Wanderungen durch die Mark Brandenburg
wollen,
daß der Prinz nur ein Pedant und trotz aller seiner
Korrektheit oder vielleicht auch um dieser willen
nicht imstande gewesen sei, das wirkliche Genie zu begreifen.
Die Nachmittags stunden gehörten zunächst dem Diner. Man aß zur Winterzeit im Schloß, während des
Sommers aber, sooft es das Wetter erlaubte, im
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Freundschaftstempel oder auf der Remus-Insel. Der
Prinz war persönlich außerordentlich mäßig, und eine
gebackene Speise, wie sie sein Bruder liebte: Makka-
roni, Knoblauchsaft und Parmesankäse, hätt ihn ein-
fach getötet. Wie er die Frauen nicht liebte, so auch
nicht den Wein, aber er war billig denkend genug,
seinen Privatgeschmack nicht zum allgemeinen Ge-
setz zu machen, und seine Küche wie sein Keller lie-
ßen niemanden darben. Die Unterhaltung, wenn-
gleich innerhalb gewisser Formen verbleibend, wie
sie die Gegenwart eines Prinzen und noch dazu eines
solchen erheischte, war doch innerlich vollkommen frei. Von Krieg und Kriegführung wurde selten gesprochen; es schien als etwas zum Metier Gehöriges
verpönt. Er war sehr eitel, und stilvolle Huldigungen, auch solche, die dem »siegreichen Feldherrn« galten,
nahm er gern entgegen, aber er war andererseits
viel zu vornehm, um das Gespräch auf seine Taten
und Siege hinzulenken. Daß er Unterhaltungen der
Art vermieden wünschte, sprach sich schon darin
aus, daß niemand in Dienstkleidung (Uniform) erscheinen durfte; Hof- oder Gesellschaftskleid war
Vorschrift. Das Gespräch drehte sich um Fragen der
Kunst und Wissenschaft, um philosophische Kontro-
versen und Dinge der Politik. Über letztere sprach er
mit großer Freimütigkeit, mißbilligte beispielsweise
den endlich zu dem Frieden von Basel führenden
Krieg Preußens gegen Frankreich und zeigte bis zu-
letzt gewisse Sympathien mit der Französischen Re-
volution. Ob diese Sympathien (so bemerkt Heinrich
von Bülow) in wirklicher Vorliebe für freie Staatsver-
fassungen wurzelten oder nur ein Resultat der An-
schauung waren, »daß alles Französische gut sei, 458
auch eine französische Revolution«, mag dahinge-
stellt bleiben. In ähnlich offner Weise nahm er Partei
für die Polen, und dieselbe Teilung, zu deren Vollzie-
hung er als gehorsamer Diener seines Königs am
Hofe Katharinas mitgewirkt hatte, hielt er nichtsdes-
toweniger weder für ein Meisterstück der Politik noch
für eine Handlung der Gerechtigkeit. Mit besonderer
Vorliebe wurden metaphysische Sätze beleuchtet und
diskutiert, und alle jene wohlbekannten Fragen, auf
deren Lösung die Welt seitdem verzichtet hat, wur-
den unter Aufwand von Geist und Gelehrsamkeit und
mit Zitaten pro und contra immer wieder und wieder
durchgekämpft.
Dem Diner folgte, wenn auch nicht täglich, so doch
so oft wie möglich, Theater oder Konzert. Über die
Stücke, die zur Aufführung kamen, hab ich nichts
Bestimmtes erfahren können, aber es scheint fast,
als ob Voltaire, wie den Kreis der Anschauungen und
Unterhaltungen, so auch die Bühne beherrscht habe.
Gleicherweise wie die Namen der Stücke sind auch
die der Künstler, die darin mitwirkten, bis auf wenige
verschollen; Blainville, der Liebling des Prinzen, De-
moiselle Toussaint, eine Tochter oder Schwester des
Vorlesers, Demoiselle Aurore, vor allem aber Suin
de Boutemars sind die einzigen, die sich durch das
eine oder andere Ereignis im Gedächtnis der Stadt
Rheinsberg erhalten haben.
Wir haben bis hierher den Durchschnittstag des
Rheinsberger Hoflebens beschrieben; was ihn unter-
brach, waren Besuche, die kamen, oder Ausflüge, die
gemacht wurden. Noch seltener, wie schon hervor-
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gehoben, waren Festlichkeiten. Aber auch dieser
Ausnahme ist Erwähnung zu tun.
Auf Besuch kamen Prinz Ferdinand, Prinzeß Amalie,
vor allem Prinz Louis Ferdinand, der die besondre
Freude seines Oheims und zugleich die Hoffnung
desselben war. An diese fürstlichen Besuche schloß
sich der Besuch derer, die früher in dienstlichen Be-
ziehungen zum Prinzen gestanden hatten, Namen,
auf die wir weiterhin zurückkommen werden.
Die Ausflüge gingen näher und weiter. Der Winter-
aufenthalt in Berlin (im Prinz Heinrichschen Palais,
der jetzigen Universität) ward immer mehr abge-
kürzt, aber die Tagesfahrten und kleinen Reisen blie-
ben bis zuletzt. Der alte Zieten in Wustrau, Frau von
Arnstedt in Hoppenrade, Prinz Ferdinand in seinem
Ruppiner Palais (bis 1787, wo es niederbrannte)
wurden besucht; besonders aber galten
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