Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Bitten, auch nicht, daß
    scharf druntergefuchtelt wurde. Ich meinerseits ließ
    mich in meiner jugendlichen Ekstase zu einem Fuß-
    fall verleiten. Erfolgloses Bemühen! Einem sechzehn-
    jährigen Tambour unsres 1. Bataillons war es endlich
    vorbehalten, die Ordnung wieder herzustellen. Er
    sprang aus dem verworrenen Knäul heraus und
    schlug, ganz allein vorgehend und aus Leibeskräften,
    mit einem Trommelstocke den Sturmmarsch. Das half! Unser Bataillon machte Front, und das verlorene Terrain ward um so leichter wiedergewonnen, als
    der Feind, in Befürchtung eines diesseitigen Kavalle-
    rieangriffs, überhaupt gar nicht gefolgt war. Major
    von Othegraven vom brandenburgischen Infanterie-
    regiment (jetzt Nr. 12) hat diese Handlung des Tam-
    bours, unmittelbar nach der Schlacht, als Zeuge zur
    Sprache gebracht. Der Lohn des Tapferen war das
    Eiserne Kreuz. Seinen Namen hab ich vergessen,
    aber er selbst lebt in meiner Erinnerung als ein
    Hauptheld des Tages fort.
    Mit dem Dunkelwerden war auf dieser Seite von
    Leipzig der Sieg erfochten, und General von Horn
    ließ das Leibregiment einen großen Kreis schließen
    und einige Hautboisten ›Nun danket alle Gott!‹ bla-
    sen. Da die Brigaden ganz nahe beieinander standen

    360
    und die Gewehre zusammengesetzt hatten, während
    es bei den Vortruppen immer noch knallte, so dräng-
    te sich alles zusammen, und ich werde den ungeheu-
    ren Eindruck nie vergessen, den es auf die Herzen
    aller Anwesenden hervorbrachte, als der General,
    nachdem das Lied verklungen war, sich mit uns allen
    auf die Knie warf und entblößten Hauptes ein lautlo-
    ses Gebet verrichtete.
    Das war ein freiwilliger Gottesdienst!
    Nachdem die Bivouacs für die Nacht bezogen waren,
    wurd Appell gehalten – ein trauriger Appell! Wir hat-
    ten wohl zwei Drittel unserer Leute eingebüßt. Unser
    vortrefflicher Regimentskommandeur, Major von
    Laurens, war, an der rechten Hand schwer verwun-
    det, zurückgebracht worden. Major von Pfindel, ein
    lustiger, mitten in der Schlacht singender Stabsoffi-
    zier, war zum Tode getroffen und starb bald nachher
    in Halle.
    Am Bivouacsfeuer wurde verzehrt, was jeder bei sich
    führte. Dann ruht ich ungestört bis zur Reveille, wo-
    bei mir und einem andern Kameraden der halbnackte
    Leichnam eines französischen Offiziers als Kopfkissen
    diente.
    Der Morgen des 17. Oktober war regnicht und kalt.
    Jeder Lebende und Gesunde freute sich aber dan-
    kend seines Daseins, und das Frühstück – schwarzer
    Kaffee mit Rum – mundete herrlich. Das halb ver-
    schimmelte Kommißbrot schmeckte wie Marzipan.

    361
    Der alte Hünerbein ging mit uns auf dem nahe gele-
    genen Schlachtfeldterrain umher und wendete mit
    seinem Krückstock die schon ihrer Kleider beraubten
    Leichen von Freund und Feind um, wenn sie, wie
    gewöhnlich, auf dem Bauche lagen und mit ihren
    Zähnen ins Gras gebissen hatten. Und hier war es
    auch, wo wir die erschütternde Szene erlebten, daß
    unser Premierlieutenant von Kessel seinen getöteten
    Bruder vom brandenburgischen Regiment erkannte
    und ihn durch Soldaten unseres 1. Bataillons in ein
    Grab verscharren ließ.«
    So Oberst Goßlar über den »Tag von Möckern«, den
    er als junger Offizier mitgemacht hatte.
    Die Verluste waren enorm, selbst die von Vionville
    und St-Privat verschwinden daneben. Sie stellten
    sich wie folgt: 1. Bataillon, 415 Mann stark, ver-
    lor 235; 2. Bataillon, 513 Mann stark, verlor 387;
    3. Bataillon, 389 Mann stark, verlor 136. Gesamtver-
    lust, einschließlich von 15 Freiwilligen Jägern,
    773 Mann. Dazu 12 Offiziere. Major von Laurens
    (schwer verwundet) erhielt das Eiserne Kreuz
    1. Klasse. Nur 559 Mann stark zog unser Regiment
    dem Rheine zu. Es wuchs aber unterwegs.

    1. Bei diesem Vorbrechen unserer beiden Batail-
    lone litten dieselben außerordentlich durch
    Gewehrfeuer, das sie von links her empfin-
    gen. Am Fuße des Abhangs, hart an der Wü-
    tenden Neiße und durch Buschwerk dem Bli-

    362
    cke nahezu entzogen, steckten feindliche Ti-
    railleurs. Gegen diese warf sich aus eignem
    Antriebe Lieutenant von Gaza mit dem 4. und
    5. Zuge seines 3. Bataillons, vertrieb sie und
    setzte sich seinerseits in den Büschen fest.
    Hier befand er sich nunmehr auf ebendem
    Terrain, auf dem eine Stunde später die Rei-
    terschlacht hin und her wogte. Erst von preu-
    ßischer Kavallerie niedergeritten, sah er sich
    plötzlich mit seinen Leuten unter den Säbeln
    siegreich vordringender französischer Husa-
    ren. Er suchte die

Weitere Kostenlose Bücher