Wandernde Welten
stillen.
Sie schob ihren nächsten heimlichen Ausflug in die Stadt lange hinaus. Boltiko stand am Herd und bereitete Davids Brei zu. »Gib ihm nur ein wenig davon, falls ihm schlecht werden sollte.« Sie nahm mit dem Finger etwas von dem Obstbrei aus der Schale und probierte ihn. Sie seufzte, und ihre Fettrollen wabbelten. »Ich weiß nicht, was ich mit Ketac anfangen soll. Ich hoffe, er hat sich nicht auch so unmöglich benommen, als er in deiner Welt war. Dakkar ist ein so prachtvoller Sohn.«
Pedasen kam herein, und zu dritt säuberten sie Paulas Haus.
Sie redete sich ein, der Grund, vorerst nicht wieder in die Stadt zu gehen, sei das Kind. Außerdem müßte sie sich um das Haus kümmern, und Boltiko hätte sie gerne bei sich, um mit ihr zu reden.
»Warum richten Sie diesen Raum nicht als Kinderzimmer ein?« sagte Pedasen. Er öffnete die Tür des Zimmers, das ihrem Schlafzimmer gegenüber lag. »Es gibt doch genügend Möbel drüben im... He!«
Sie lief zu ihm ins Zimmer. »Was ist?«
»Ein Kusin war hier drin.« Er schloß das Fenster. Sie trat neben ihn und öffnete es wieder. Pedasens helle Augen blickten sie an, und er schloß das Fenster wieder. »Sie können es nicht offen lassen. Das Kusin kommt sonst herein.«
Sie riß das Fenster auf. »Es kommt doch nur, um zu trinken.«
»Es wird Ihrem Baby die Zehen abnagen.«
»Es ist sehr scheu. Es wird sich nicht in die Nähe des Kindes wagen.«
Pedasen murmelte etwas vor sich hin und rieb sich die Nase.
Sie verließ das Zimmer, und er folgte ihr, um die große Vitrine im Wohnzimmer zu verrücken.
Die Türen waren in acht Fächer eingeteilt, unter denen sich Glasscheiben mit Metall Verzierungen befanden. »Das ist eine Darstellung der Geschichte von Capricornus«, erklärte Pedasen ihr. »Er war ein Held.« Er deutete auf das oberste Fach. »Sehen Sie? Hier wird er zu Unrecht beschuldigt und von seinem Vater ins Exil geschickt. Die anderen Darstellungen zeigen all die Abenteuer, die er während seiner ruhelosen Wanderungen überstehen mußte. Aber schließlich ist er zurückgekehrt.«
Sie fuhr mit dem Jackenärmel über das angestaubte Glas. Auf einem Fach in ihrer Augenhöhe kämpfte ein Mann gegen einen Drachen, der ein großes, rundes Medaillon auf der Brust trug.
»Was ist das?«
»Das ist der Drache Jupiter.« Seine Finger fuhren über die Gravur des Flammenatems, den der Drache ausstieß. Jetzt erkannte Paula auch das Planetensymbol auf dem Medaillon. Die Figuren waren in Bas-Relief in die Rückseite der Glasscheiben eingeschnitten und kunstvoll mit einem silberigen Metall ausgelegt. Jedes Detail war realistisch und kunstvoll wiedergegeben, selbst die Gestalt des winzigen Mannes, der vor dem gigantischen Drachen Jupiter stand.
»Ich halte dich hoffentlich nicht von irgendeiner Arbeit ab«, sagte sie.
»Oh, nein«, sagte der Eunuche. »Wenn Mem etwas von mir will, läutet sie.«
»Du drückst dich«, sagte sie.
»Nicht wirklich.«
»Doch.«
»Es stört Sie doch nicht, oder?«
»Nein.«
»Ich würde gerne etwas für Sie tun, wenn Sie eine Arbeit für mich haben sollten.«
»Ich weiß. Schon in Ordnung.«
»Wenn der Akellar zurückkommt, wird er uns alle wieder schuften lassen.«
Sie lehnte sich gegen die Lehne der Schaukel-Couch. Die Ketten klirrten leise. »Wo ist er jetzt?«
»Während der letzten Wache ist ein halber Block des Tulan in die Luft gesprengt worden. Es soll einen richtigen Aufstand gegeben haben.«
Paula trat um die Schaukel-Couch herum und setzte sich auf die gepolsterte Bank.
»Der Akellar ist jetzt draußen, um sich umzusehen und die Schuldigen zu finden, bevor sie hier das Tor aufsprengen.«
Das Baby schrie, und sie blickten in die Richtung des Schlafzimmers. Paula wartete, ob David sich wieder beruhigen würde, und nach einer Weile wurde es auch wieder still. Die Schaukel schwang langsam hin und her. Sie fühlte sich wie ein Geist in dieser fremden Welt, in der alle anderen ihre Aufgaben und Interessen hatten: Pedasen drückte sich vor der Arbeit, David schrie nach Nahrung, und Saba hatte seine eigenen Aufgaben und Sorgen. Sie mußte ihr Leben wieder in den Griff bekommen, nahm sie sich vor.
»Dieses Tulan, was ist das eigentlich?« fragte sie.
»Der reichste Bezirk, auf der anderen Seite der Stadt.«
»Begleite mich dorthin.«
Pedasen besorgte ihr Sklavenkleidung: eine weite weiße Hose und eine weiße Steppjacke. Sie gingen zum See hinab und von dort aus die Straße entlang, die parallel zum Ufer
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