Wandernde Welten
anderen Seite der Schlucht floß ein kleiner Bach. Sie kletterte über Felsen zu dem flachen Gewässer und trank aus der hohlen Hand.
Über sich hörte sie das Rascheln von Zweigen. Sie stand auf. Kasuk kam den steilen Hang herab, einen toten Schwan auf der Schulter.
»Kommen Sie, wir müssen essen.«
»Das da?« fragte sie zweifelnd.
Er sprang über den schmalen Bach und stieg über die Felsen zu seinem Bruder. Sie folgte ihm. Als sie sich neben ihn auf den Boden setzte, riß er mit seinen Krallen den Bauch des Schwans auf.
Der lange Hals lag ausgestreckt auf dem Boden. Ein recht fettes Tier, stellte Paula fest, gut ernährt von Popcorn und Broten der Parkbesucher. Der Stythe riß Herz und Leber des Tiers heraus.
»Kasuk.« Junna erwachte, richtete sich auf und legte den Arm um seinen Bruder. »Du hast uns beiden das Leben gerettet.«
Kasuk verwandte eine Schwanenfeder, um seine Zähne zu reinigen. Er stieß seinen jüngeren Bruder von sich. Junna wandte sich zu Paula. »Das hat er doch, oder nicht?«
»Ja«, sagte Paula, »er hat uns beide gerettet.«
Kasuk zuckte mit seinen kräftigen Schultern. »Ich habe immer nur an meinen Vater gedacht.« Er packte Junna bei seinem zerzausten Haar und schüttelte ihn. »Geh und halte Wache. Paß auf, daß sich keiner an uns heranschleicht.«
Der Junge sprang auf und verschwand zwischen den Felsen.
Was von dem Schwan übriggeblieben war, lag vor ihnen auf dem Boden. Kasuk wischte sich seine Finger am Gras ab.
»Mein Vater hat mir aufgetragen, ihn zu beschützen. Aber so kommen wir nicht in Sicherheit. Können wir den Dom verlassen?«
»Nur mit einem Air-Car. Aber ich denke nicht daran, mich weiter von euch umherschleifen zu lassen.«
»Saba hat mir befohlen...«
»Das interessiert mich nicht. Ich werde Ihnen jetzt sagen, was ich tun werde.«
Er machte eine verzweifelte Handbewegung und vermied ihren Blick. Ein Fetzen seines aufgerissenen Hemdes hing herunter. Sein Körper war kräftig und massig, die Schultern wie ein Ochsenjoch.
»Ich muß dem Befehl gehorchen«, sagte er.
»Ich kann euch nur helfen, wenn Sie mich gehen lassen«, sagte Paula.
»Dann muß ich selbst einen Ausweg finden.«
Der Geruch von Rauch stieg ihr in die Nase. »Wie weit ist es von hier bis zum See?«
»Etwas über eine Meile. In dieser Richtung.« Er deutete nach Süden. »Aber dort wird auch gekämpft. Was haben Sie vor?«
»Dort kommt Ihr Bruder.«
Junna kam den steilen Hang herabgesprungen. Losgetretene Steine polterten herab. Er sprang über den Bach und lief auf sie zu. Sein Körper war überall zerkratzt. Er war nackt.
»Zieh dich an«, sagte Kasuk.
»Warum? Sie stört es doch nicht. Ich bin wieder hungrig. Wann kommt Papa zurück? Werden wir kämpfen, wenn er zurückkommt? Es sind Feuer da oben, und Menschen schießen aufeinander.«
»Was ist eigentlich los?« wandte Kasuk sich an Paula. »Ich dachte, die Marsianer griffen nur uns an. Aber es sind keine Stythen dort oben.«
»Die Sonnenlicht-Liga hat einen Coup gegen die Anarchie unternommen.«
»Und uns zu töten«, sagte Junna.
»Und was hat Saba damit zu tun?« fragte Kasuk.
»Alles.«
»Saba weiß, was er tut«, sagte Junna, »und Papa auch.«
Kasuk blickte Paula nachdenklich an. »Jetzt verstehe ich, warum Sie nicht zurück wollen. Ich werde Sie auch nicht dazu zwingen.«
»Kasuk!« rief Junna erregt und ergriff den Arm seines Bruders.
»Wer wird sie dann beschützen?«
Kasuk fuhr mit der Hand über sein Gesicht. »Ich würde gerne wissen, was mit den anderen von unserer Mannschaft passiert ist.«
»Kasuk!«
»Halt den Mund. Mein Entschluß ist gefaßt.« Er blickte Paula an. »Können Sie uns ein Air-Car besorgen?«
»Ich werde es versuchen«, sagte sie.
Es wurde Nacht. Das Domlicht wurde nicht eingeschaltet. Sie war auf dem Weg zur Mitte des Doms. Irgendwo voraus heulte eine Sirene. In der Dunkelheit hatte sie Mühe, einen Weg zwischen den Bäumen zu finden. Sie ging am Ostufer des Sees entlang. Mattes Mondlicht schimmerte auf dem ruhigen Wasser. Die Schwäne hockten im hohen Uferschilf und schliefen. Als sie eine offene Fläche zwischen Seeufer und Waldrand überquerte, krachte ein Schuß.
Sie rannte in die Deckung der Bäume. Eine zweite Kugel fuhr dicht über ihren Kopf hinweg. Sie surrte wie eine wütende Hornisse. Hinter einem dicken Baumstamm blieb sie stehen und lauschte. Der Wald war voller Geräusche. Hinter ihr raschelte etwas im Unterholz. Das Rauschen des Windes im Laub der Bäume machte
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