Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow
bedroht ist. – Der König klagte mir, meine Nichte behandle ihn schlecht; er sei fast mit ihr brouilliert; aber dennoch spricht er leider immerfort mit ihr. – Er saß allein mit ihr im Cabinet der alten Königin; sie scheint in Wahrheit nicht mehr sehr grausam zu sein; das empört mich, und Gott allein weiß, wie unglücklich und trostlos ich über diese Sache bin. – Sack predigte heute schön, aber schwermütig. Die Sache mit Julie und die Wendung, die sie nimmt, zehrt an ihm. – Heut war Hofkonzert. Der König verließ das Konzert, um zur kranken Prinzessin zu gehen, weil meine Nichte dort war. Diese Leidenschaft läßt ihn alles andere vergessen und jede Rücksicht verlieren. – Das Benehmen des Königs ist unverzeihlich. Immer verfolgt er sie mit den Augen und spricht nur mit ihr . Es wäre besser, sie verließe auch jetzt noch den Hof. – Gott weiß, bis zu welchem Grade es mich bekümmert und grämt, den König auf dem direkten Wege zu einem so großen Unrecht zu sehn, zu einem Unrecht, das unsere Familie überdem so entehrt. – Heute kam nun endlich, was ich lange gefürchtet hatte: meine Nichte warf sich in meine Arme, um mir zu sagen, daß ihr Schicksal entschieden sei; sie wolle dem König angehören, aus Pflicht für ihn und aus Liebe zu ihm. Ich gesteh, ich finde sie so furchtbar zu beklagen, daß ich kein Wort mehr habe, sie zu verdammen; sie wird bald genug namenlos unglücklich sein, denn ihr Gewissen wird sie nie mehr Ruh und Frieden finden lassen.«
So zogen sich die Dinge noch eine Weile hin. In den Tagebuchblättern immer dieselben Klagen. Eine Zeitlang spielte der König den Gleichgültigen oder war es wirklich, und ein Eifersuchtsgefühl, das dadurch in des Fräuleins Seele geweckt wurde, beschleunigte den Liebesroman. Sie zeigte sich von dieser Zeit an weniger ablehnend und drang nur noch auf Erfüllung einzelner Bedingungen. Diese Bedingungen waren: die regierende Königin gibt ihre schriftliche Einwilligung zu der Verbindung; zweitens Antrauung zur linken Hand, und drittens, die Rietz samt ihren Kindern verläßt Berlin für immer. In die beiden ersten Punkte willigte der König sofort, aber den dritten Punkt wollt er nicht zugestehn. Die Rietz blieb. Am 25. oder 26. Mai 1787 erfolgte die Trauung zur linken Hand und wurde wahrscheinlich durch Johann Friedrich Zöllner, damals Diakonus an Sankt Marien, in der Charlottenburger Schloßkapelle vollzogen. 4)
1787
» Juni 87. Meine Nichte sagte mir heute unter Tränen, seit acht Tagen sei sie mit dem Könige heimlich getraut , bat mich aber, es zu verschweigen. Es betrübt mich tief, und ich kann mich mit dem besten Willen eines Gefühls von Abscheu und Widerwillen gegen eine Sache nicht erwehren, die so unerlaubt ist, man mag an Scheingründen dafür angeben, was man will. Ihr Gewissen wird es ihr schon genugsam sagen und wird nicht wieder ruhig werden. – Sie hat lange widerstanden, aber sie liebt den König leidenschaftlich, und nachdem sie ihm ihr Herz gegeben hatte, ließ sie sich vollends von ihm überreden. Trotz ihres schweren Fehltritts bleibt sie dennoch ein edler, der Achtung nicht unwerter Charakter, und ich weiß wohl, sie ist zu rechtschaffen, als daß sie nach einem solchen Fall jemals wieder glücklich sein könnte.
August 87. Der König ist nach Schlesien abgereist, und Julie sagt mir, sie wolle morgen nach Berlin, um zu kommunizieren, dann zu ihren Verwandten auf das Land gehen, von dort aus aber um ihre Entlassung bitten und nicht wiederkommen. Sie könne es nicht länger aushalten, auf diese Art weiterzuleben. Ebendasselbe hat sie dem Könige geschrieben. – Julie reiste heut ab, was mich sehr ergriff. – Sie schreibt, daß sie sich eine Stiftsstelle kaufen wolle, und bittet um vierzehn Tage Nachurlaub. Die alte Königin weiß nicht, was sie davon denken soll. Trotz allem Vorgefallenen ahnt sie nichts. – Ich sah heute Julie in Berlin; sie hatte Antwort vom König, der sehr zufrieden damit ist, daß sie den Hof verlassen will. Aber das Ganze bleibt doch schrecklich traurig, und das arme Kind jammert mich sehr. – Ich fürchte, die Encke (Rietz-Lichtenau) wird Julie noch viel Kummer bereiten. Julie ist heute mit ihren Verwandten aufs Land abgereist. Am Hof ahnt man nicht, daß sie nicht wiederkommt.
September 87. Ein heut eingetroffner Brief meiner armen Nichte an die Königinwitwe bittet um ihren Abschied und sagt: »sie habe eine Stelle im Stift Wolmirstedt gekauft«. Die Königin gewährte die Entlassung
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