Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Winterfeldts, speziell mit
Rücksicht auf den hier in Rede stehenden
Punkt, muß noch erst geschrieben werden.
Soviel wird sich aber schon heute sagen las-
sen dürfen, daß die tiefe Abneigung, die, ge-
meinschaftlich mit einigen Generalen, die kö-
niglichen Prinzen gegen von W. unterhielten,
eine vollkommen berechtigte war. Aber die
Schuld trifft den König, nicht Winterfeldt. Hät-te sich der König entschließen können, die-
sem seinem Vertrauensmanne bei bestimm-
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ten Gelegenheiten ein großes Kommando zu
geben, so würde Winterfeldt in dieser seiner
Kommandostelle das Recht gehabt haben, zu
recherchieren und inspizieren, zu tadeln, zu
strafen und zu verklagen. Aber ein solches
höheres Kommando ward ihm nie gegeben, er
kam immer nur, »um im höchsten Auftrage
nachzusehen und zu berichtigen«, und das
mußte notwendig zu bitterster Feindschaft al-
ler davon Betroffenen führen.
Zwischen Boberow-Wald
und Huwenow-See
oder
Der Rheinsberger Hof von 1786
bis 1802
Bis 1786 war der Aufenthalt des Prinzen Heinrich in
Rheinsberg ein vielfach unterbrochener: Kriege, Rei-
sen und diplomatische Missionen hielten ihn jahre-
lang fern. Erst von 1786 ab gehörte er dem »stillen
Schloß am Boberow-Walde« mit einer Art von Aus-
schließlichkeit an.
Das beinah völlige Sichfernhalten von der Welt, das
nun eintrat, war nur zu kleinerem Teile des Prinzen
freie Wahl. Den großen König, seinen Bruder, hatte
er nie geliebt, aber doch respektiert, und erst nach
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dem Tode desselben war ein Wesen oder auch Un-
wesen in den Regierungskreisen eingerissen, das ihm
eine Beteiligung daran (die wie Gutheißung ausgese-
hen hätte) zur Unmöglichkeit machte. Hierzu kam,
daß man auch andrerseits , will also sagen auf seiten des Hofes, ohne ihn fertig werden zu können glaubte. Man erbat seinen Rat nicht mehr, und so gab er
ihn auch nicht mehr. Mit höchster Mißbilligung sah er
auf den Einfluß der Rietz und ihres Anhangs. »In
dieser Spelunke ist alles infame«, sprach er laut vor
sich hin, als er eines Tages an dem Palais der (späte-
ren) Gräfin Lichtenau vorüberkam. Das entschied.
Ein Prinz, der, bei sonst großer Zurückhaltung, über
die Favoritin ein solches Wort äußern konnte, gehör-te nicht mehr an den Hof und sprach dadurch seine
eigene Verbannung aus.
Die Verstimmung des Prinzen war eine so tiefe, daß
ihm Rheinsberg nicht mehr fern und abgelegen ge-
nug erschien, weshalb denn auch der Wunsch immer
lebendiger in ihm wurde, seiner Tage Rest in Frank-
reich zu verbringen. Schon 1784 hatte er sich schweren Herzens von Paris getrennt und dem Herzoge
von Nivernois die Worte zugerufen: »Ich verlasse
nun das Land, nach dem ich mich ein halbes Leben
lang gesehnt habe und an das ich, während der
zweiten Hälfte meines Lebens, mit so viel Liebe zu-
rückdenken werde, daß ich fast wünschen möchte,
ich hätt es nicht gesehn.« Nach diesem Lande seiner
Sehnsucht zog es ihn jetzt mit verdoppelter Kraft,
aber die Götter waren seinem Vorhaben nicht hold,
und es schien, daß er dem engen Kreise verbleiben
sollte, dem er seit fast vierzig Jahren, wenn auch mit
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mancher Unterbrechung, angehört hatte.
1787 machten politische Konstellationen die Über-
siedlung nicht möglich, 1788 im Juni ging er wirklich und trat auch wegen Ankaufs eines in der Nähe von
Paris gelegenen Grundbesitzes in Unterhandlungen
ein, aber ehe sie zum Abschluß gelangen konnten,
zogen die Wetter der Revolution immer drohender
herauf, und der Prinz, der sich nach Ruhe sehnte,
kehrte schweren Herzens in seine Rheinsberger Ein-
siedelei zurück.
Von da ab gehörte er derselben ganz .
Meine Aufgabe wird in folgendem darin bestehen,
den Prinzen in diesem seinem Stilleben zu schildern
und mit einiger Bestimmtheit festzustellen, in wel-
cher Art und welcher Genossenschaft er das letzte
Jahrzehnt seines Lebens verbrachte.
Diese meine Aufgabe war insoweit schwierig, als ge-
druckte Mitteilungen aus jener Epoche so gut wie gar
nicht vorliegen, aber ich genoß dafür des Vorzuges,
Personen zu begegnen, die jene letzten Prinz-
Heinrich-Tage teils noch miterleben durften oder
doch von ebendiesen Tagen wie von etwas Jüngstge-
schehenem hatten sprechen hören. Es bezieht sich
dies namentlich auf die Mitteilungen über den Major
von Kaphengst und den Grafen und die Gräfin
La Roche-Aymon.
Die Rheinsberger Kirche hat zwei Glocken aus dem
Jahre 1780. Die kleinere bedeutet
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