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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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wollen,
    daß der Prinz nur ein Pedant und trotz aller seiner
    Korrektheit oder vielleicht auch um dieser willen
    nicht imstande gewesen sei, das wirkliche Genie zu begreifen.
    Die Nachmittags stunden gehörten zunächst dem Diner. Man aß zur Winterzeit im Schloß, während des
    Sommers aber, sooft es das Wetter erlaubte, im

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    Freundschaftstempel oder auf der Remus-Insel. Der
    Prinz war persönlich außerordentlich mäßig, und eine
    gebackene Speise, wie sie sein Bruder liebte: Makka-
    roni, Knoblauchsaft und Parmesankäse, hätt ihn ein-
    fach getötet. Wie er die Frauen nicht liebte, so auch
    nicht den Wein, aber er war billig denkend genug,
    seinen Privatgeschmack nicht zum allgemeinen Ge-
    setz zu machen, und seine Küche wie sein Keller lie-
    ßen niemanden darben. Die Unterhaltung, wenn-
    gleich innerhalb gewisser Formen verbleibend, wie
    sie die Gegenwart eines Prinzen und noch dazu eines
    solchen erheischte, war doch innerlich vollkommen frei. Von Krieg und Kriegführung wurde selten gesprochen; es schien als etwas zum Metier Gehöriges
    verpönt. Er war sehr eitel, und stilvolle Huldigungen, auch solche, die dem »siegreichen Feldherrn« galten,
    nahm er gern entgegen, aber er war andererseits
    viel zu vornehm, um das Gespräch auf seine Taten
    und Siege hinzulenken. Daß er Unterhaltungen der
    Art vermieden wünschte, sprach sich schon darin
    aus, daß niemand in Dienstkleidung (Uniform) erscheinen durfte; Hof- oder Gesellschaftskleid war
    Vorschrift. Das Gespräch drehte sich um Fragen der
    Kunst und Wissenschaft, um philosophische Kontro-
    versen und Dinge der Politik. Über letztere sprach er
    mit großer Freimütigkeit, mißbilligte beispielsweise
    den endlich zu dem Frieden von Basel führenden
    Krieg Preußens gegen Frankreich und zeigte bis zu-
    letzt gewisse Sympathien mit der Französischen Re-
    volution. Ob diese Sympathien (so bemerkt Heinrich
    von Bülow) in wirklicher Vorliebe für freie Staatsver-
    fassungen wurzelten oder nur ein Resultat der An-
    schauung waren, »daß alles Französische gut sei, 458
    auch eine französische Revolution«, mag dahinge-
    stellt bleiben. In ähnlich offner Weise nahm er Partei
    für die Polen, und dieselbe Teilung, zu deren Vollzie-
    hung er als gehorsamer Diener seines Königs am
    Hofe Katharinas mitgewirkt hatte, hielt er nichtsdes-
    toweniger weder für ein Meisterstück der Politik noch
    für eine Handlung der Gerechtigkeit. Mit besonderer
    Vorliebe wurden metaphysische Sätze beleuchtet und
    diskutiert, und alle jene wohlbekannten Fragen, auf
    deren Lösung die Welt seitdem verzichtet hat, wur-
    den unter Aufwand von Geist und Gelehrsamkeit und
    mit Zitaten pro und contra immer wieder und wieder
    durchgekämpft.
    Dem Diner folgte, wenn auch nicht täglich, so doch
    so oft wie möglich, Theater oder Konzert. Über die
    Stücke, die zur Aufführung kamen, hab ich nichts
    Bestimmtes erfahren können, aber es scheint fast,
    als ob Voltaire, wie den Kreis der Anschauungen und
    Unterhaltungen, so auch die Bühne beherrscht habe.
    Gleicherweise wie die Namen der Stücke sind auch
    die der Künstler, die darin mitwirkten, bis auf wenige
    verschollen; Blainville, der Liebling des Prinzen, De-
    moiselle Toussaint, eine Tochter oder Schwester des
    Vorlesers, Demoiselle Aurore, vor allem aber Suin
    de Boutemars sind die einzigen, die sich durch das
    eine oder andere Ereignis im Gedächtnis der Stadt
    Rheinsberg erhalten haben.
    Wir haben bis hierher den Durchschnittstag des
    Rheinsberger Hoflebens beschrieben; was ihn unter-
    brach, waren Besuche, die kamen, oder Ausflüge, die
    gemacht wurden. Noch seltener, wie schon hervor-

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    gehoben, waren Festlichkeiten. Aber auch dieser
    Ausnahme ist Erwähnung zu tun.
    Auf Besuch kamen Prinz Ferdinand, Prinzeß Amalie,
    vor allem Prinz Louis Ferdinand, der die besondre
    Freude seines Oheims und zugleich die Hoffnung
    desselben war. An diese fürstlichen Besuche schloß
    sich der Besuch derer, die früher in dienstlichen Be-
    ziehungen zum Prinzen gestanden hatten, Namen,
    auf die wir weiterhin zurückkommen werden.
    Die Ausflüge gingen näher und weiter. Der Winter-
    aufenthalt in Berlin (im Prinz Heinrichschen Palais,
    der jetzigen Universität) ward immer mehr abge-
    kürzt, aber die Tagesfahrten und kleinen Reisen blie-
    ben bis zuletzt. Der alte Zieten in Wustrau, Frau von
    Arnstedt in Hoppenrade, Prinz Ferdinand in seinem
    Ruppiner Palais (bis 1787, wo es niederbrannte)
    wurden besucht; besonders aber galten

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