Wanderungen durch die Mark Brandenburg
der Majorin von Zie-
ten in Wildberg und mit der Familie von Winterfeldt
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in Metzelthin. Auch aus Berlin kamen Freunde her-
über, besonders wenn »Aufführungen« den Mittel-
punkt der Festlichkeit bildeten. Das Künstlerische,
namentlich das Musikalische , wurd indessen zu sehr betont, und zwar nicht bloß im gesellschaftlichen
Kreise, sondern auch im Leben. Wie mir Häuser be-
kannt geworden sind, in denen jeder, der nicht einen
Band lyrischer Gedichte herausgegeben hatte, nicht
eigentlich für voll angesehen wurde, so stand es
auch im Driebergschen Hause hinsichtlich der Musik.
Ein vom Klavierspiel rein gebliebener Pfarrbewerber
wurde befragt: »ob er auch musikalisch sei«, worauf
er, in richtiger Erkenntnis, daß er nun doch verspielt habe, piquiert antwortete, »er habe sich um die Prediger- und nicht um die Kantorstelle beworben«.
Neben Park und Musik gehörte die Zeit den Wissen-
schaften. Von Drieberg hatte ganz den Typus des
Gelehrten, des Büchermenschen. Seine Kleidung war
die schlichteste von der Welt; nicht auf Stoff und
Schnitt kam es ihm an, sondern lediglich auf Be-
quemlichkeit. Er konnte sich deshalb von alten Rö-
cken nicht trennen. Als seine Tochter einen dersel-
ben an einen Tagelöhner verschenkt hatte, bat er ihn
sich wieder aus und zahlte dafür.
Seine Studien, wie schon erwähnt, gingen meist
nach der naturwissenschaftlichen Seite hin. Er war
ein Düftelgenie aus der Klasse der Perpetuum-
Mobile-Erfinder und konstruierte sich eine Flugma-
schine, mit der zu fliegen er glücklicherweise nicht in Verlegenheit kam. Er begnügte sich damit, sie »be-568
rechnet« und gezeichnet zu haben, und gab den Bau
als zu kostspielig wieder auf.
Seinen Hauptruhm zog er Anfang oder Mitte der
vierziger Jahre aus seinem großen Zeitungskrieg in
der » Luftdrucksfrage «. Die Leute von Fach zuckten die Achseln und mochten in der Tat aus jedem Satze
Driebergs erkennen, daß es diesem an allem wissen-
schaftlichem Anrecht gebräche, in die Diskussion
einer solchen Frage einzutreten, die Laienwelt aber,
die bekanntermaßen einen natürlichen Zug zur Win-
keladvokatur und eine Vorliebe für die Franctireurs
der Wissenschaft hat, stand günstiger zu ihm und
freute sich offenbar, in der Partie »Drieberg gegen
Newton« für unsern Protzner Kammerherrn, wenn
auch nur ganz im stillen, eintreten zu können. Der
Kern der Sache war, daß von D. den Luftdruck
bestritt und seinerseits aufstellte, »das Quecksilber werde nicht durch eine Luftsäule von bestimmtem
Gewicht emporgedrückt, sondern hänge vielmehr an dem luftleeren Raum der Barometerröhre, ziemlich
genau so, wie ein Eisenstab an einem Magnete hän-
ge«. Diese Aufstellung besaß etwas Blendendes, und
zwar um so mehr, als jeder luftleere Raum in der Tat
eine gewisse Zug- und Saugekraft ausübt. Aber nur
der Laie konnte flüchtig dadurch bestochen werden.
Nach mehrmonatlichem Streit erstarb die Fehde;
niemand spricht mehr davon, und nur der Beiname
»Luftdrucks-Drieberg« ist in der Erinnerung derer
geblieben, die jene Zeit noch miterlebt haben.
Was seine kirchlichen Anschauungen angeht, so hiel-
ten sie die Höhe seiner Flugmaschine und entspra-
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chen genau der Inschrift des vorerwähnten Protzener
Kirchensiegels: »Natur und Vernunft «.
1852 vermählte von Drieberg seine einzige Tochter
Valeska (vier andere waren vorher gestorben) an
den Rittmeister von Oppen, der damals bei den Gar-
des du Corps in Charlottenburg stand. Von Drieberg
entschloß sich deshalb, Protzen zu verkaufen. Es
wurde seinem Herzen nicht leicht, aber die Liebe zu
seinem Kinde siegte schließlich über die Liebe zu
seinem Park. Und so übersiedelte er denn. In den
fünfziger Jahren starb er und ruht auf dem Charlot-
tenburger Kirchhofe.
Was den Drieberg-Tagen in Protzen folgt, ist von
geringerem Interesse.
Das nächste Kapitel mag uns deshalb nach Garz,
dem alten Besitze der Quastschen Familie, führen.
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Garz
Und setzet ihr nicht das Leben ein,
Nie wird euch das Leben gewonnen sein.
Schiller
Und lachend goß er mit eigner Hand
Voll Wein den Stiefel bis an den Rand.
Pfarrius
Garz, Vichel, Rohrlack, wie schon an andrer Stelle
hervorgehoben, sind zur Zeit Quastsche Güter im
Westen des Ruppiner Sees. Schon seit 1419 (ur-
kundlich nachweisbar, wahrscheinlich aber schon um
vieles früher) saßen die Quaste oder Quäste auf
Garz. Am Schluß des sechzehnten Jahrhunderts er-
blicken wir sie,
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