Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow
Mädchen, ins Haus nahm. Es waren dies Töchter aus achtbaren, aber einfach bürgerlichen Häusern, und ihr Erziehungstalent erwies sich in nichts so sehr als in der Art und Weise, wie sie diese jungen Mädchen an allem, was das Haus gesellschaftlich gewährte, teilnehmen ließ und sie doch zugleich für die Lebensstellungen erzog, in die sie, früher oder später, wieder zurücktreten mußten. Es gelang ihr, ihren Pfleglingen eine Sicherheit im Auftreten und in den Formen zu geben, ohne daß infolge davon der gefährliche, weil so selten zu Vorteil und Segen führende Wunsch in ihnen aufgekeimt wäre, die bescheidenere Geburtsstellung mit einer anspruchsvolleren zu vertauschen. All das, ohne jemals durch Hervorkehrung dessen, was man Standesvorurteile nennt, auch nur einen Augenblick verletzt zu haben. Es war ihr eben einfach die Gabe geworden, in Liebe den Glauben zu wecken: ›In allem lebt Gottes Wille, und wie es ist, ist es am besten.‹«
So die Mitteilungen solcher, die die Gräfin noch persönlich gekannt haben. Aber eines vermiß ich darin: ein Hervorheben dessen, was ihr, ich will nicht sagen ausschließlich oder auch nur vorzugsweise, aber doch jedenfalls mitwirkend , ihren Einfluß sicherte. Dies war ihr Katholizismus . Zunächst ihr Katholizismus als einfache Tatsache.
Wer ein Auge für diese Dinge hat, dem kann es nicht entgehen, daß der Katholizismus, all seiner vielleicht berechtigten Klagen und Anklagen unerachtet, eine nach mehr als einer Seite hin bevorzugte Stellung unter uns einnimmt, und zwar am entschiedensten in dem Gesellschaftsbruchteile, der sich die »Gesellschaft« nennt. Es geht dies so weit, daß Leute, die sonst nichts bedeuten, einfach dadurch ein gewisses Ansehen gewinnen, daß sie Katholiken sind. Wie gering ihre sonstige Stellung sein mag, sie werden einer Art Religionsaristokratie zugerechnet, einer Genossenschaft, die Vorrechte hat und von der es nicht bloß feststeht, daß sie gewisse Dinge besser kennt und weiß als wir, sondern der es, infolge dieses Besserwissens, auch zukommt, in ebendiesen Dingen den Ton anzugeben. Also zu herrschen.
Unserer Gräfin Herrschaft aber verdoppelte sich und wurd erst recht eigentlich, was sie war, aus der weit über die bloße Tatsächlichkeit ihres Katholizismus hinausgehenden schönen und klugen Betätigung desselben. Sie war eine strenge Katholikin für sich , in der Berührung mit der Außenwelt jedoch, insonderheit mit der ihr in gewissem Sinne wenigstens unterstellten Gemeinde, betonte sie stets nur das, was beiden Konfessionen das Gemeinschaftliche war, und übte die hohe Kunst einer Religionsäußerung, die der eignen Überzeugung nichts vergab und die der andern nicht kränkte. Sie hatte dies am sächsischen Hofe gelernt und zeigte sich beflissen, diesem Vorbilde schöner Toleranz in allen Stücken nachzuahmen. Es geschah dies in einer ganzen Reihe von Guttaten und kleinen Stiftungen, am erkennbarsten in dem einem Neubau gleichkommenden Umbau der lutherischen Gröbener Kirche, den sie, von der Vorahnung erfüllt, daß sie das Ende desselben nicht mehr erleben würde, durch Kapitalsdeponierungen sicherstellte.
Den 2. September 1858 starb sie, sechzig Jahr alt, und wurde, den dritten Tag danach, ihrem ausdrücklichen Willen gemäß, auf dem protestantischen Kirchhofe der Gemeinde beigesetzt.
Gröben selbst aber fiel an die Schwägerin der Gräfin, an die noch lebende Schwester des bereits 1851 verstorbenen Grafen Leo.
Frau Johanna von Scharnhorst, geborne Gräfin von Schlabrendorf
Diese noch lebende Schwester des Grafen Leo war Frau Johanna von Scharnhorst, geborne Gräfin von Schlabrendorf. Sie trat ihr Erbe (Gut Gröben) an, und da sie, wie weiterhin erzählt werden wird, einige Jahrzehnte vorher auch in den Besitz von Siethen gekommen war, so waren jetzt beide alt-Schlabrendorfschen Güter wieder in Händen einer geborenen Schlabrendorf vereinigt. Freilich nur auf kurze Zeit. Ein Jahr nur, von 1858 bis 1859. Eh ich aber von diesem Wiederaufgeben des Gesamtbesitzes spreche, sprech ich, zurückgreifend, über den Lebensgang der Frau von Scharnhorst bis zu jenem Zeitpunkte (1858), wo Gröben ihr zufiel.
Comtesse Johanna wurde, wie schon hervorgehoben, am 22. April 1803 aus der zweiten Ehe des Grafen Heinrich von Schlabrendorf, die derselbe mit einem Fräulein von Mecklenburg geschlossen hatte, geboren. Es scheint, die Mutter starb früh und überließ Erziehung und Fürsorge dem exzentrischen Vater, der sich dieser
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