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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ist.

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    Major von Kaphengst
    Die Rheinsberger Kirchenglocke trägt auch den Na-
    men »Major von Kaphengst« als Inschrift. Von ihm
    und dem Schauplatz seines späteren Lebens werden
    wir ausführlicher zu sprechen haben.
    Christian Ludwig von Kaphengst ward ohngefähr im
    Jahre 1740 auf seinem väterlichen Gute Gühlitz in
    der Prignitz geboren. Wann er an den Rheinsberger
    Hof kam, ist nicht genau festzustellen gewesen; sehr
    wahrscheinlich lernte der Prinz ihn während des Sie-
    benjährigen Krieges kennen (vielleicht als Offizier im
    Regimente Prinz Heinrich), fand Gefallen an seiner
    Jugend und Schönheit und nahm ihn nach erfolgtem
    Friedensschlusse mit nach Rheinsberg. Als Adjutant
    des Prinzen, eine Stellung, zu der ihn seine geistigen
    Gaben keineswegs befähigten, stieg er zum Capitain
    und bald danach zum Major auf und beherrschte nun
    den Hof und den Prinzen selbst, dessen Gunstbezeu-
    gungen ihn übermütig machten. Der König, der in
    seiner Sanssouci-Einsamkeit von allem unterrichtet
    war, mißbilligte, was in Rheinsberg vorging, und
    wollte dem »Verhältnis« à tout prix ein Ende ma-
    chen. 1774 überbrachte deshalb ein Page des Königs
    (von Wülknitz) dem Prinzen Heinrich ein königliches
    Geschenk von 10 000 Stück Friedrichsdor, freilich
    zugleich mit der Ordre, »daß er den Major von Kap-
    hengst entlassen möge«, eine Ordre, deren Wortlaut
    sich hier der Möglichkeit der Mitteilung entzieht. Der
    Prinz, aller Zuneigung zu seinem Günstling unerach-
    tet, unter dessen Ungebildetheit und Eitelkeit er ge-
    litten haben mochte, gehorchte dem Befehle sofort

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    und tat es um so lieber, als die Entfernung Kap-
    hengsts dem bestehenden Verhältnis nur die Last
    und Peinlichkeit eines unausgesetzten Verkehrs
    nahm, ohne das Verhältnis selbst absolut zu lösen.
    In der Tat, seitens des Prinzen wurde den
    10 000 Stück Friedrichsdors seines Bruders aus eig-
    nen Mitteln noch ungefähr dieselbe Summe hinzuge-
    fügt und nunmehr unter Anzahlung von zirka
    100 000 Talern ein drei Meilen von Rheinsberg gele-
    gener Graf Wartenslebenscher Güterkomplex , der die Rittergüter Meseberg, Baumgarten, Schönermark
    und Rauschendorf umfaßte, gekauft und deren Kauf-
    kontrakt einige Zeit darauf dem Major von Kap-
    hengst als Geschenk überreicht.
    Kaphengst übersiedelte nunmehr nach dem am Hu-
    wenow-See gelegenen Schloß Meseberg; aber diese
    Übersiedelung, wie schon angedeutet, war so wenig
    gleichbedeutend mit Entfremdung, daß vielmehr um-
    gekehrt das gute Einvernehmen zwischen Prinz und
    Günstling aus diesen zeitweiligen Trennungen nur
    neue Nahrung zog. Überhaupt, aller klar zutage lie-
    genden Schwächen und Schattenseiten Kaphengsts
    zum Trotz, muß dem Wesen desselben ein Etwas
    eigen gewesen sein, das den alternden Prinzen in
    erklärlicher und dadurch annähernd gerechtfertigter
    Weise höchst sympathisch berührte. Vielleicht war es
    nichts weiter als Zynismus, der so leicht einen Reiz
    auf die jenigen ausübt, deren Beruf und Neigung im allgemeinen auf das geistig Verfeinerte geht. Es ist
    der Zauber des Kontrastes, ein Sichschadloshalten
    für anderweit empfundenen Zwang.

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    Nur so vermögen wir uns die Fortdauer des Verhält-
    nisses zwischen Prinz und Günstling zu erklären.
    Denn wenn von K.s Habsucht, Wüstheit und Eitelkeit
    schon in Rheinsberg ihre Proben abgelegt hatten, so
    verschwanden diese neben dem , was er jetzt in
    Schloß Meseberg in Szene setzte. Debauchen aller
    Art lösten sich untereinander ab, und die wahnsin-
    nigste Verschwendungssucht griff Platz.
    Schloß Meseberg war ein kostbarer Besitz, aber in
    den Augen des verblendeten Günstlings lange nicht
    kostbar genug.
    Graf Wartensleben, der durch seine Frau (eine Erb-
    tochter der dort früher angemessenen Gröbens) in
    Besitz Mesebergs und der andern obengenannten
    Güter gekommen war, hatte 1739 an der Südspitze
    des Huwenow-Sees ein Schloß aufgeführt. Wie ein
    Zauberschloß liegt es auch heute noch da. Der Rei-
    sende, der hier über das benachbarte Plateau hin-
    fährt, dessen öde Fläche nur dann und wann ein
    Kirchturm oder ein Birkengehölz unterbricht, ahnt
    nichts von der verschwiegenen Talschlucht an seiner
    Seite, von der steil abfallenden Tiefe mit Wald und
    Schloß und See. Dieser letztere, der Huwenow-See
    geheißen, ist eines jener vielen Wasserbecken, die
    sich zwischen dem Ruppinschen und dem Mecklen-
    burgischen hinziehen und diesem Landstriche seine
    Schönheit und seinen Charakter

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