Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow
der schönsten Lieder, die wir diesem volkstümlichsten unsrer geistlichen Liederdichter verdanken, während seines Mittenwalder Aufenthaltes, in Leid und Freud des Hauses und des Amtes, gedichtet wurden.
Begleiten wir ihn auf seinem Ein- und Ausgang.
Paul Gerhardt kam spät ins Amt. Er war bereits sechsundvierzig Jahr alt, als die Kirchenvorstände von Mittenwalde, wo der Propst Goede eben gestorben war, sich an das Ministerium der Sankt-Nikolai-Kirche zu Berlin wandten mit dem Ersuchen, einen geeigneten Mann für die Mittenwalder Propsteikirche in Vorschlag zu bringen. Die Kirchenbehörden von Sankt Nikolai waren schnell entschieden; sie kannten Paul Gerhardt, der seit einer Reihe von Jahren als Lehrer und Erzieher im Hause des Kammergerichtsadvokaten Andreas Berthold tätig war und durch Lieder und Vorträge längst die Aufmerksamkeit aller Kirchlichen auf sich gezogen hatte. Diesen empfahlen sie. Nach zwanzigjährigem Harren sah sich Paul Gerhardt am Ziele seiner innigsten Sehnsucht, und mit dem Dankeslied »Auf den Nebel folgt die Sonn, auf das Trauern Freud und Wonn« empfing er die Vocation und trat mit dem neuen Kirchenjahr 1651 ins Amt.
Freudig begann er es und voll guten Muts, all der Gegnerschaften und Widerwärtigkeiten Herr zu werden, an denen es von Anfang an nicht ermangelte. Neid, verletztes Interesse, gekränkte Eigenliebe – der seit Jahren an der Mittenwalder Kirche predigende Diakonus Alborn hatte darauf gerechnet, Propst zu werden – erschwerten ihm Amt und Leben, aber wenn er dann abends an dem offenen Hinterfenster seiner Arbeitsstube saß und über die Stadtmauer hinweg in die dunkler werdenden Felder blickte, während von der Propsteikirche her der Abend eingeläutet und eine alte Volksweise vom Turm geblasen wurde, dann ward ihm das Herz weit, und den Atem Gottes lebendiger fühlend, kam ihm selbst ein Lied und mit dem Liede Glück und Erhebung. Es war die Volksweise »Innsbruck, ich muß dich lassen«, die vom Turm herab allabendlich erklang, dieselbe alte Weise, von der Sebastian Bach später zu sagen pflegte: »er gäb all seine Werke darum hin«, und der fromme P. Gerhardt, der wohl wissen mochte, wie seine Gemeinde daran hing, trachtete jetzt danach, der schönen alten Melodie tiefere Textesworte zugrunde zu legen. So entstand das »Abendlied«:
Nun ruhen alle Wälder,
Vieh, Menschen, Städt und Felder,
Es schläft die ganze Welt –
jenes Musterstück einfachen Ausdrucks und lyrischer Stimmung, das durch einzelne daran anknüpfende Spöttereien (zum Beispiel, die ganze Welt könne nie schlafen, weil die Antipoden Tag hätten, wenn wir zur Ruhe gingen) an Volkstümlichkeit nur noch gewonnen hat.
Glaub und Liebe richteten ihn wohl auf, wenn die Kümmernisse des Lebens ihn niederdrücken wollten, aber ein Gefühl der Einsamkeit blieb ihm, und sein Herz sehnte sich nach Genossenschaft, nach einem Herd. Im vierten Jahre seines Amts bewarb er sich um die Hand Maria Bertholds, der ältesten Tochter jenes frommen Hauses, in dem er so viele Jahre glücklich gewesen war, und Propst Vehr von Sankt Nikolai, der beide seit lange gekannt und geliebt hatte, legte beider Hände ineinander. Um die Mitte Februar 1655 zog Maria Berthold in die Mittenwalder Propsteiwohnung ein.
Innige Liebe hatte das Band geschlossen, und Paul Gerhardt glaubte nun den Segen um sich zu haben, der alle bösen Geister von seiner Schwelle fernhalten würde. Neu gekräftigt in seinem Glauben und neu gestimmt zur Dankbarkeit, war es um diese Zeit wohl, daß er den hohen Freudensang anstimmte:
Warum sollt ich mich denn grämen?
Hab ich doch
Christum noch,
Wer will mir den nehmen?
Wer will mir den Himmel rauben,
Den mir schon
Gottes Sohn
Beigelegt im Glauben?
Aber es war anders bestimmt. Die Freudigkeit des Gemüts sollt ihm nicht zufallen , er sollte sie sich erringen in immer schwerer werdenden Kämpfen. Ein Töchterlein, das ihm geboren wurde, starb bald, und die Kränkungen, die das Auftreten Alborns im Geleite hatte, zehrten immer mehr an Gesundheit und Leben seiner nur zart gearteten Frau. Nicht frohe Tage waren diese Mittenwalder Tage, selbst äußere Not gesellte sich, und als der auch jetzt noch in seinem Glauben und Hoffen unerschüttert Bleibende jenes Vertrauenslied anstimmte, das von Strophe zu Strophe die Worte wiederholt: »Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lieb in Ewigkeit«, da war das Herz der sonst frommen Frau bereits klein und ängstlich genug geworden, um sich mißgestimmt und bitter fast
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