Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow
Daß er dabei, in materiell eng gezogenen Grenzen verbleibend, über einen bloßen symbolischen Akt nicht hinausgekommen war, steigerte nur den Effekt. Der Leser urteile selbst. In ebendemselben Augenblicke, in dem der Kreis des Möglichen nach unser aller Ansicht geschlossen schien und auch in dem begehrlichsten Herzen nur noch Wunsch und Raum für Zigarette und Kaffee vorhanden war, erschien Mudy mit einem auf dem Menuzettel ungenannt gebliebenen Überraschungsgericht. Geheimnisvoll genug in seiner Einkleidung. Eine Glasschale war mit Kraut und Blütenzweigen gefüllt; in der Mitte dieser Schale aber, wie ein Ei in einem Neste liegt, lag ein Teesieb, in dem unser dienender Bruder, während wir auf der Suche nach dem Reiherhorste waren, aus dem spärlichen Vorrat der nächsten Wald- und Uferstellen eine halbe Hand voll Erd- und Blaubeeren mühsam gesammelt hatte. Die Wirkung dieser Aufmerksamkeit war eine enthusiastische und rang nach entsprechendem Ausdruck. Kapitän Backhusen fand ihn. Einen vor ihm stehenden Römer bis an den Rand mit Scharlachberger füllend, schüttete er den Inhalt des Schälchens hinein und sprach dann kurz: »Perle der Kleopatra, armselige Renommisterei; hier , in Erd- und Blaubeeren, spricht bescheiden eine schönere Tat. Es lebe Mudy.«
Die Luft stand. Es war noch zu früh zum Aufbruch; so beschlossen wir eine Waldsiesta, und unsere Plaids an schattiger Stelle ausbreitend, suchte sich jeder eine Ruhestätte. Libellen flogen, Käfer summten, und in mir klang es aus einem meiner Lieblingsdichter:
Hier an der Bergeshalde
Verstummet ganz der Wind;
Die Zweige hängen nieder,
Die blauen Fliegen summen
Und blitzen durch die Luft.
Einmal, zweimal wiederholte ich diese Zeilen, die den Klang eines Nachmittags-Schlummerliedes haben; dann schlief ich ein. Die Genossen hatten weniger gezögert.
Es war sechs Uhr, und die Sonne streifte schon von der Seite her die Wipfel des Waldes, als uns die Schiffsglocke, rasch anschlagend, mit zur Eile mahnendem Tone wieder an Bord rief. Kapitän Backhusen hatte früher als seine Gäste den Nachmittagsschlaf abgeschüttelt. Ein paar Kommando-Worte, und die »Sphinx« löste sich leicht und gefällig von der Uferstelle, in deren Schatten sie sechs Stunden geankert hatte. Die Landzungen schoben uns immer neue, von Minute zu Minute prächtiger beleuchtete Coulissen in den Weg; in Schlängellinien umfuhren wir sie, ein paar Geleit gebende Reiher hoch über uns in Lüften. So kamen wir aus der Schmölte in den Hölzernen See.
Alles war bis dahin gut gegangen, und zu endgültiger Bewährung der »Sphinx« fehlte nur noch ein Zwischenfall, ein »Accident«. Auch dieser sollte nicht ausbleiben. Kaum in den Hölzernen See, nomen et omen, eingefahren, so saßen wir fest. Aber die Führung unseres Schiffs hätte nicht die sein müssen, die sie war, wenn sie sich in solchem Momente hätte ratlos erweisen sollen. Kapitän Backhusen, mit dem Tubus auslugend, erkannte, hinter Schilf und Werft versteckt, in nicht allzuweiter Entfernung ein Brückenwärterhäuschen, an das jetzt Mudy, die Schiffsjolle herablassend, mit der Anfrage deputiert wurde, ob man bereit sei, unseren aus dicken Eisenplatten bestehenden Ballast auf zwei, drei Tage zu beherbergen. In kürzester Frist war die bejahende Antwort da, die großen Barren wanderten aus dem Rumpf in die Jolle, und nach dreimaliger Fahrt zwischen Schiff und Zollhaus war unsere »Sphinx« wieder flott und frei. Unter dankbarem Hüteschwenken ging es, eine Viertelstunde später, an dem Brückenzollhaus vorüber. Aber dieses Hüteschwenken genügte uns nicht. Unserer Freude einen lauteren Ausdruck zu geben, holten wir aus der Waffenkammer ein paar Vogelflinten herbei, und auf unendliche Entfernungen hin, zwischen Dümpler und Krickenten hineinfeuernd, weckten wir das Echo, das, offenbar verdrießlich über die Störung, mit nur halber Stimme antwortete. Wir empfanden es und stellten die Flinten an ihren alten Platz.
Es begann zu dunkeln, als wir, zwischen Groß- und Kleinköris, in ein schwieriges, aus mehreren flachen Becken bestehendes Seegebiet einfuhren, das in seiner Gesamtheit den wenig klangvollen, aber bezeichnenden Namen der »Modder-See« führt. Die Karten unterscheiden einen großen und kleinen. Das Wasser in diesen Becken stand nur etwa fußhoch über einem aus gelbgrünen Pflanzenstoffen bestehenden Untergrund, der so weich war wie ein mit Hülfe von Reagenzien eben gefällter Niederschlag. Unser Schiff durchschnitt
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