würde auf unhöfliche Weise Worte verwenden, die schwer zu übersetzten seien.
Der König kniff die Augen zusammen.
Ich auch – ich weiß nicht, ob er das verstand, aber es gefiel ihm auf jeden Fall schon mal nicht.
Sein nächster Vortrag kam dann auch ziemlich kurz angebunden.
„Mein Herr verlangt zu wissen, warum Ihr hier seid“, sagte die Priesterin.
„Sag ihm, er weiß verfickt genau, warum ich hier bin“, antwortete ich.
Das arme Mädchen starrte mich schockiert an und geriet beim Übersetzen mehrmals ins Stottern. Ich hätte zu gern gewusst, ob es in der alten Mayasprache ein Wort für den Piepton gab, mit dem sie im Fernsehen unangemessene Worte ausblenden, oder ob der König mein „verfickt“ wörtlich übersetzt zu hören bekam.
Er hörte auf jeden Fall aufmerksam zu, wobei die offene Missbilligung in seinem Gesicht langsam einem eher neutralen Ausdruck wich.
„Die, die du als Arianna kennst, hat mir ein Geschenk zukommen lassen“, übersetzte Alamaya seine Antwort. „Willst du sagen, dieses Geschenk sei unrechtmäßig erworben?“
„Ja“, sagte ich, ohne den Blick auch nur eine Sekunde lang von ihm zu wenden, „und das weißt du genau.“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich habe keinen Bock mehr, um den heißen Brei herumzureden. Sag deinem König, ich bringe Arianna für ihn um, nehme Maggie und ziehe in Frieden von dannen. Sag ihm, wenn er mitspielt, wird die Sache nicht persönlich. Spielt er nicht mit, werde ich kämpfen. Ich bin dazu bereit und in der Lage.“
Alamaya übersetzte, Fassungslosigkeit im Blick. Als sie fertig war, brach der Rote König in Lachsalven aus. Mit einem breiten Grinsen lehnte er sich an den Altar, und der vergnügte Blick der schwarzen Augen war mehr als beunruhigend, als er ein paar kurze, knappe Sätze an mich richtete.
„Mein Herr sagt, wenn du die Hand gegen ihn erhebst, reißt er dich in Stücke und wirft durch jede dieser Türen eines deiner Gliedmaßen.“
Ich schnaubte. „Bestimmt. Aber ich werde gar nicht versuchen, ihn zu töten.“ Ich beugte mich vor und richtete die nächsten Worte nicht an unsere Dolmetscherin,
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