Wanderungen durch die Mark Brandenburg
sich der Gunst
des Prinzen zu versichern . Der jagd- und spielliebende, der streit- und händelsüchtige, mit einem Worte,
der alte Kaphengst war schließlich in Rheinsberg unbequem geworden, der neue Kaphengst aber, der
jetzt, wo die gefeierte Toussaint an der Spitze seines
Haushalts stand, klug genug war, die Musen nach
Schloß Meseberg hin zu Gast zu laden, erschien dem
Prinzen in einem durchaus veränderten Lichte. Zu-
nächst wenigstens. Die Zimmer und Säle rechts ne-
ben der großen Halle wurden als Bühne hergerichtet,
Kaphengst selbst mutmaßlich voll Hohn über die Rol-
le, die ihm zufiel, fungierte als directeur du théâtre, und unter dem Vollklang französischer Alexandriner
vergaß der Prinz gern, wie hohen Eintrittspreis er für
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all diese Aufführungen zu zahlen hatte, für ein Spiel,
das ein Spiel war in jedem Sinne. Noch jetzt markiert sich der ehemalige Bühnenraum, und die kleinen
Garderobenzimmer, in denen damals die Schmink-
töpfchen und die frivolen Bemerkungen zu Haus wa-
ren, lassen sich bis diese Stunde noch, wenn auch
freilich in ebenso viele Wandschränke verwandelt, in dem zuhinterst gelegenen Parterrezimmer deutlich
erkennen.
Auch für Abwechslung wußte der kluge Kaphengst zu
sorgen, klug, seitdem die Französin die Honneurs
des Hauses machte. Der Prinz, nach längerer Abwe-
senheit im Berliner Palais (länger als seit Jahren),
kehrte mit dem Mai nach Rheinsberg zurück und traf,
andern Tages schon, als Gast in Schloß Meseberg
ein. Er mochte daselbst eine neuinszenierte tragédie,
die Einlage eines neuen Tanzes oder Musikstücks
erwartet haben, aber eine sehr andre Huldigung war
diesmal für ihn vorbereitet. Am Plafond der großen
Speisehalle, die zum Empfange des hohen Gastes
mit Blumen und Orangerie dekoriert war, hatte die
raschfertige, aber immerhin geniale Hand Bernhard
Rodes ein großes Deckengemälde ausgeführt, das,
im Geschmack jener Zeit, die Apotheose des Prinzen
Heinrich darstellte. Zur Rechten ein Ruhmestempel,
dem Genien das Bild des Prinzen entgegentragen;
daneben der bekannte Götterapparat: Minerva, zu
deren Füßen das Schwert ruht und an einem der Op-
feraltäre die Inschrift: »Vota grati animi«, »Nimm
dies als die Darbringung eines dankbaren Herzens«.
Der Prinz, dessen Eitelkeit leicht zu fangen war, so-
bald die Schmeichelei nicht platt-prosaisch, sondern
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wohlstilisiert und im Gewande der Kunst an ihn he-
rantrat, war überrascht und gerührt und erwies sich
wieder, auf Monate hin, als der Hilfebereite, von des-
sen Gunst und Gnade Gewinn zu ziehn immer nur
Zweck all dieser Huldigungen gewesen war. (Es ent-
ging an jenem Tage dem Auge des Prinzen, wie's
auch dem Kaphengsts entgangen war, daß Rode, sei es aus Zufall oder aus Malice, die Inschrift: »Vota
grati animi« nicht geschrieben, sondern die letzte
Silbe fortgelassen hatte. Kaphengst, später darauf
aufmerksam gemacht, ließ auch noch das i überma-
len, so daß die Inschrift jetzt lautet: »Vota grati an«.
In der Umgegend lachte man herzlich und nannt ihn
Gratian.)
Die Gunst des Prinzen, oft erschüttert und immer
wieder befestigt, dauerte bis 1798. Um diese Zeit
aber scheint er sie dem Günstling ein für allemal
entzogen zu haben. Wenigstens müssen wir es aus
dem Umstande schließen, daß sich Kaphengst in ge-
nanntem Jahre schuldenhalber genötigt sah, zwei
seiner Güter: Schönermark und Rauschendorf, zu
verkaufen. Das Volk erzählte sich und erzählt auch
heute noch, »er habe beide in einer Nacht verspielt«.
Die beiden andern Güter, Meseberg und Baumgar-
ten, blieben ihm, wiewohl tief verschuldet, bis zu
seinem Tode, der im Januar oder Februar 1800 auf
Schloß Meseberg erfolgte.
Seine Frau starb erst im zweiten Viertel dieses Jahr-
hunderts.
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In der Kirche zu Meseberg, wo die Grabsteine der
Gröbens vor dem Altar liegen und von der Wand
herab, in Frommen und in Treue, die Bildnisse Lud-
wigs von der Gröben und seiner siebzehn Kinder bli-
cken, ist kein Stein , der an den Wilden Jäger erinnerte, der hier sechsundzwanzig Jahre lang das Land
durchtobt. Seine Witwe mochte fühlen, daß das
Marmorbild eines Mannes, dem alles Heilige nur
Spott gewesen war, nicht in die Kirche gehöre. Sei-
tab in einer Ecke, von einem Fetzen schwarzen Flors
umwickelt (der verblaßt und staubig wie ein Stück
Spinnweb aussieht), hängt der Galanteriedegen des
Galans und Günstlings und daneben ein
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