Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow
Geistliche hervorgegangen waren, und ein leiser Unmut über ein gewisses Zurückgebliebensein hinter diesen historischen Rangverhältnissen lag auf seinem Gesicht. Er sprach dies auch unumwunden aus und verriet überhaupt eine Nervosität, wie man ihr bei Leuten seines Standes nur selten begegnet. Ich nahm ihn daraufhin von Anfang an für einen Konventikler und fand es bestätigt, als er eine Weile danach anfrug, ob es uns vielleicht genehm sein würde, seine Kinder ein mehrstimmiges Lied singen zu hören, auf das sie leidlich eingeübt seien. Wir bejahten die Frage natürlich, und alsbald klang es mit jener unwiderstehlichen Innigkeit, wie sie nur Kinderstimmen eigen zu sein pflegt, durch die sommerstille Luft:
Jesu, geh voran
Auf der Lebensbahn,
Und wir wollen nicht verweilen,
Dir getreulich nachzueilen.
Führ uns an der Hand
Bis ins Vaterland.
Eine Pause trat ein, und erst als Kätner Post uns gemustert und sich über unsere Teilnahme vergewissert hatte, gab er aufs neue das Zeichen und sang nun selber mit:
Soll's uns hart ergehn,
Laß uns feste stehn
Und auch in den schwersten Tagen
Niemals über Lasten klagen,
Denn durch Trübsal hier
Geht der Weg zu dir. Rühret eigner Schmerz
Irgend unser Herz,
Kümmert uns ein fremdes Leiden,
O so gib Geduld zu beiden,
Richte unsren Sinn
Auf das Ende hin. Ordne unsren Gang,
Jesu, lebenslang;
Führst du uns durch rauhe Wege,
Gib uns auch die nöt'ge Pflege,
Tu uns nach dem Lauf
Deine Türe auf.
Das Lied hätte die doppelte Zahl von Strophen haben können, wir wären willig gefolgt. Es hatte jeden von uns ergriffen, am meisten den Nestor unseres Kreises, der fast verlegen vor sich nieder sah und auf unsere wiederholte Frage nach dem »Warum« endlich antwortete: »Sie sind alle bewegt durch das Lied. Ich bin es doppelt und muß es sein. Daß Ihnen dieses Lied hier begegnet, ist zu bescheidenem Teile mein Verdienst. Es sind jetzt gerade fünf Jahre, daß ich auf einer ähnlichen Reise wie diese in eine Dorfschule trat und das schöne Zinzendorfsche Lied in jener rhythmischen Form singen hörte, darin Sie's eben vernommen haben. In dieser Form wirkte das längst Bekannte wie neu auf mich und riß mich nicht nur fort durch seine Kraft und Innigkeit, sondern veranlaßte mich auch, es nach meiner Rückkehr in einem mir zu Gebote stehenden Fachblatte zu veröffentlichen. Ich weiß, daß es seitdem vielfach Eingang gefunden hat; hier aber trat es mir zum ersten Male wieder lebendig entgegen und bestätigte mir die Lehre: Man streue nur gute Körner aus und sorge nicht, was aus ihnen wird; irgendwo gehen sie auf, und wenn es im stillsten Winkel des Spreewalds wäre.«
Die Sonne neigte sich und mahnte zum Aufbruch. Noch reizende Partien kamen, aber der Höhepunkt des Festes lag hinter uns.
In Dorf Leipe, das wir auf unserem Rückweg passierten, trafen wir hauptstädtische Gesellschaft, die der wachsende Schönheitsruf des Spreewaldes herbeigelockt hatte. Wir schlossen uns ihnen an, und Boot an Boot ging es nunmehr wieder auf Lübbenau zu. Wort und Lachen klang herüber und hinüber, und ein kalter Grog, der, als die Sonne nieder war, aus Rum und Spreewaldwasser gebraut wurde, hielt die Kühle des Abends von uns fern. Aber nicht auf lange; Plaid und Paletot forderten endlich ihr Recht, und lautlos glitten die beiden Boote nebeneinander her. In die Stille hinein klang nichts mehr als der taktmäßige Ruck der Ruder und das leise Plätschern des Wassers.
Es schlug zehn von dem am Abendhimmel aufdunkelnden Turm, als wir im Schatten der Lynarschen Parkbäume wieder anlegten. Der »Braune Hirsch« nahm uns eine Viertelstunde später in seine gastlichen Betten auf, Bootführer Birkig aber ging seinem Dienste nach, um mit Horn und Spieß für Lübbenau und seine Spreewaldgäste zu wachen.
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Zwischen Spreewald und Wendischer Spree
Eine Osterfahrt in das Land Beeskow-Storkow
Arm oder reich,
Im ersten und letzten ist es gleich,
Und wo zwei Hütten zusammenstehn,
Gab es Lieb und Haß und – ist was geschehn.
Zwischen dem Spreewald und der Wendischen Spree (der Dahme) liegt das Land Beeskow-Storkow, ein wenig gekannter Winkel, der nichtsdestoweniger seine Schönheit und seine Geschichte hat. Beiden beschloß ich nachzugehen und wählte dazu die Woche vor Ostern, eine Zeit, in deren greller, oft schattenloser Beleuchtung ich die märkische Landschaft noch nicht gesehen hatte. Von den alten Familien dieses ehemalig lausitzischen Landesteiles interessierten mich am
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