Wanderungen durch die Mark Brandenburg
zählen, kann ich nicht unterlassen, Ihnen einen Plan mitzuteilen, der sich auf meinen demnächstigen Einzug in Berlin bezieht. Es ist ungefähr folgendes, was ich Ihnen darüber mitzuteilen habe. Der Zug soll durch eine Herde jener verpönten Tiere von zartem Fleisch und unzarten Gewohnheiten eröffnet werden, denen die Aufgabe zufallen wird, aus Leibeskräften und in Gemäßheit angeborener Instinkte zu schreien. Dann folgt eine Schaf- oder Hammelherde unter Führung eines meiner Kammerdiener. Danach eine Herde podolischer Ochsen, die mir unmittelbar voraufgehen. Nun ich selbst. Mein Aufzug ist folgender: ein großer Esel trägt mich, so einfach als möglich aufgeschirrt. Statt der Pistolenhalfter befinden sich zwei Getreidesäcke vor mir, und ein tüchtiger Mehlsack vertritt die Stelle von Sattel und Schabracke. So sitz ich da, einen Knüttel als Peitsche in der Hand und einen Strohhut statt des Helmes auf dem Kopf. Zu beiden Seiten meines Esels marschiert ein halbes Dutzend Bauern mit Sensen, Pflugscharen und anderen Attributen der Landwirtschaft, und müht sich Schritt zu halten und einen Ernst zu zeigen, wie er der Sache angemessen ist. Dann folgt, auf der Höhe eines schwerbeladenen Heuwagens, die heroische Gestalt des Seigneur von Natzmer, der Wagen selbst von vier Ochsen und einer Stute gezogen. Ich bitte Sie, verehrteste Cousine, mich bei Anordnung dieser Zeremonie unterstützen zu wollen. Was mich angeht, so zieh' ich es vor, eine wirkliche Ursache zu Hohn und Spott zu geben, als ohne allen Grund von einem frechen Volkshaufen ausgelacht zu werden. Ich treffe alle Vorbereitungen für diesen meinen Einzug und warte nur noch Ihrer Ordre, um sie ins Werk zu setzen.«
Dieser Brief, mit allen seinen Vorzügen und Schwächen, was ist er anders, als ein kleiner humoristischer Versuch, der der schönen Freundin in Tamsel übersandt wird, um bei nächster Gelegenheit einiges Schmeichelhafte darüber zu hören.
Noch einmal, die ästhetisch-literarischen Bedürfnisse des Kronprinzen schufen und unterhielten das Verhältnis, und wenn die Gefühle des jungen Poeten, wie kein Zweifel ist, zu Zeiten die Gestalt einer leidenschaftlichen Zuneigung annahmen, so bleibt es doch mindestens ungewiß, ob diese Neigung eine glückliche, eine gegenseitige war. Wenn wir darüber die Schlußsätze des letzten Briefes vom 20. Februar zu Rate ziehen, so scheint es beinahe, daß Frau von Wreech einfach hinnahm, was sie nicht ändern konnte, und daß sie, namentlich nach Ablauf einer ersten Epoche poetischer Bewunderung, des Kronprinzen Liebe mehr duldete als erwiderte. Diese Schlußsätze des prinzlichen Briefes lauten: »So schicke ich Ihnen denn mein Bild. Ich hoffe, daß es mich wenigstens dann und wann in Ihre Erinnerung bringen und Sie zu dem Zugeständnis veranlassen wird; er war au fond ein guter Junge (un assez bon garçon), aber er langweilte mich, denn er liebte mich zu sehr und brachte mich oft zur Verzweiflung mit seiner unbequemen Liebe.«
Diese Worte, die fast wie ein Resümee klingen, sind mir als besonders charakteristisch erschienen. Ende Februar verließ der Kronprinz Küstrin, um vorläufig nicht mehr dahin zurückzukehren.
Die Jahre gingen, andere Zeiten kamen. Das Verhältnis, das einen Winter lang so viel Trost und Freude gewährt hatte, schien tot und erst sechsundzwanzig Jahre später sehen wir den Kronprinzen, nun König Friedrich, abermals in Tamsel.
Aber wie anders sieht ihn jetzt Tamsel an! Es ist am 30. August 1758, fünf Tage nach der Schlacht bei Zorndorf. Das Schloß ist von den Russen ausgeplündert, alle Bewohner sind geflohen, der zurückgebliebene Lehrer der Wreechschen Kinder liegt erschlagen im Park, alles ist wüst, öde, halb verbrannt und nur mit Mühe konnte ein Tisch für den König herbeigeschafft werden. Und jetzt gedenkt er entschwundener Tage und alter Pflicht und alter Liebe, und angesichts der Zerstörung, die sein Herz an diesem Orte doppelt trifft, richtet er noch einmal einige Zeilen an die schöne Frau. Keine Verse sind eingeschlossen, aber ein Besseres hat er sich in der Schule des Lebens erobert – ein echtes Gefühl. Der Brief selbst aber lautet:
»Madame! Ich habe mich nach der Schlacht vom 25. hierher begeben und eine volle Zerstörung an diesem Orte vorgefunden. Sie mögen versichert sein, daß ich alles nur mögliche tun werde, um zu retten, was noch zu retten ist. Meine Armee hat sich genötigt gesehen, hier in Tamsel zu fouragieren, und wenn freilich die
Weitere Kostenlose Bücher