Wanderungen durch die Mark Brandenburg
von
Marschall), und die eingegrabenen Worte: »Rose,
elle a vécu ce que vivent les roses – l'espace du ma-
tin«, weckten im Herzen des Prinzen ein wehmütiges
Gefühl an die früh aus dem Rheinsberger Kreise Ge-
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schiedene. Nahe dabei waren die Büsten des Großen
Kurfürsten und des Prinzen selbst nebeneinander
gestellt, und französische Verse zogen Parallelen
zwischen jenem , »der ein Vater flüchtiger Franzosen ward«, und diesem , »der die Herzen aller Franzosen unter das Gesetz seiner geistigen Macht und Schönheit zu zwingen wußte«.
Die Hauptüberraschung aber brachte der Abend.
Im Rücken von Tamsel, unmittelbar hinter dem Park,
liegt eine Wald- und Hügelpartie, durch die sich ein
Hohlweg , die Straße nach dem benachbarten Zorn-
dorf, hinzieht. Sei es nun, daß dieser Hohlweg dem
Terrain, um dessen Reproduzierung es sich handelte,
wirklich ähnlich sah, oder sei es, daß man einfach
nahm, was man hatte, gleichviel, der Hohlweg war
auf Anordnung des Grafen Ludwig überbrückt wor-
den, um an dieser Stelle die Erstürmung des Passes
von Gabel, eine der glänzendsten Waffentaten des
Prinzen, noch einmal bildlich zur Darstellung zu brin-
gen. Unten standen die Tamseler und Küstriner, Kopf
an Kopf, um Zeuge des prächtigen Schauspiels zu
sein, und Feuerwerk und Leuchtkugeln erhellten die
Nacht, während Graf Ludwig, von einem der zur Sei-
te liegenden Hügel aus, den Prinzen bis an den Brü-
ckeneingang führte. Unter dem Jubel des Volks über-
schritt dieser den »Paß«, an dessen Ausgang ihm
drei Johanniterritter: Graf Dönhoff, von Schack und
von Tauentzien, in rotem Kriegskleid und schwarzen
Ordensmänteln entgegentreten und auf die transpa-
renten Worte hinwiesen:
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Henry parait! il fait se rendre!
Vous frémissez fiers Autrichiens!
Si vous pouviez le voir, si vous pouviez l'entendre,
Vous béniriez le sort qui vous met dans ses mains.
Also etwa:
Heinrich erscheint, und vor seinem Begegnen
Zittert Östreich und unterliegt; –
Kenntet ihr ihn, ihr würdet es segnen,
Stolze Feinde, daß er euch besiegt.
Die Erinnerung an jenen glänzenden Abend lebt noch
bis heute fort. 1795 starb Graf Ludwig Wreech, der
letzte seines Geschlechts, und Tamsel ging durch
Erbschaft an den Grafen von Dönhoff über. Ein hal-
bes Jahrhundert lang hatten die Wreechs dem
Rheinsberger Hofe treulich gedient und aus nicht
völlig aufgeklärten Gründen ihre Lebensaufgabe dar-
in gesetzt, den Prinzen Heinrich auf Kosten seines
Bruders, des Königs – den sie geradezu haßten –, zu
verherrlichen.
Bogislaw von Tauentzien , der spätere Graf Tauentzien von Wittenberg, Sohn des berühmten Verteidi-
gers von Breslau, gehörte fünfzehn Jahre lang dem
Rheinsberger Hofe an. Er war ein ganz besonderer
Liebling des Prinzen, der schon 1776 den damals erst
sechzehnjährigen Fähnrich von Tauentzien zu seinem
Adjutanten ernannte. Bis ganz vor kurzem noch be-
fand sich ein trefflicher alter Stich im Rheinsberger
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Schloß, der die Szene darstellt, wie der Fähnrich von
Tauentzien seine erste Meldung vor dem Prinzen
macht. 1778, bei Ausbruch des Bayerischen Erbfol-
gekrieges, folgte Tauentzien dem Prinzen nach Sach-
sen und Böhmen und kehrte mit ihm in das Rheins-
berger Stilleben zurück, das nur noch durch die
zweimalige Reise des Prinzen nach Paris, 1784 und
1788, auf längere Zeit unterbrochen wurde. Auf bei-
den Reisen begleitete Tauentzien den Prinzen,
1784 als Lieutenant, 1788 als Capitain, und gedachte
noch in späteren Jahren ebendieses Aufenthalts in
der französischen Hauptstadt mit besonderer Dank-
barkeit und Vorliebe. Bis 1791, nachdem er kurz
vorher zum Major befördert worden war, blieb er in
Rheinsberg, dann aber trat er in die Suite des Königs
und ward in den Grafenstand erhoben. Seine Stel-
lung zum Prinzen wurde dadurch sehr schwieriger
Natur, und nur Vermutungen lassen sich darüber
äußern, in welcher Art er dieser Schwierigkeiten Herr
wurde. Das Mißverhältnis zwischen dem König und
seinem Onkel (Prinz Heinrich) war offenkundig, und
Tauentzien stand zwischen zwei Gegnern, die beide
Anspruch auf seine Treue und Dankbarkeit hatten.
Wir müssen indes annehmen, daß er seiner Aufgabe
gewachsen war, der Prinz würde sonst schwerlich
eine ganze Reihe von Erinnerungen an Tauentzien
um sich geduldet und wertgehalten haben, darunter
ein treffliches Ölportrait, das bis diesen Tag den
Zimmern des Schlosses verblieben
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