Wandernde Welten
fieberheiß, ihr Mund völlig ausgetrocknet, und mit ihrem linken Bein konnte sie kaum noch auftreten. Sie kroch in den Tunnel und glitt in den geheimen Raum.
Willie antwortete auf ihr Klopfen.
»Paula!« Er half ihr durch den Einstieg. »Wo habt ihr gesteckt ?
Wo ist An?«
»Tot.« Paula ließ sich auf die Liege fallen. Ihre Lippen waren vor Durst und Fieber aufgesprungen.
»Tot«, sagte Willie.
Sie schlang die Arme um ihren Kopf. Ihr ganzer Körper schmerzte.
Willie packte sie bei den Armen und schüttelte sie. »Was ist passiert?«
»Laß mich in Ruhe.«
Er schüttelte sie härter, bis sie aufstöhnte. »Was ist passiert?
Wo wart ihr?«
Übelkeit stieg in ihr auf. In ihrem Kopf war ein ständiges Dröhnen. Sie fiel in die Bewußtlosigkeit abgrundtiefer Erschöpfung.
Als sie wieder zu sich kam, lag sie auf dem Boden, dick in Decken eingewickelt. Die einzige Beleuchtung des Raums war eine alte Ölfunzel, die in einer Nische der Sand-Wand blakte. Paula richtete sich auf und befreite sich von den Decken. Dabei stieß sie eine Tasse mit Wasser um, die neben ihr auf dem Boden stand.
In ihrer linken Armbeuge klebte ein Stück Heftpflaster.
»Dick?«
Am anderen Ende des Raums regte sich etwas. Bunker trat auf sie zu, vorbei an der Liege, auf der Willie schlief. »Was ist passiert?« Er hob die umgestoßene Tasse auf.
»Jennie und die anderen Gefangenen sind in der Einflugschleuse. Du hattest recht. Wir können nichts für sie tun.«
»Warum habt ihr es dann überhaupt versucht?«
»Eine Schuld gegenüber der ganzen Menschheit.«
»Das hast du schon öfter gesagt. Was soll das heißen?«
»Frag Saba danach. Es ist einer seiner Lieblingsaussprüche.«
»Das ist doch sinnlos. Laß mich deinen Arm sehen.«
Sie streckte ihm den Arm hin, und er riß das Heftpflaster ab.
Unter ihm waren mehrere winzige Blutstropfen durch die Haut getreten. Er nahm ein neues Stück aus einem gefalteten Papier und klebte es in ihre Armbeuge.
»Nein, es ist nicht sinnlos«, sagte sie. »Jedenfalls nicht für ihn.
Wir konnten Jennie nicht einfach im Stich lassen. Wir mußten wenigstens den Versuch machen, sie zu befreien.«
»Den Versuch hat An Chu teuer bezahlen müssen.«
Damit hatte er recht. Und ihr Versuch hatte Jennie Morrison kein bißchen genützt. Sie drückte das Heftpflaster mit dem Daumen glatt.
»Was ist auf dem Pflaster? Woher hast du es?«
»Ein Antibiotikum. Während ihr Cowboy gespielt habt, bin ich in ein Wohnhaus eingebrochen. Während des letzten Angriffs.«
»Ich habe Durst.«
»Du weißt ja, wo das Wasser ist.«
Sie ging zum anderen Ende des Raums und hinkte mehr als notwendig, um ihm zu zeigen, wie sehr sie litt. Dabei waren die Schmerzen in der Hüfte fast verschwunden. Sie trank zwei Tassen Wasser und ging zu Bunker zurück. Willie schlief wie ein Kind.
Die Öllampe flackerte, als sie daran vorbeiging. An Chus Mantel lag auf dem Fußende des Bettes. Paula setzte sich neben Bunker auf den Boden und schlang die gefalteten Hände um ihre Knie.
Der Schlammboden des Sees war ausgetrocknet und in unregelmäßige Schollen zerrissen. Paula schlug nach den stechenden Insekten, die sie umschwirrten. Sie ging in flottem Tempo auf die Ruinen am Seeufer zu, drei ausgebrannte Hüllen, die von Dornengestrüpp überwuchert wurden. Seit dem Coup war im Dom kein Regen mehr gefallen. Seit alle Tiere verschwunden waren und so viel mehr Menschen hier lebten, hatte sich die gesamte Umwelt verändert. Paula stieg einen steilen Hang hinauf und trat zwischen die verkohlten Wände der Ruinen.
Es war hier noch heißer als draußen, und die blutsaugenden Insekten fielen in ganzen Schwärmen über sie her. Sie warf einen raschen Blick auf die Schlingen, die sie ausgelegt hatte. Ein halbtoter Vogel hing in einer Schlinge. Sie erschlug ihn. Ein größeres Tier hatte die Köder aus den anderen Fallen gefressen, ohne sich zu fangen. Sie legte die Schlingen neu aus.
Auf der Ostseite des Sees wurde das Land flacher und ebener.
Im hohen, trockenen Gras wimmelte es von Schlangen. Sie ging nach Norden und hielt mit einer Hand das Fernglas fest, damit es ihr nicht bei jedem Schritt gegen die Brust schlug. Das Gelände wurde hügelig. Sie stieg auf den ersten Hügel hinauf, setzte sich oben auf einen Baumstumpf und richtete das Fernglas auf die nächstliegende marsianische Siedlung, die etwa eine Meile entfernt war.
Der aus achtzehn Gebäuden bestehende Komplex wurde von einem über zwanzig Fuß hohen Maschendrahtzaun
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