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Wandernde Welten

Titel: Wandernde Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Holland
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Junna.«
    »Haben Sie Angst?«
    »Mir ist kalt.«
    Sie spürte, daß er sich bewegte, und kurz darauf fühlte sie den schweren, klammen Stoff seines Hemdes auf ihrem Rücken. Sie fuhr zusammen, als es ihre nackten Arme berührte. Das Hemd rutschte ihr von den Schultern. Junna fing es auf und legte es ihr erneut um.
    »Ist Ihnen nicht kalt?«

    »Nein«, sagteer. »Überhaupt nicht. Ich finde es sehr angenehm hier, nicht zu kalt und nicht zu warm.«
    Sie zog das Hemd über. Es war klamm, und sie ging ein paar Schritte hin und her, um warm zu werden. Ihre Füße rutschten auf dem glatten Boden aus. Kasuk war nun schon eine ganze Weile fort.
    »Wir brauchen eine Taschenlampe. Vielleicht gibt es hier etwas zu essen.« Sie wollte zur Treppe zurück. Junna ergriff sie beim Arm.
    »Bleiben Sie hier. Sie haben doch gehört, was mein Bruder gesagt hat.«
    »Aber...«
    »Tun Sie, was er gesagt hat. Er hat zwei Streifen, und Sie sind nur eine Frau.«
    Sie überlegte sich, mit welchen Argumenten man so einem Jüngling darauf antworten sollte, als sie plötzlich einen matten Lichtschimmer am oberen Ende der Treppe sah. Jemand hatte die Scheunentür geöffnet. Das Licht erlosch Sekunden später wieder, und dann trat Kasuk auf sie zu. »Der ganze Himmel ist voller Schiffe«, sagteer, »und die Leute im Restaurant starren alle in den Fernseher. Irgend etwas ist los. Wir müssen von hier verschwinden.«
    Über ihren Köpfen begann ein Hund zu bellen. Kasuk zog eine winzige Taschenlampe heraus und schaltete sie ein. Der schwache, dünne Lichtstrahl fuhr über die Wände des alten U-Bahn-Tunnels. Eine dünne Wasserschicht stand auf dem Boden, so weit der Strahl der Lampe reichte, und an den tropfenden Wänden wucherten Moose und Pilze.
    Sie gingen tiefer in den Tunnel hinein. Stellenweise reichte ihnen das Wasser bis an die Knöchel, und etwa hundert Meter weiter versank Junna, der die Führung übernommen hatte, plötzlich in einer breiten, dunklen Wasserlache. Kasuk blieb stehen und leuchtete mit der Taschenlampe. Junna schwamm auf sie zu.
    Paula bückte sich, schöpfte eine Handvoll Wasser und probierte es. Es schmeckte brackig, aber nicht verschmutzt. Irgend etwas sprang bei ihrer Annäherung ins Wasser, als sie weitergingen.
    Über ihnen bellte der Hund noch immer.
    »Was ist dies?« fragte Kasuk. »Es war einmal eine unterirdische Bahnlinie, die die ganze Küste entlangführte.«
    »Sie sagten, daß sie auch nach New York führt?«
    »Ja. Aber das war vor mehreren hundert Jahren, bevor die Insel im Meer versunken ist. Wer weiß, wohin sie jetzt führt.«

    Er richtete den Strahl der kleinen Taschenlampe voraus. In etwa hundert Metern Entfernung verengte sich der Tunnel, und das träge fließende Wasser wurde zu einem reißenden Strom. Eine Welle brach sich an der Tunnelwand.
    »Kommen Sie weiter.«
    »Kasuk, ich kann nicht schwimmen. Lassen Sie mich hier zu-rück. Ich werde...«
    Eine Explosion dröhnte über ihren Köpfen. Der Boden des Tunnels erbebte. Paula fühlte, wie ihre Knie weich wurden.
    »Kommen Sie.« Kasuk packte sie beim Arm und lief auf die Engstelle des Tunnels zu. Als ihnen das Wasser um die Knie quirlte, sagte er: »Halten Sie sich an meinem Rücken fest. Junna, du bleibst hinter uns.«
    Paula klammerte sich an ihn und preßte ihr Gesicht an seinen Rücken, als er sich ins Wasser gleiten ließ.
    Sie holte tief Luft und schloß die Augen, bevor das Wasser über ihnen zusammenschlug. Sie stemmte sich etwas von seinem Rücken ab und bekam den Kopf über Wasser. Kasuk schwamm mit ruhigen, regelmäßigen Zügen. Die Luft roch nach Schimmel. Das Wasser rauschte wie ein Wildbach durch den Tunnel. Paula fühlte sich sicherer und hielt sich nur noch mit einer Hand an Kasuks Hemd fest. In die andere drückte er ihr jetzt die Taschenlampe.
    »Hier. Leuchten Sie mir. Junna?«
    »Hier«, meldete sich sein Bruder dicht hinter ihnen.
    Paula richtete den Lichtstrahl der Taschenlampe voraus. Die Tunnelwände waren mit irgendeinem grauweißen Kraut bewachsen. Dicht wie Teppiche hing das Gewächs an einigen Stellen von der Wand und von der Decke.
    »Aufpassen!« schrie Junna hinter ihnen.
    Aus einer Einmündung schoß ein zweiter Fluß in den Tunnel.
    Das tosende Wasser spülte sie an die gegenüberliegende Wand.
    Paula hielt krampfhaft die Taschenlampe fest. Öliges Wasser drang ihr in Mund und Nase. Sie verlor den Halt an Kasuks Hemd. Eine Welle drückte sie unter Wasser. Sie stieß mit Beinen und Armen um sich, bis ihr Kopf

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