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Wandernde Welten

Titel: Wandernde Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Holland
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schwindelig. Sie krallte beide Hände in Kasuks Hemd. Sie mußte sich zwingen, die stinkende Luft zu atmen.
    Die beiden Stythen schwammen ruhig und sicher. An manchen Stellen war die Strömung schneller, als sie schwimmen konnten.
    Einmal verlor Paula den Halt und wurde von Kasuk fortgetrieben.
    Junna fing sie auf, bevor sie schreien konnte. Sie krallte sich wieder an Kasuks Schultern fest. Ihr Herz schlug wie rasend.
    Ihre Augen brannten und tränten. Die vergiftete Luft stach in ihren Lungen. Das Wasser im Tunnel stieg höher und höher, bis sie dicht unter der Deckenwölbung schwammen. Plötzlich weitete sich der Tunnel wieder. Sie hatten eine alte U-Bahn-Station erreicht.

    Kasuk schaltete die Taschenlampe aus. In der Station war es nicht völlig dunkel. Durch einen breiten Spalt im Dach konnte Paula den Nachthimmel sehen. Hoch am Firmament stand Luna, silberweiß und hell. Sie schwammen weiter, durch den dunklen Tunnel, und Kasuk schaltete die Taschenlampe wieder ein.
    Klatschende Flügelschläge im Dunkel. Irgend etwas sprang gegen ihren Kopf und fiel ins Wasser. Sie preßte die Lider zusammen, um ihre Augen vor der giftigen Luft zu schützen, ihre Kehle brannte, und als sie über ihre Lippen leckte, begann auch ihre Zunge zu brennen.
    »Kasuk... Kasuk...« Junna röchelte und rang nach Luft. Kasuk fuhr herum und packte den Jungen. Paula klammerte sich an seinem Hemd fest. Der Junge übergab sich. Schleim quoll aus seiner Nase. Er starb.
    Kasuk preßte seinen Mund auf den seines Bruders und beatmete ihn. Paula lehnte ihren Kopf gegen Kasuks Rücken. Irgend etwas stieß sie an, verbiß sich in ihrem aufgeschundenen rechten Handgelenk. Sie schlug danach, und es schoß davon, ein grüner Schatten im Wasser.
    »Kannst du wieder atmen?« fragte Kasuk. Seine Stimme klang heiser.
    »Ja«, flüsterte Junna, »besser...«
    Ihre Zähne schlugen aufeinander. Fische kamen, ganze Rudel von Fischen. Sie knabberten an ihren verletzten Handgelenken, preßten sich die Jackenärmel hinauf. Sie schlug nach ihnen. Kasuk legte den Arm um ihre Schultern.
    »Sollen wir zurück?« fragte er.
    »Ich weiß nicht.«
    »Wie weit ist es noch bis nach New York?«
    »Ich weiß nicht.«
    Junna schwamm jetzt neben ihnen, Mund und Nase dicht über dem Wasser, wo die Luft am wenigsten giftig war.
    »Es ist längst zu spät zum Umkehren.«
    Sie schwammen weiter. Als Junna die Kräfte verließen, band Kasuk sich ihn und Paula auf den Rücken. Er mußte über ungeheure Kraftreserven verfügen. Die Taschenlampe erlosch. Er schleppte sie im Dunkeln weiter. Paula klammerte sich halb bewußtlos fest an ihn. Wenn er auf den Grund des Wassers getaucht wäre, sie wäre lieber mit ihm ertrunken, als ihren Halt aufzugeben.
    Er schleppte sie durch den Tunnel. Sie schluckte Wasser und erbrach es wieder. Ihr Kopf dröhnte. Hin und wieder kamen sie an Stellen, wo die Strömung so stark war, daß sie von Wirbeln und Schnellen gegen die Wände geschleudert wurden. Kasuk stieß auf etwas Festes und hielt sich daran fest. Sie hob den Kopf.
    Ihre Augen waren fast zugeschwollen. Sie hatten eine Abzweigung des Tunnels erreicht. Die Strömung trieb sie in den linken Arm der Gabelung. Voraus donnerte Wasser aus einer weiteren Abzweigung herein. Kasuk kämpfte gegen die Strömung an und schleppte sie in die rechte Abzweigung. Hundert Meter weiter sah Paula plötzlich Licht hereinfallen. Kasuk kämpfte sich zu der Stelle vor und zog sich mit Paula und Junna an der mit schleimi-gem Kraut bewachsenen Wand hinauf, in Sonnenschein und frische Luft.
    Paula pumpte Luft in ihre schmerzenden Lungen, als sie durch den Spalt im Tunneldach die Erdoberfläche erreichten. Sie ließen sich auf kalte Steine fallen und schliefen.
    Sie erwachte fröstelnd, einen fauligen Geschmack im Mund.
    Junna lag neben ihr zusammengekrümmt wie ein Foetus. Sein nackter, schwarzer Oberkörper hatte eine Gänsehaut. Kasuk war verschwunden.
    Hoch über sich sah sie helles Sonnenlicht, aber sie selbst lagen im Halbdunkel, in einer langen, schmalen Schlucht. Die Felsen zu beiden Seiten waren mit Büschen und Gräsern bewachsen. Da und dort sah sie schlanke Kiefern aufragen. Die Luft war klar und frisch. Sie befanden sich innerhalb eines Doms, und es konnte nur der Dom von New York sein. Sie setzte sich auf und sah sich nach Kasuk um. Sie hatte noch immer Junnas Hemd an. Der Junge stöhnte leise und drehte sich auf die andere Seite. In seinem langen Haar hatten sich Algen und Blätter festgesetzt. Auf der

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