Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow
eindringenden, ja, soweit lediglich praktische Dinge mitsprechen, von einem umfassenden Blick und führt seinen Existenzkampf nicht deshalb so hart und erbittert, weil er des Gegners Recht verkennte, sondern gerade deshalb, weil er es erkennt. Er vermag nur nicht den einen letzten Schritt zu tun, den vom Er kennen bis zum An erkennen.
Alles in allem: sie sind doch anders als ihr Ruf, diese so viel verklagten »Junker«, anders und besser, und es ist nur Pflicht und Wahrheit, wenn ich an dieser Stelle versichere, daß ich einer langen Gesprächsreihe mit ihnen eine Zahl allerglücklichster Stunden verdanke, Stunden voller Anregung und Belehrung, in betreff deren es gleich war, ob das Gespräch in Haus oder Heide, vorm Kamin oder auf dem Pirschwagen geführt wurde. Zu welchem allem ich auch das noch hinzufügen möchte, daß sich mir diese liebenswürdige Verkehrsseite, diese Welt ansprechender und gefälliger Formen unter teilweis sehr erschwerenden Umständen erschloß, und zwar zu Zeiten, als ich mich noch als ein absolut Fremder unter unsren ruppinisch-havelländischen und barnim-lebusischen Familien bewegte. Mit einer Dankbarkeit, in die sich etwas von Bewundrung mischt, muß ich jener ersten sechziger Jahre gedenken, wo meine Besuche vollkommen überfallartig stattfanden und ich, Mal auf Mal, auf gut Glück hin die herrschaftliche Rampe hinauffuhr, in der Tat um kein Haarbreit introduzierter oder empfohlener als irgendein Feuer- oder Hagel-Assekuranz-Agent. Oft schlug mir das Herz, und mit nur zu gutem Grund, aber niemals bin ich einer Unfreundlichkeit oder Verspottung begegnet, zu der die Situation eigentlich ausnahmslos herausforderte.
Vor Köckeritz und Lüderitz,
Vor Krachten und vor Itzenplitz
Bewahr uns, lieber Herre Gott –
das mag politisch auch noch so weiterklingen; gesellschaftlich und persönlich aber haben es die »Raubritter« von ehedem an nichts wirklich Ritterlichem jemals fehlen lassen 2) und, alles Gegensatzes gegen den Inhalt des vorigen Jahrhunderts unerachtet, die Form und den Ton ebendieses Jahrhunderts (dem des unsrigen so sehr überlegen) immer zu wahren und immer zu treffen gewußt.
Und nun ihr, meine Geliebtesten, ihr meine Landpastoren und Vicars of Wakefield! Ach, auch euch lacht nicht eigentlich die Sonne der Volksgunst, und wirklich, wer euch so zur Synode ziehen sieht, angetan mit jenem Frack und jenem Blick, die zu zeitigen unsrem norddeutschen Protestantismus innerhalb seiner andren Aufgaben vorbehalten war, und wer euch dann sprechen hört über den Zeitgeist, den ihr ändern möchtet und nicht ändern könnt, und über die Juden, die bekehrt werden sollen und doch am Ende nicht wollen – der betet auch wohl wieder: »Bewahr uns, lieber Herre Gott.«
Aber mit wie großem Unrechte! Der in die Residenz verschlagene Landpastor ist eben ein sich selbst Entfremdeter, der morgens vor seinem Spiegelbild erschrickt, und erst von dem Augenblick an, wo die Wichtigkeit und die weiße Binde wieder von ihm abfällt und das schwarzsamtne Hauskäpselchen in sein Recht tritt, erst von diesem Augenblick an ist er wieder er selbst und kehrt zurück in den Urstand aller ihm eignenden guten Dinge. Der ex cathedra sprechende Pastor und der Lehn- und Sorgenstuhlpastor sind so grundverschieden wie Roi Henri, wenn er in die Schlacht zieht, und Roi Henri, wenn der Dauphin auf ihm reitet. Der eine ganz Schwert und Rüstung, der andre ganz Idyll. Und nur den letztren hab ich kennengelernt. Kennen und lieben, was ein und dasselbe bedeutete. Denn auch hier wieder nahm ich das Gegenteil von dem wahr, was sich l'opinion publique als das Kriterium eines Landgeistlichen herausgeklügelt hat, und wenn ich weiter oben sagen durfte, daß ich bei dem Adel auf dem Lande nie der ihm vorgeworfenen Enge der Anschauungen begegnet sei, so bei dem Pastor auf dem Lande nie der ihm vorgeworfenen Unduldsamkeit. Es wird Einzelfälle davon gegeben haben und noch geben, aber sie zu beobachten blieb mir erspart. Ich habe weder die Rationalisten über die Strenggläubigen noch die Strenggläubigen über die Rationalisten in wirklich gehässigen Worten aburteilen hören, auch nicht in Zeiten brennendster Gegnerschaft, offenster Fehde, gleichviel nun, ob Ära Mühler oder Ära Falk auf der Tagesordnung stand. Überall vielmehr bekundete sich ein bestimmter guter Wille, den Gegner auch in dem , was ihn zum Gegner machte, gelten zu lassen, und was abwich von dieser Regel, erwies sich schließlich immer nur als Schein, als ein
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