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Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow

Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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von einer Glaubenskraft abzuwenden, die weit über die Kraft ihres eigenen schwachen Herzens hinausging. Tiefe Schwermut ergriff sie. Paul Gerhardt selbst aber, in jener Freudigkeit der Seele, wie sie das Vorgefühl eines nahen Sieges und endlicher Erhörung leiht, schlug seine Bibel auf und las die Worte des Psalmisten: »Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn: er wird's wohlmachen.« Und einem Funken gleich fiel das Wort in seine Brust. Er mußte freier aufatmen, die Stube ward ihm zu eng, und auf und ab schreitend in den Gängen des alten Propsteigartens, entquollen ihm die ersten Strophen zu jenem großen Trostes- und Vertrauensliede: »Befiehl du deine Wege«.
    Bewegt, aber auch erhoben ging er in das Haus zurück, empfand er sich doch als Träger einer Botschaft, der kein Herz widerstehen könne. Und siehe da, an der schwermütigen Stimmung seiner Frau erprobte das Lied zum ersten Male seine wunderbare Kraft. Alles Leid floß hin in Tränen, alle Trübsal wurde Licht, und eh noch der Rausch gehobenster Empfindung vorüber war, war auch schon die Hülfe da – ein Abgesandter, ein Brief, der den Mittenwalder Propst als Diakonus an die Berliner Nikolaikirche berief. Er reichte seiner Hausfrau das Schreiben und sagte ruhig: »Siehe, wie Gott sorget. Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohlmachen .«
    Paul Gerhardt verließ Mittenwalde im Juli 1657. Dem weitern Gange seines Lebens folgen wir an dieser Stelle nicht, aber die Frage drängt sich auf: Was ist der Stadt, in der einige seiner schönsten Lieder entstanden, aus der Zeit seines Lebens und Wirkens erhalten geblieben? Sind noch Plätze da, die von ihm erzählen, und welche sind es?
    Die Stadt bietet nichts. Das Propsteigebäude, das noch vor einigen fünfzig Jahren bewohnt war, ist seitdem abgebrochen, und selbst der Garten, in dessen Gängen er mutmaßlich das »Befiehl du deine Wege« dichtete, liegt, wüst geworden, ohne Zaun und Einfassung zwischen zwei Nachbargärten.
    Die Stadt bietet nichts mehr, wohl aber die Kirche . Dicht unter seinem Bildnis, dessen ich bereits ausführlicher erwähnte, sehen wir eine Steintafel in die Wand des Seitenschiffes eingelassen, die folgende Inschrift trägt: »Maria Elisabeth – Pauli Gerhardts, damaligen Propstes allhier zu Mittenwalde, und Anna Maria Bertholds erstgebornes, herzliebes Töchterlein, so zur Welt kommen den 19. Mai Anno 1656 und wieder abgeschieden den 14. Januar Anno 1657 – hat allhier ihr Ruhebettlein und dieses Täflein von ihren lieben Eltern. Genesis 47, Vers 9: ›Wenig und böse ist die Zeit meines Lebens.‹« Ein grüner Kranz faßt die Inschrift ein, und Engelsköpfe schmücken die vier Ecken.
    Neben Bildnis und Stein ist die Sakristeitür. In der Sakristei selbst finden wir das alte Mittenwalder Kirchenbuch, ein großes, nach Art der Bilderbibeln in Leder gebundenes Buch, etwa 300 Jahr alt. Die Registrierungen in diesem Buch aus der Zeit von 1651 bis Neujahr 1657 rühren alle von Paul Gerhardt selber her. Seine Handschrift ist fest, dabei voll Schwung und Schönheit. Seine Aufzeichnungen schließen mit dem 28. Dezember 1656.
    Bild und Stein und Buch, sie mahnen an sein Wandeln und Wirken an dieser Stätte; fehlten aber auch diese Dinge, die seinen Namen oder die Züge seiner Hand tragen, die Kirche selber – im großen und ganzen dieselbe geblieben –, sie würde dastehn zu seinem ehrenden Gedächtnis, der protestantischen Welt mehr eine Paul-Gerhardts- als eine Sankt-Moritz-Kirche. Wenig Modernes hat sich seit 200 Jahren hinzugesellt, und wohin das Auge sich wenden mag, sein Auge hat darauf geruht.
    Veränderungen sollen vorgenommen werden; mögen sie mit Pietät geschehen.
     
    Paul Gerhardt ist unbestritten der Glanzpunkt in der Geschichte Mittenwaldes, aber es hat der historischen Erinnerungen auch noch andre.
    Den 31. August 1730 traf Kronprinz Friedrich unter starker Bedeckung, von Wesel aus, über Treuenbrietzen (wo er die Nacht vorher gewesen war) in Mittenwalde ein, um daselbst, vor seiner Abführung nach Küstrin, ein erstes Verhör zu bestehen. Das Truppenkommando, das ihn bis Mittenwalde geführt hatte, stand unter Befehl des Generalmajors von Buddenbrock, desselben tapferen Offiziers, der zwei Monate später dem mit der Todesstrafe drohenden König mit den Worten entgegentrat: »Wenn Ew. Majestät Blut verlangen, so nehmen Sie meines; jenes bekommen Sie nicht, solang ich noch sprechen darf.« 2)
    Kronprinz Friedrich blieb zwei Tage

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