Wanderungen durch die Mark Brandenburg
vorbei. Die Offiziere
schwiegen, vier alte Soldaten aber fielen dem König
in den Zügel, umfaßten seine Knie und flehten um
die verlorne Gnade. ›Ja, Kinder, ihr sollt sie wieder
haben, und alles soll vergessen sein!‹ Noch am sel-
ben Tage erhielten die Soldaten ihr Seitengewehr
und die Offiziere ihre Tressen zurück.
Die Schlacht bei Liegnitz hatte nur zwei Stunden gedauert.1) Um fünf Uhr früh war alles vorüber. Um neun Uhr marschierte bereits die ganze Armee den
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Russen unter Tschernyschew entgegen. Noch am
selben Tage wurden drei Meilen zurückgelegt.«
Archenholz, dem die vorstehende Schlachtschilde-
rung im wesentlichen entlehnt ist, tut des Regimen-
tes Prinz Ferdinand – dessen glänzende und aus-
schlaggebende Beteiligung an der Liegnitzer Affaire
historisch feststeht – nicht Erwähnung. Überhaupt gehört unser Ruppiner Regiment nicht zu denen, die
seitens dieses trefflichen Geschichtsschreibers (des-
sen Darstellung des Siebenjährigen Krieges ich bei
dieser Gelegenheit erneut mit dem allergrößten Inte-
resse gelesen habe) bevorzugt worden sind. Die Re-
gimenter Itzenplitz und Manteuffel, Schwerin und
Winterfeldt, Prinz Heinrich und Anhalt-Bernburg, vor
allem das Regiment Forcade werden wiederholentlich
genannt, auch andere noch, aber dem Regiment
Prinz Ferdinand ist nicht eine Zeile gewidmet. Die
Billigkeit erheischt, hinzuzusetzen, daß mit Ausnah-
me der Liegnitzer Schlacht die Aktion des Regiments
nirgends eine hervorragende gewesen zu sein
scheint. 1761 war es noch in Polen und Pommern,
namentlich vor Kolberg, tätig; 1762 nahm es an der
Belagerung von Schweidnitz teil. Dann kam der Frie-
den. Über das Garnisonleben, das nun eintrat, sprech
ich erst weiterhin, davon ausgehend, daß die Formen
dieses Lebens nach der Rheincampagne nicht we-
sentlich anders waren als nach dem Siebenjährigen
Kriege.
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1. Am hundertjährigen Gedächtnistage der
Schlacht bei Liegnitz ist auf einem Höhenzuge
in der Nähe des Dorfes Panthen – wie es
heißt, an ebender Stelle, wo sich der König
während der Schlacht aufhielt – eine Erinne-
rungssäule errichtet worden. Sie ist von Gra-
nit, trägt zunächst einen Teller, auf diesem
ein Kapitell in Form eines umgestülpten Top-
fes und auf dem Kapitell einen Adler von ge-
ringer Schönheit. Das Ganze mehr gut gewollt
als gut getan. Die Inschrift lautet: »Zur Erin-
nerung an den 15. August 1760.« Dorf Panthen liegt links in der Tiefe; nach rechts hin
ein Wäldchen, das schon in der Schlacht –
wiewohl keiner der jetzt darin wachsenden
Bäume bis 1760 zurückreicht – eine Rolle ge-
spielt haben soll. – In Entfernung einer Meile
nach Osten zu zieht sich ein gegenübergele-
gener, die ganze Gegend beherrschender Hö-
henzug, auf ihm Schloß und Kirche von Wahl-
statt, letztere ein prächtiger Rokokobau,
weithin sichtbar und wie der point de vue, so
zugleich auch die Hauptzierde der Umgebung
von Liegnitz.
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Das Regiment Prinz Ferdinand
während der Rheincampagne 1793
und 1794
1792 war das Regiment mit unter den Truppen, die
am 19. August, 42 000 Mann stark, die französische
Grenze überschritten und etwa drei Wochen später in
die Champagne einrückten. An der Spitze des Re-
giments stand damals Oberst von Koschitzky1), der
wahrscheinlich schon aus der Zeit des Siebenjähri-
gen Krieges her dem Regiment angehörte. Wenigs-
tens find ich in der ältesten mir bekannt gewordenen
Rangliste: »Zustand der preußischen Armee, 1778«,
von Koschitzky als ältesten Capitain.
Sehr wahrscheinlich war das Regiment mit bei Valmy
(20. September 1792), doch fehlen in den Aufzeich-
nungen, die mir darüber zugänglich waren, alle be-
stimmteren Angaben. Erst 1793, während des ei-
gentlichen Rheinfeldzuges, geschieht des Regimentes
speziell Erwähnung. Es war bei der Kanonade von
Ginsheim, später bei der Blockade und Belagerung
von Mainz. Die Erstürmung der Zahlbacher Schanze
und nach der Übergabe von Mainz die zweimalige
Wegnahme des Kettricher Hofes geschah durch das
Regiment, welches auch bei der Diversion in die Vo-
gesen die Avantgarde machte. Das 2. Bataillon ver-
trieb den Feind vom Igelberge bei Lembach.
1794 wurde die Leibcompagnie des Regiments »auf
dem Sande« von einem weit überlegenen Feinde
angegriffen, hielt aber das Feuer desselben mehrere
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Stunden lang standhaft aus, ohne ihren Posten zu
verlassen. Das ganze Regiment war bei dem Angriff
auf
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