Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow
Raum ist wahrscheinlich älter und empfängt so wenig Licht, daß man eine Kerze anzünden muß, um irgend etwas sehen zu können. Alles, was mehr in Front liegt, ist hell und geräumig. Beide Teile haben übrigens das gemeinsam, daß die darin aufgestellten Toten zu Mumien werden. Die hintere Gruftkammer beherbergt nur einen einzigen Sarg, in dem vorderen Gewölbe dagegen befinden sich einundzwanzig Särge, von denen vierzehn zur Linken und sieben zur Rechten stehen; dazwischen ein Gang. In den vierzehn Särgen zur Linken sind Mitglieder der Familie Viereck (darunter der Minister und seine beiden Frauen) beigesetzt, die sieben Särge zur Rechten aber umschließen Mitglieder der Familie Voß.
Wodurch die Mumifizierung erfolgt, ist noch nicht aufgeklärt. Vielleicht ist es die Trockenheit und mehr noch eine beständige leise Bewegung der Luft, was diese Erscheinung hervorruft. Die mumifizierten Körper sehen weiß aus, sind verhältnismäßig wenig eingedörrt und zeigen noch eine gewisse Elastizität von Haut und Fleisch. Der hier zuletzt Beigesetzte ist der Staatsminister Otto Karl Friedrich von Voß. In den Sargdeckel ist eine Metalltafel eingelegt, die einfach die Namen und Daten (geboren den 8. Juni 1755 etc.) gibt. Es ist dies derselbe Otto Karl Friedrich von Voß, der zur Zeit der Hardenbergschen Verwaltung, insonderheit aber in den Jahren, die den Befreiungskriegen folgten, aufs entschiedenste die Prinzipien und Interessen einer konservativen Politik vertrat. Unmittelbar nach dem Tode Hardenbergs wurde Voß Präsident des Staatsrats und des Staatsministeriums. Er überarbeitete sich, erkältete sich während einer Feuersbrunst, die gerade damals in Buch ausbrach, und zog sich einen Rückfall zu, als er nach längerer Zeit wieder seinen ersten Vortrag beim Könige hielt, zu dem er nicht anders als in Schuhen und Strümpfen hatte gehen wollen . Sein Tod war die Folge davon. Er starb am 30. Januar 1823.
Der schwere eichene Sarg, der sich in dem älteren , lichtlosen Gewölbe befindet, steht gemeinhin offen. Der danebenliegende Deckel ist mit einer Unmenge von schwarzen Nägelchen beschlagen, die sich bei näherer Untersuchung zugleich als Inschrift des Sarges erweisen. Die Entzifferung ist aber so schwierig, daß ich nur für annähernde Richtigkeit bürgen kann. Die Inschrift lautet: »Der hoch-hochwohlgeborne Herr, Herr Gerhard Bernhard Freiherr von Pöllnitz, Erbherr auf Reschau in Preußen, auf Buch, Karow und Birkholz in der Mark, kurfürstlich brandenburgischer Geheimer Kriegsrat, General-Wachtmeister und Oberstallmeister, Oberster im Dragonerregiment Mörner, residierte in Berlin, Cölln und Friedrichswerder; geboren 1617, gestorben den 2. August 1679.« Der völlig mumifizierte Körper, der am ehesten einem mit einer elastischen Ledermasse überzogenen Skelette gleicht, ist völlig unbekleidet und nur mit einem graumelierten Domino zugedeckt, an dem noch Hunderte von aufgenähten Silberschuppen glitzern. Der Schädel ist groß und prächtig geformt, das Gesicht aber klein und auf feine Formen deutend. Die Stirn zeigt eine Fraktur des Schädelknochens, wie es heißt, infolge eines Säbelhiebes, den der Freiherr in einer der Schlachten des Dreißigjährigen Krieges empfing. Das Nasenbein ist lädiert. Das geschah bei folgender Gelegenheit. Die Franzosen, kurze Zeit nach der Jenaer Schlacht, kamen auch nach Buch und drangen in die Kirche. Voll Übermut schleppten sie den Mumienkörper des Freiherrn aus der Gruft nach oben und begannen allerlei frivole Spiele mit ihm. Bei der Gelegenheit fiel er um und brach das Nasenbein. 4) In der Tat, es ist ein mehr denn fragliches Glück, in dieser Form der Nachwelt erhalten zu werden, und wir begreifen völlig diejenigen Mitglieder der Voßschen Familie, die sich ein Begrabenwerden in »ihrer Mumiengruft« eigens verraten. Gerhard Bernhard von Pöllnitz ist übrigens nicht, wie gelegentlich geschieht, mit dem Touristen, Kammerherrn und Memoirenschreiber Karl Ludwig von Pöllnitz zu verwechseln, den Friedrich der Große durch die Worte: »ein infamer Kerl, dem man nicht trauen muß; divertissant beim Essen, hernach einsperren«, zu charakterisieren versucht hat und dessen Memoiren gegenüber es doch wahr bleibt, »daß sie leichter zu tadeln als zu entbehren sind«. Gerhard Bernhard von Pöllnitz war der Großvater des Memoirenschreibers und, wie es sich für einen General und Oberstallmeister geziemt, mehr ausgezeichnet mit dem Degen als mit der Feder.
Ein
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