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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Kapitulations-
    paragraphen, in die Gefangenschaft abgeführt.
    Ruhmlos war das Ende. Das Schicksal des Ganzen
    bestimmte das Los des einzelnen. Ein Gericht vollzog
    sich, zu groß, zu gewaltig, als daß sich die Krittelei
    der Menschen, tadelnd oder besserwissend, daran
    versuchen sollte. Dennoch bleibt wahr, was General
    von der Marwitz in seinen Memoiren über Pasewalk
    und Prenzlau geschrieben hat: »Diese Kapitulationen
    gaben das Signal zu allem, was folgte; sie recht eigentlich überlieferten die Festungen. ›Der König hat
    keine Armee mehr, was helfen ihm noch einige Städ-
    te‹, so dachte jeder pflichtvergessene Kommandant.
    Die Kapitulationen pflanzten den Kleinmut in alle
    Herzen, streuten die Vorstellungen von Verrat unter
    das Volk und verbreiteten den jede Tatkraft lähmen-
    den Gedanken, ›daß doch alles verloren‹ sei. Wie eine große mannhafte Tat fortwirkend Größeres erzeugt und aus Männern Helden macht, so sind auch
    umgekehrt mit der Vollbringung einer schmählichen Tat deren Folgen nicht abgeschlossen, sie bleibt verdammt, fortwährend Mattes und Schwaches zu er-

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    zeugen, wirkt wie ein schleichendes Gift und macht
    Männer zu Weibern.«

    1. Die beiden Grenadiercompagnien des Re-
    giments nahmen ihre Richtung auf Erfurt.
    Dort haben sie wahrscheinlich am 16. Oktober
    schon mitkapituliert.

    Nachspiel
    Die Trümmer des Regiments Prinz Ferdinand hatten
    bei Pasewalk kapituliert und wurden in größeren und
    kleineren Trupps in die Gefangenschaft abgeführt.
    Viele befreiten sich unterwegs, und ihre Erzählungen
    bildeten, bis die Ereignisse des Jahres 1813 dazwi-
    schentraten, die Lieblingsunterhaltung auf der Bier-
    bank und am häuslichen Herd. Manches davon hat
    Prediger Heydemann in seinem schätzenswerten Bu-
    che »Neuere Geschichte der Stadt Ruppin« aufge-
    zeichnet.
    »Einer«, so erzählt Heydemann, »hatte darauf ge-
    rechnet, daß die Gefangenen von Pasewalk über Ber-
    lin geführt werden würden. Dort gedachte er zu ent-
    springen und bei seiner Schwester Zuflucht zu su-
    chen. Aber die Gefangenen, von französischen Chas-
    seurs transportiert, mußten über Templin, Oranien-
    burg und Potsdam marschieren. Kurz vor Potsdam

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    wurden sie von Nassau-Usingern und Hessen-
    Darmstädtern übernommen, die sehr streng mit ih-
    nen verfuhren. Man las ihnen vor, daß jeder Gefan-
    gene, der auf der Flucht ergriffen würde, ohne weite-
    res die Kugel vor den Kopf bekäme, und so geschah
    es auch bei Wittenberg, wo zwei wieder eingefange-
    ne Flüchtlinge vor der Front erschossen wurden.
    Meistens mußten die Gefangenen nachts unter frei-
    em Himmel liegen, ihr Schuhzeug war zerrissen. In
    Fulda (human genug) wurden 200 Paar Schuhe ver-
    teilt. An ebendiesem Ort erkrankte auch der Gefan-
    gene, über dessen Schicksal ich hier berichte. Er
    beschloß, trotz Krankheit, weiter mitzumarschieren
    und die nächste Gelegenheit wahrzunehmen. Und
    diese fand sich denn auch. In Steinau wurd er mit
    seinen Mitgefangenen in die Kirche gesperrt, in die
    bald danach ein alter Mann eintrat, um ihnen Essen
    zu bringen. Den bat er ohne weiteres, ihn zu befrei-
    en. ›Wes Glaubens bist du?‹ – ›Lutheraner.‹ – ›Gut
    dann will ich dir helfen. Ich habe sieben Kinder; wer
    weiß, wer ihnen einmal hilft.‹ Und er bracht ihm
    wirklich alte Kleidungsstücke, die der Gefangene bei
    Dunkelwerden anzog und in denen er gleich danach
    unter eine Bank kroch, um von den Aufpassern nicht
    erkannt zu werden. Da lag er denn in bitteren Ängs-
    ten die Nacht hindurch und nahm seine Zuflucht zum
    Gebet. ›Befiehl du deine Wege‹, sagte er zu allen
    seinen Versen zu vielen Malen vor sich her, bis er
    Trost und Ruhe darin fand. Und endlich brach der
    ersehnte Morgen an. Da kam, samt andern Leuten,
    auch der alte Mann wieder, mit zwei Töpfen in der
    Hand, als wenn er dem Gefangenen etwas zu essen
    bringen wolle. Die Töpfe waren aber leer. Er gab sie

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    nun dem umgekleideten Soldaten, und dieser ging
    unerkannt zur Kirche hinaus. Erst acht Tage nach
    Ostern traf der auf diese Weise glücklich Entkomme-
    ne wieder in Ruppin ein. Ein volles halbes Jahr war
    seit dem Kapitulationstage vergangen.«
    Der Rest der Gefangenen passierte den Rhein und
    wurde zum größten Teil in und um Nancy interniert.
    Andere sahen sich bis in die Pyrenäen geschleppt
    und da keine Nachrichten von ihnen eintrafen, schuf
    ihr Schicksal Sorge und Ungewißheit in vielen Her-
    zen. Auch äußere Not blieb nicht aus,

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