Wanderungen durch die Mark Brandenburg
eigenes«, und an Tauentzien meldete er in der
Nachschrift zu einer dienstlichen Ordre: »Mein lieber
Hendrich ist tot.«
Kehren wir, nach diesem biographischen Exkurs,
nach Protzen zurück. Die Geschwister des Prinzen
übersandten der verwitweten Generalin von Kleist
wertvolle Zeichen der Dankbarkeit, und das Ereignis
selbst wurde seitens dieser letztern durch zwei bildli-
che Darstellungen im Sterbezimmer lokalisiert. Ein
Loyalitätsakt, der mir, nach der Huldigungsseite hin,
etwas zu weit zu gehen und die Schönheitslinie zu
überschreiten scheint. Ob die Gemälde noch existie-
ren, hab ich nicht erfahren können; aber das Giebel-
zimmer, in dem der junge Prinz verstarb, heißt noch
immer das »Prinzenzimmer«.
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1. Die »Doctors«, die hier tätig waren, waren
drei an der Zahl: zunächst Dr. Feldmann aus
Ruppin, dann Cothenius, der Leibarzt des Kö-
nigs, schließlich Geheimer Rat Dr. Mutzel aus
Berlin.
Protzen von 1770 bis 1803
Um 1770 ging Protzen (aus der Hand der verwitwe-
ten Generalin) an ihren Sohn Gustav von Kleist über.
Da das Gut seit 1757 bereits auf einen neuen Herrn
harrte, dessen Majorennität eben nur abzuwarten
war, so hatte dieser letztere nicht Zeit, es auf der
militärischen Rangleiter zu einer seinem Namen an-
gemessenen Stufe zu bringen. Er schied als Fähnrich aus dem Regiment Prinz Ferdinand (in Ruppin), in
dem er bis dahin gestanden hatte.
Da er selber fühlen mochte, daß dies wenig sei, so
war er bestrebt, einigermaßen nachzuhelfen, und
erwarb sich ein Johanniterkreuz. Er hieß nun nicht
länger Fähnrich von Kleist, sondern Johanniter von Kleist, und unter diesem Namen, der in dieser eigentümlichen Verwendung wohl nur einmal vorkommen
dürfte, hat er vierundzwanzig Jahre lang seine Regie-
rung von Protzen geführt.
Unser »Johanniter-Kleist« war ein braver Mann, dem
im Kirchenbuche die »Aufrechthaltung guter Ord-
nung« eigens nachgerühmt wird. Er muß diesen
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Ruhm, aufs allgemeine hin angesehen, um so mehr
verdient haben, als er im besonderen mit seinem
Geistlichen, dem Prediger Friedrich Arnold Dietrich
Sachse, in einer beständigen Fehde lebte.
Über die damaligen Beziehungen zwischen Patron
und Pfarrer ein kurzes Wort.
Friedrich Arnold Dietrich Sachse, aus Soest in West-
falen gebürtig, war, wie es scheint, ein echter
Westfälinger, groß, stark, ein tapferes Herz, aber
auch rücksichtslos wie so oft die »tapferen Herzen«,
besonders wenn sie von der roten Erde stammen.
Vor allem war er ein Original.
Die Bekanntschaft zwischen Kleist und Sachse mach-
te sich bei Tisch im Herrenhause zu Lentzke, wo da-
mals Baron de la Motte Fouqué lebte, der Sohn des berühmten Generals und der Vater des berühmten
Dichters. In diesem Hause fungierte Sachse als Prä-
zeptor. Als das Dessert aufgetragen wurde, fragte
Fouqué seinen Gast (von Kleist), »wie es mit der
Pfarre in Protzen stehe und ob er die Vakanz schon
wieder besetzt habe«. – »Seit einer halben Stunde
hab ich sie besetzt«, antwortete dieser. »Mit wem?«
– »Mit dem hier sitzenden Kandidaten Sachse.« Es
scheint danach, daß die bedeutende Persönlichkeit
des letztern ihres Eindrucks auf von Kleist nicht ver-
fehlt hatte.
Sachse übersiedelte nun und mochte sich anfangs
seinem Patron gegenüber, der ihn, in so schmeichel-
hafter Weise, in die Protzener Pfarre eingesetzt hat-
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te, zu Dankbarkeit verpflichtet fühlen. Aber Dank-
barkeit dauert nicht lang, am wenigsten, wenn die
Interessen in Krieg geraten. Sachse glaubte sich be-
nachteiligt, und so entstand ein Prozeß, der im Her-
renhause so böses Blut machte, daß Kleist, als um
ebendiese Zeit ein Spritzenhaus errichtet werden
mußte, dasselbe so aufführen ließ, daß der Bau wie
ein Schirm zwischen ihm und der Pfarre stand. Er
wollte die Pfarre nicht mehr sehen.
Sachse überlebte seinen Patron um viele Jahre,
stand im allgemeinen, wie fast immer imponierende
Persönlichkeiten, auf gutem Fuß mit der Gemeinde,
war ihr Orakel, ihr Rater und Helfer, und vereinigte,
neben einzelnen Schwächen, alle Tugenden des alten
Rationalisten in sich. Das Protzener Kirchensiegel
bewahrt sein Andenken. Die Inschrift desselben rührt
allerpersönlichst von ihm her und lautet: »Natur und
Vernunft«. Damit ist alles gesagt.
Protzen von 1803 bis 1826
Der Johanniter-Kleist starb schon 1794. Wieder trat
eine Witwenherrschaft ein, die wenigstens bis 1803,
vielleicht auch noch um einige
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