Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
nur Lobositz gemeint sein.
    Nun begann die Herrschaft der verwitweten Frau
    Generalin. In die Zeit ihrer Regentschaft, also bevor
    der minorenne Sohn eintrat, fällt das große Ereignis
    Protzens während des vorigen Jahrhunderts: der Tod
    eines preußischen Prinzen im dortigen Herrenhause.
    Über diesen Tod berichtet der alte Pastor Schinkel im
    Protzener Kirchenbuche wie folgt: »Den 16. Mai 1767
    traf Seine Königliche Hoheit Prinz Friedrich Heinrich
    Karl von Preußen auf dem Marsche von Kyritz nach
    Berlin mit seinem Regimente hier ein. Er nahm bei
    unserer Frau Generallieutenant von Kleist Quartier,
    in der Hoffnung, nach hier zugebrachter Nacht, am
    anderen Morgen weiterzurücken. Es zeigten sich je-

    558
    doch die Pocken, so daß Seine Königliche Hoheit sich
    genötigt sahen, hier zu bleiben. Geschickte Docto-
    rens1) wandten alle Mittel an, diesen teuren und lie-
    benswürdigen Prinzen zu retten, Gott verhängte es
    aber anders, so daß, nachdem die weißen Frieseln
    dazuschlugen, dieser allerliebste Prinz den 26. Mai,
    acht Uhr abends seinen Geist aufgeben mußte. Ein
    trauriges Andenken, so die späten Zeiten nicht ver-
    gessen werden. Den 28. Mai, elf Uhr abends wurde
    die hohe Leiche durch Offiziere unter Leuchtung vie-
    ler Lichter in das hiesige Gewölbe gesetzet und am
    7. Juni, als am ersten Pfingsttage, von hier aus nach
    Berlin gebracht. Dieser hochselige Prinz war am
    30. November 1747 geboren, also kaum neunzehn
    Jahre, fünf Monate alt geworden.«
    Ich lasse dieser schlichten Kirchenbuchaufzeichnung
    noch einige Notizen folgen.
    Prinz Heinrich, damals gemeinhin – zum Unterschie-
    de von seinem berühmten Oheim in Rheinsberg –
    der junge Prinz Heinrich genannt, war der Sohn des 1758 zu Oranienburg verstorbenen Prinzen August
    Wilhelm von Preußen. Er war also Neffe Friedrichs
    des Großen wie zugleich jüngerer Bruder des spätern
    Königs Friedrich Wilhelms II. Friedrich der Große
    bezeigte ihm von dem Augenblick an, wo die Krieg-
    saffairen hinter ihm lagen, ein ganz besonderes
    Wohlwollen. Dies war ebensosehr in den allgemeinen
    Verhältnissen wie in den Eigenschaften des jungen
    Prinzen begründet. Dieser erschien von ungewöhnli-
    cher Beanlagung, war klug, voll noblen Denkens und
    hohen Strebens, dabei gütig und von reinem Wan-

    559
    del; was indessen den König in all seinen Beziehun-
    gen zu diesem Prinzen eine ganz ungewöhnliche
    Herzlichkeit zeigen ließ, war wohl der Umstand, daß
    er sich dem verstorbenen Vater des Prinzen gegen-
    über, dem er viel Herzeleid gemacht hatte, bis zu
    einem gewissen Grade verschuldet fühlte, eine
    Schuld, die er abtragen wollte und an den ältern
    Bruder (den spätern König Friedrich Wilhelm II.), der
    ihm aus verschiedenen Gründen nicht recht zusagte,
    nicht abtragen konnte.
    Prinz Heinrich hatte 1762 den lebhaften Wunsch ge-
    äußert, dem Könige bei Wiederbeginn der Kriegsope-
    rationen sich anschließen zu dürfen. Friedrich lehnte
    jedoch ab, da der junge Prinz erst vierzehn Jahr alt
    war. Erst nach erfolgtem Friedensschluß wurd er von
    Magdeburg, wo er garnisonierte, nach Potsdam ge-
    zogen und trat als Hauptmann in das Bataillon Gar-
    de. Er gehörte nunmehr einige Jahre lang zu den
    regelmäßigen Mittagsgästen des Königs und beglei-
    tete diesen auf seinen Inspektionsreisen durch die
    Provinzen. 1767 im April übersiedelte der Prinz nach
    Kyritz, um nunmehr die Führung des hier stehenden

Kürassierregiments oder auch nur eines Teils dessel-
    ben zu übernehmen. Dies Kürassierregiment waren
    die berühmten »gelben Reiter«, deren Chef der Prinz bereits seit 1758 war.
    Der Übernahme des Kommandos folgte, wenige Wo-
    chen später, jene Katastrophe, die ich, nach den
    Aufzeichnungen des Protzener Kirchenbuches, vor-
    stehend mitgeteilt habe.

    560
    Rittmeister von Wödtke brachte die Trauerkunde
    dem Könige. Dieser war in seltenem Grade bewegt.
    Einer der höheren Offiziere sprach dem Könige Trost
    zu und bat ihn, sich zu beruhigen. »Er hat recht«,
    antwortete Friedrich, »aber Er fühlt nicht den
    Schmerz, der mir durch diesen Verlust verursacht
    wird.« – »Ja, Ew. Majestät, ich fühle ihn; er war ei-
    ner der hoffnungsvollsten Prinzen.« Der König schüt-
    telte den Kopf und sagte: »Er hat den Schmerz auf
    der Zunge, ich hab ihn hier .« Und dabei legte er die Hand aufs Herz. Eine ähnlich tiefe Teilnahme verraten seine Briefe. An seinen Bruder Heinrich in
    Rheinsberg schrieb er: »Ich liebte dieses Kind wie
    mein

Weitere Kostenlose Bücher