Wandernde Welten
der Gerichtsdienerin klirrte durch den Lärm. Paula warf Saba einen raschen Blick zu.
»Soviel Aufwand für nichts«, rief sie ihm zu.
»Nicht ganz.«
Wu-weis gelbes Asiatengesicht lächelte. Und die abwehrenden Gesten seiner Hände brachten die Zuschauer wieder zur Ruhe.
Das Lärmen der Glocke verstummte.
»Habe ich richtig verstanden, Mr. Parine?« fragte der Richter.
»Sie wollen die Klage zurücknehmen?«
»In allen Punkten«, sagte Parine. »Aber ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß dies nur mit Rücksicht auf sehr strenge Geheimhaltungsvorschriften geschieht, die in diesem Prozeß unvermeidlicherweise verletzt werden müßten.«
Tanoujin steckte die Hände in den Gürtel. »Mit anderen Worten: Sie können sich vor diesem Gericht nicht mit den Stythen auseinandersetzen.«
Wu-wei stützte beide Unterarme auf die Tischplatte. Sein Blick glitt zwischen Tanoujin und Parine hin und her.
Parine sagte verärgert: »Ich habe wohl deutlich genug zum Ausdruck gebracht, daß unsere Zurücknahme der Klage lediglich auf...«
»Es gibt kein universelles Gesetz in Ihrem Universalgericht, wenn Sie nicht auch mit Stythen verhandeln können.« Tanoujin wandte sich um und blickte Wu-wei an. »Wir sind Mitglieder desselben Universums.«
»Das sind wir«, sagte Wu-wei. »Was hier geschehen ist, innerhalb und außerhalb dieses Gerichtssaales, hat mich gelehrt, den Zwischenfall im Orbit von Luna in einem anderen Licht zu sehen.«
»Wir gehen von zwei völlig verschiedenen Prämissen aus«, sagte Tanoujin.
»Vielleicht. Aber im Moment, in diesem Saal, gilt meine Prämisse. Mein Urteil steht jetzt fest, und ich werde es in wenigen Minuten verkünden.«
Tanoujin fuhr herum und blickte Paula an. »Wie kann er ein Urteil verkünden, wenn die Anklage zurückgezogen worden ist?«
»Euer Exzellenz.« Parine verbeugte sich vor dem Richtertisch.
»Euer Exzellenz, ich protestiere gegen eine so voreilige Urteilsfindung, zu der keinerlei Beweise...«
»Ich habe Beweise«, sagte Wu-wei. »Ich bin schließlich nicht blind, und auch nicht ganz so dumm, wie Sie anzunehmen scheinen, sonst würde ich wohl kaum auf diesem Platz sitzen. Der sogenannte Kwa--Zwischenfall war lediglich Teil eines großen Plans, und dieser Prozeß war ein anderer Aspekt desselben Plans.
Hier ist nicht der richtige Ort, um ein Urteil über Menschen zu fällen, welche die naturgegebenen Spannungen zwischen Rassen und Individuen für ihre eigenen Zwecke ausnutzen und mißbrauchen wollen, und deshalb werde ich es auch nicht tun. Der sogenannte K6ir-Zwischenfall war ein Beispiel dafür. General Gordon beging einen für ihn folgenschweren Fehler, zu dem eine ganze Reihe von Menschen beitrugen, die heute nicht einmal vor diesem Gericht stehen. Aber er hat dafür gebüßt. Natürlich wäre keines der beiden zerstörten Schiffe abgeschossen worden, wenn sich die Ybix nicht im Luna-Orbit befunden hätte, aber die Ybix hatte sich da bereits fast 240 Stunden lang dort aufgehalten, ohne daß es zu Schwierigkeiten gekommen wäre, und deshalb bin ich überzeugt, daß es ohne General Gordons Fehlschluß nicht zu diesem Zwischenfall gekommen wäre. Ich halte die Ybixim den Verlust eines Schiffes für verantwortlich, General Gordon jedoch für den Verlust des anderen. Die acht Menschen, die dabei umgekommen sind, können weder durch Gebete, noch durch juristische Kunstkniffe wieder zum Leben erweckt werden. Sie waren Soldaten und trugen Waffen, und Männer, die zur Gewaltanwendung bereit sind, dürfen sich nicht wundern, wenn auch gegen sie Gewalt an-gewandt wird. Was die weiteren Anklagen betrifft, so sollte sich Mr. Parine vom Mars daran erinnern, daß Einfachheit immer eine Tugend ist. Da Luna diesen Prozeß angestrengt und die Anklage selbst zurückgezogen hat, wird Luna für die Gerichtskosten aufkommen.« Er trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte.
»Und was die Männer der Ybix betrifft, so bin ich der Ansicht, daß diese Verhandlung Strafe genug für sie war. Noch irgendwelche Fragen?«
Paula blickte in Tanoujins Gesicht. Seine Lippen waren fest zusammengepreßt, die Mundwinkel durch seinen Schnurrbart verdeckt. Wu-wei nickte ihm zu.
»Es gibt einen Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit, müssen Sie wissen, und je schneller Sie diese kleine Weisheit lernen und beherzigen, desto besser für Sie. Die Sitzung ist geschlossen.« Er stand auf und verließ den Gerichtssaal.
Saba stemmte sich aus dem Sessel hoch. »Er ist eben ein Anarchist. Was
Weitere Kostenlose Bücher