Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wandel

Wandel

Titel: Wandel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
Vom Netzwerk:
einem Desaster sprechen. Luccio ging zu Cristos, um die Freigabe ihrer Leute zu verlangen, und gilt seitdem als vermisst. Von daher dieser Brief. Aber nicht allein sie ist verschwunden, das Gleiche gilt für ungefähr vierzig Prozent der älteren, hochrangigen Wächter.
    Sie hat mich gebeten, Ihnen zu sagen, Dresden, dass Sie unter gar keinen Umständen nach Edinburgh zurückkehren dürfen, ehe es dem Ältestenrat nicht gelungen ist, dieses Durcheinander aufzuklären. Sie ist sich nicht sicher, was man hier mit Ihnen anstellen würde.
    Außerdem soll ich Ihnen sagen, dass Sie nunmehr auf sich allein gestellt sind.
    Ich werde Ihnen von Zeit zu Zeit Nachrichten zukommen lassen und berichten, wie die Dinge sich entwickeln. Vorausgesetzt natürlich, ich verschwinde nicht auch noch.
    „Steed“
    Diesen Brief musste ich zweimal lesen, einmal schnell, einmal beträchtlich langsamer. Dann musste ich mich erst einmal setzen.
    Steed war der Spitzname, den ich Wächter Chandler gegeben hatte. Er gehörte als fester Bestandteil zu der Wächtergruppe, die für den Schutz Edinburghs zuständig war, zum Heimatschutz des Weißen Rates sozusagen. Wenn ich es recht bedachte, hatte ich ihn fast immer in Anastasias Nähe agieren sehen – und oft in Situationen, die zeigten, wie sehr seine Vorgesetzte ihm vertraute. Als einziger Wächter auf einem Posten, der eigentlich mit einem halben Dutzend besetzt sein musste, zum Beispiel, und den Tee, den er kochte, tranken sämtliche Wächter plus Oberbefehlshaberin bedenkenlos.
    Außer Steed und mir war niemand dabei gewesen, als ich ihm aufgrund seines schicken Anzugs, der Melone und des Regenschirms, ohne den man ihn nie antraf, seinen Spitznamen verpasst hatte. Die Signatur allein reichte als Beweis, dass der Brief von ihm stammte, wobei auch der leicht frivole Ton der Botschaft Chandler sehr ähnlich sah. An der Echtheit von Anastasias Brief konnte ebenfalls kein Zweifel bestehen: Ich kannte ihre Handschrift, und dem Papier, auf dem ihr Brief geschrieben war, haftete der Duft des feinen, sehr sanften Parfüms an, das sie bevorzugte.
    Alles sprach dafür, diese Botschaft ernst zu nehmen.
    Was bedeutete, dass es für uns immer enger wurde.
    Der Weiße Rat verdankte seinen grauenvollen Ruf nicht nur den unendlichen Möglichkeiten, die ihm offenstanden, um direkt und notfalls mit brachialer Gewalt gegen seine Feinde vorzugehen – die vereinten Magier stellten außerdem auch noch eine wirtschaftliche Macht dar, an der man so schnell nicht vorbeikam. Man muss nicht gerade ein Finanzgenie sein, um reich zu werden, wenn man zweihundertfünfzig Jahre lang im freien Handel Zins und Zinseszins hat einstreichen können. Ein ganzes Heer von Wirtschaftsfachleuten arbeitete ausschließlich für den Weißen Rat, ständig auf der Suche nach Mitteln, wie sich die Investitionen der Magier gegen feindselige ökonomische Interessen schützen ließen, hinter denen durchaus andere langlebige Wesen stecken mochten. Zum Beispiel Vampire. Da war viel Geld in Umlauf, mit dem sich eine Menge Einfluss kaufen ließ. Nicht nur das: Wen der Rat missbilligte, dem konnte er das Leben äußerst schwer machen. Dafür standen ihm, auch ohne dass ein Magier den Zauberstab schwang, Millionen von Möglichkeiten zur Verfügung. Im Rat saßen Leute, die die niederträchtigsten Hirne der Geschichte auszutricksen vermochten.
    Insgesamt wirkte der Rat als Institution wie ein Koloss. Besser noch: wie ein gigantischer, uralter Baum, stark und voller Leben, dessen Wurzeln tief in der Erde verankert waren. Ein Überlebender der schlimmsten Stürme, die die Welt gegen ihn gehetzt hatte.
    Aber all das, die Macht, das Geld, der Einfluss, funktionierte nur, wenn das Kernkonzept tragfähig war: Jedes einzelne Mitglied im Rat handelte in Übereinstimmung mit den anderen, trat für die anderen ein. Zumindest wollten wir uns der Welt gegenüber so darstellen, und meist stimmte es ja auch, denn so gern wir uns stritten und in Friedenszeiten auch mal einer den anderen reinlegte – wenn der Feind vor der Tür stand, schlossen sich unsere Reihen. Sogar für mich hatten sie sich geschlossen, obgleich die meisten im Rat mich immer noch für einen verkappten Darth Vader hielten. Wobei sie die Vorstellung, Vader im Team zu haben, wenn Monster auftauchten, vielleicht sogar ganz nett finden mochten … egal: Sie liebten mich nicht und würden mich wohl auch nie lieben, aber das war gar nicht notwendig, solange ich an ihrer Seite kämpfte und sie an

Weitere Kostenlose Bücher