Wandernde Welten
auf die niedrige Plattform und trat auf Tanoujin zu.
»Warum bin ich verhaftet worden?«
Tanoujin malte einen Kreis auf den Boden. »Ketac wollte mich töten, und ich denke, daß Sie etwas damit zu tun haben.« Er trat einen Schritt zurück und blickte kritisch auf seine Kreise und Linien. Dann hockte er sich auf die Bühne und malte weiter.
»Sie wissen genau, daß das nicht stimmt«, sagte Paula.
Die vier Tänzer blickten sie verstohlen an. In ihren schwarzen Probenanzügen waren sie im Dunkel fast unsichtbar. Der ganze Boden der Bühne war mit weißen Markierungen bedeckt.
»Bei Ihnen weiß ich nie etwas ganz genau«, sagte Tanoujin und richtete sich auf. »Versucht es mal so«, sagte er zu den Tänzern.
Er verließ die Bühne und verschwand im Dunkel des Zuschauerraums. Paula folgte ihm. Leno war bei der Tür stehengeblieben.
Tanoujin setzte sich in die letzte Reihe und blickte zur Bühne.
Sie setzte sich ein paar Plätze von ihm entfernt.
»Wo ist Ketac?«
»Ich habe ihn noch nicht erwischt. Aber es dauert nicht mehr lange.«
Auf der Bühne hob einer der Tänzer einen anderen empor, langsam und graziös, mit ausgestreckten Armen. Paula rieb sich die Augen. Sie hatte unterwegs, in Lenos Gleiter, ein wenig geschlafen, war aber noch immer hundemüde. Leno trat zu ihnen, den Blick auf die Bühne gerichtet. »Sie sind wirklich gut. Erstaunlich in einer Stadt wie dieser.«
Tanoujin warf ihm einen raschen Blick zu. »Ist Mehma wieder auf seinem Schiff?«
»Ja. Ich wußte nicht, ob du mit ihm sprechen wolltest oder nicht.«
Tanoujin nickte, ohne darauf einzugehen. »Geh zurück nach Merkhiz, bis die Geschichte in Vribulo ausgebrannt ist. Es gibt nichts, was wir dort tun könnten.«
Paula stand auf und verließ das Theater.
Der Weg führte zwischen überfluteten Feldern entlang. Unter der Wasseroberfläche ringelten sich die frischen Triebe der Rellah-Ranken wie Würmer. Ausgewachsene Rellahs hatte sie noch nie gesehen. Sie ging auf Tanoujins Gebäudekomplex zu.
Ketac war auf eine Trage gefesselt und bewußtlos, als er in Tanoujins Haus gebracht wurde. Paula löste die Fesseln und zog die Decke zurück. Lange, tiefe Wunden waren in Brust und Bauch, stark vereitert.
»Marus hat das getan«, sagte Tanoujin. »Er ist übereifrig.«
Paula legte eine Hand auf Ketacs Wange. Sie glühte vor Fieber.
Sie breitete die Decke über ihn. Die Bahre stand neben ihrem Bett auf dem Boden. Tanoujin saß auf der anderen Seite des kleinen Raums auf dem Schreibtischstuhl.
»Soll ich ihn heilen?«
»Nein. Wenn er stirbt, ist er besser dran.«
»Warum sind Sie eigentlich so sauer auf mich?« Er fuhr mit dem Daumen über seinen Schnurrbart. »Wahrscheinlich habe ich Ihr Leben gerettet.«
Sie trat ans Fenster. David und Junna traten durch das Tor in den Hof. Zwei prächtige junge Männer, stellte sie fest, der eine kräftig und untersetzt, der andere schlank wie eine Ranke.
Tanoujin stand schwerfällig auf, streckte sich und trat an die Bahre. »Lassen wir ihn nicht sterben«, sagte er und blickte auf Ketac hinab. »Ich brauche ihn noch.« Er ging hinaus und schloß die Tür.
Tanoujin verbrachte die meiste Zeit in seinem Akopra. Paula überlegte, ob es Sinn hatte, seine Zimmer zu durchsuchen, aber diese Möglichkeit hatte er sicher vorausgesehen. Die Rebellen in Vribulo hatten den halben Dom in Brand gesetzt, und jetzt war eine Nachricht von Leno eingetroffen, daß auch in Iiiini die Lichter ausgingen. Bokojins Brüder stritten sich um sein Erbe. Die Uranus-Patrouille hielt den größten Teil der Stadt besetzt.
Sie ging in Tanoujins Bibliothek, um einige Zeit zu lesen. Als sie eine Wache später wieder in ihr Zimmer zurückging, begegnete ihr David auf dem Korridor.
»Wie geht es Ketac?« fragte er und ging mit ihr zurück.
»Ich weiß nicht. Ich habe ihn acht Stunden lang nicht gesehen.«
Er blieb zurück, um einen Mann, der ihnen entgegenkam, vorbeizulassen. »Tanoujin hätte ihn töten sollen.«
»Rede ihm das nur nicht ein. Magst du ihn?« Sie gingen durch die Haupthalle zu ihrem Zimmer. Vor der Tür blieb sie stehen und blickte ihren Sohn an.
»Er hat mich eine Menge gelehrt«, sagte David.
»Was, zum Beispiel?«
Er hob die Schultern. Sein Oberkörper wurde jetzt breiter und muskulöser. »Ich werde nicht für den Rest meines Lebens bei ihm bleiben.«
Sein ernster Gesichtsausdruck ließ sie lächeln. »Oh, wirklich?«
»Eines Tages werde ich mein eigenes Schiff haben. Zusammen mit Junna. Wir haben schon
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