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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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allgemeinen
    Interesses. Es gehörte, wie die Hinrichtungen, zu
    den derberen Volkslustbarkeiten. Das Bedürfnis nach
    Sensation, das jetzt in »Armadale« oder in dem
    »Vermischten« unserer Zeitungen seine Nahrung

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    findet, fand damals in den Hergängen des Lebens
    selbst seine Befriedigung. Es liegen uns ganz minuti-
    öse Schilderungen vor, wie nun die Prozedur einge-
    leitet und seitens des Profoses die von ihm geschnit-
    tenen Ruten – um derentwillen er der »Regiments-
    Federschneider« hieß – an die in der Gasse stehen-
    den Soldaten verteilt wurden. Aber wir leisten auf
    Wiedergabe dieser häßlichen Dinge Verzicht und er-
    freuen uns lieber an humoristischen Zügen, die nicht
    minder aus den Zeiten jenes militärischen Terroris-
    mus berichtet werden. Aus allen geht hervor, daß
    man nicht sonderlich eingeschüchtert war und immer
    noch Muße fand zu Übermut und guter Laune. Selbst
    zu Wortspielen.
    Einer der Soldaten hieß Winter. Es war um die Zeit,
    wo das Tauwetter begann, und die Eiszapfen schmol-
    zen bereits an den Dächern. Winter, der sich schlüs-
    sig gemacht hatte, die nächste Nacht zu entspringen,
    sah seinen Hauptmann im Fenster liegen, der sich,
    rauchend, der Märzensonne freute. Winter grüßte
    hinauf und rief: »Herr Hauptmann, ich glaube, der
    Winter geht ab.« – »Das glaub ich auch.« Und am
    andern Morgen war Winter fort. Er war über den ge-
    frorenen See nach Wuthenow hin entkommen.
    Ein anderer verkleidete sich als Schornsteinfeger. In
    rußiger Kleidung, eine schwarze Leiter auf der Schul-
    ter, den Besen in der Hand, war er glücklich zum Tor
    hinausgekommen und schritt gradeswegs auf das
    Mecklenburgische zu. Da kam ihm, zu weiterem
    Glück, ein Netzebander Bauer nachgefahren und
    fragte: »Schornsteinfeger, wohin?« – »Nach Netze-

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    band, da brennt ein Schornstein, den ich löschen
    soll.« – »Das ist am Ende bei mir.« – »Kann wohl
    sein.« Und der Bauer ließ nun den vermeintlichen
    Schornsteinfeger aufsteigen und jagte auf Netzeband
    zu, wo sich der Gerettete für gute Fahrt freundlich
    bedankte.
    Sehr ansprechend ist die folgende kleine Geschichte,
    mit der wir diesen Teil des Kapitels schließen wollen.
    Ein Mann, der später als Lehrer und Oberküster eine
    bekannte Persönlichkeit in Neuruppin war, gehörte in
    seiner Jugend ebenfalls dem Regiment Prinz Ferdi-
    nand an. Er war verlobt und wünschte sich zu verhei-
    raten, da man aber (weil er zu den Bevorzugten
    zählte) seines Bleibens im Regiment ohnehin sicher
    zu sein glaubte, wurd ihm seitens des Obersten der
    unerläßliche Konsens verweigert. Die Folge davon
    war: Desertion. Und so schritt denn unser Freund auf
    Netzeband zu und hatte den halben Weg bereits
    glücklich zurückgelegt, als er das Prusten von Pfer-
    den hinter sich hörte und gleich darauf einen Wagen
    neben sich sah, in dem, in höchsteigener Person, der
    gestrenge Herr Oberst saß. »Wohin?« fragte dieser.
    »Nach Netzeband; ich will mir Tuch kaufen.« – »Da
    will ich auch hin; setz dich nur auf den Bock.« Und
    so fuhr denn der Oberst den Deserteur nach Netze-
    band hinein. Als sie vor dem Kruge hielten, sprang
    der Soldat vom Wagen, trat an den Kutschenschlag
    und sagte: »Herr Oberst, ich melde mich als Deser-
    teur.« Der Oberst wetterte nun durch alle Register
    durch, legte sich aber endlich aufs Kapitulieren.
    »Was hilft's! stell deine Bedingungen.« – »General-
    pardon, Herr Oberst, und den Konsens, zu heiraten.«

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    – »Beides sollst du haben; steig nur wieder auf.«
    Und so geschah es. Er kam mit seinem Obersten, als
    ob nichts vorgefallen wäre, nach Ruppin zurück und
    empfing, ohne vorgängige Strafe, die gewünschte
    Heiratserlaubnis.

    1. Im Feldzuge von 1806, über den wir weiterhin
    ausführlicher sprechen, wird sein Name oft
    erwähnt. Er kommandierte eine Brigade im
    Rüchelschen Corps, nahm aber, laut Ordre in
    Weimar zurückbleibend, an der Schlacht bei
    Jena nicht teil. Am 21. Oktober, als unsre ge-
    schlagene Armee sich in und um Magdeburg
    gesammelt hatte, wurde General von
    Tschammer mit Führung einer Division be-
    traut. Diese Division marschierte in der Ho-
    henloheschen Hauptkolonne und bestand aus:
    Brigade Böhmken: Grenadierbataillone Bor-
    cke, Dohna, Losthin, Gaudi, Osten, und aus
    Brigade Elsner: Grenadierbataillon Hahn,
    1. Bataillon Arnim, Regiment Hohenlohe, Re-
    giment Braunschweig und Reste des Re-
    giments Winning. Alle diese Truppen, neben
    andren (vergleiche

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