Wanderungen durch die Mark Brandenburg
nur Lobositz gemeint sein.
Nun begann die Herrschaft der verwitweten Frau
Generalin. In die Zeit ihrer Regentschaft, also bevor
der minorenne Sohn eintrat, fällt das große Ereignis
Protzens während des vorigen Jahrhunderts: der Tod
eines preußischen Prinzen im dortigen Herrenhause.
Über diesen Tod berichtet der alte Pastor Schinkel im
Protzener Kirchenbuche wie folgt: »Den 16. Mai 1767
traf Seine Königliche Hoheit Prinz Friedrich Heinrich
Karl von Preußen auf dem Marsche von Kyritz nach
Berlin mit seinem Regimente hier ein. Er nahm bei
unserer Frau Generallieutenant von Kleist Quartier,
in der Hoffnung, nach hier zugebrachter Nacht, am
anderen Morgen weiterzurücken. Es zeigten sich je-
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doch die Pocken, so daß Seine Königliche Hoheit sich
genötigt sahen, hier zu bleiben. Geschickte Docto-
rens1) wandten alle Mittel an, diesen teuren und lie-
benswürdigen Prinzen zu retten, Gott verhängte es
aber anders, so daß, nachdem die weißen Frieseln
dazuschlugen, dieser allerliebste Prinz den 26. Mai,
acht Uhr abends seinen Geist aufgeben mußte. Ein
trauriges Andenken, so die späten Zeiten nicht ver-
gessen werden. Den 28. Mai, elf Uhr abends wurde
die hohe Leiche durch Offiziere unter Leuchtung vie-
ler Lichter in das hiesige Gewölbe gesetzet und am
7. Juni, als am ersten Pfingsttage, von hier aus nach
Berlin gebracht. Dieser hochselige Prinz war am
30. November 1747 geboren, also kaum neunzehn
Jahre, fünf Monate alt geworden.«
Ich lasse dieser schlichten Kirchenbuchaufzeichnung
noch einige Notizen folgen.
Prinz Heinrich, damals gemeinhin – zum Unterschie-
de von seinem berühmten Oheim in Rheinsberg –
der junge Prinz Heinrich genannt, war der Sohn des 1758 zu Oranienburg verstorbenen Prinzen August
Wilhelm von Preußen. Er war also Neffe Friedrichs
des Großen wie zugleich jüngerer Bruder des spätern
Königs Friedrich Wilhelms II. Friedrich der Große
bezeigte ihm von dem Augenblick an, wo die Krieg-
saffairen hinter ihm lagen, ein ganz besonderes
Wohlwollen. Dies war ebensosehr in den allgemeinen
Verhältnissen wie in den Eigenschaften des jungen
Prinzen begründet. Dieser erschien von ungewöhnli-
cher Beanlagung, war klug, voll noblen Denkens und
hohen Strebens, dabei gütig und von reinem Wan-
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del; was indessen den König in all seinen Beziehun-
gen zu diesem Prinzen eine ganz ungewöhnliche
Herzlichkeit zeigen ließ, war wohl der Umstand, daß
er sich dem verstorbenen Vater des Prinzen gegen-
über, dem er viel Herzeleid gemacht hatte, bis zu
einem gewissen Grade verschuldet fühlte, eine
Schuld, die er abtragen wollte und an den ältern
Bruder (den spätern König Friedrich Wilhelm II.), der
ihm aus verschiedenen Gründen nicht recht zusagte,
nicht abtragen konnte.
Prinz Heinrich hatte 1762 den lebhaften Wunsch ge-
äußert, dem Könige bei Wiederbeginn der Kriegsope-
rationen sich anschließen zu dürfen. Friedrich lehnte
jedoch ab, da der junge Prinz erst vierzehn Jahr alt
war. Erst nach erfolgtem Friedensschluß wurd er von
Magdeburg, wo er garnisonierte, nach Potsdam ge-
zogen und trat als Hauptmann in das Bataillon Gar-
de. Er gehörte nunmehr einige Jahre lang zu den
regelmäßigen Mittagsgästen des Königs und beglei-
tete diesen auf seinen Inspektionsreisen durch die
Provinzen. 1767 im April übersiedelte der Prinz nach
Kyritz, um nunmehr die Führung des hier stehenden
Kürassierregiments oder auch nur eines Teils dessel-
ben zu übernehmen. Dies Kürassierregiment waren
die berühmten »gelben Reiter«, deren Chef der Prinz bereits seit 1758 war.
Der Übernahme des Kommandos folgte, wenige Wo-
chen später, jene Katastrophe, die ich, nach den
Aufzeichnungen des Protzener Kirchenbuches, vor-
stehend mitgeteilt habe.
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Rittmeister von Wödtke brachte die Trauerkunde
dem Könige. Dieser war in seltenem Grade bewegt.
Einer der höheren Offiziere sprach dem Könige Trost
zu und bat ihn, sich zu beruhigen. »Er hat recht«,
antwortete Friedrich, »aber Er fühlt nicht den
Schmerz, der mir durch diesen Verlust verursacht
wird.« – »Ja, Ew. Majestät, ich fühle ihn; er war ei-
ner der hoffnungsvollsten Prinzen.« Der König schüt-
telte den Kopf und sagte: »Er hat den Schmerz auf
der Zunge, ich hab ihn hier .« Und dabei legte er die Hand aufs Herz. Eine ähnlich tiefe Teilnahme verraten seine Briefe. An seinen Bruder Heinrich in
Rheinsberg schrieb er: »Ich liebte dieses Kind wie
mein
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