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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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der Majorin von Zie-
    ten in Wildberg und mit der Familie von Winterfeldt

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    in Metzelthin. Auch aus Berlin kamen Freunde her-
    über, besonders wenn »Aufführungen« den Mittel-
    punkt der Festlichkeit bildeten. Das Künstlerische,
    namentlich das Musikalische , wurd indessen zu sehr betont, und zwar nicht bloß im gesellschaftlichen
    Kreise, sondern auch im Leben. Wie mir Häuser be-
    kannt geworden sind, in denen jeder, der nicht einen
    Band lyrischer Gedichte herausgegeben hatte, nicht
    eigentlich für voll angesehen wurde, so stand es
    auch im Driebergschen Hause hinsichtlich der Musik.
    Ein vom Klavierspiel rein gebliebener Pfarrbewerber
    wurde befragt: »ob er auch musikalisch sei«, worauf
    er, in richtiger Erkenntnis, daß er nun doch verspielt habe, piquiert antwortete, »er habe sich um die Prediger- und nicht um die Kantorstelle beworben«.
    Neben Park und Musik gehörte die Zeit den Wissen-
    schaften. Von Drieberg hatte ganz den Typus des
    Gelehrten, des Büchermenschen. Seine Kleidung war
    die schlichteste von der Welt; nicht auf Stoff und
    Schnitt kam es ihm an, sondern lediglich auf Be-
    quemlichkeit. Er konnte sich deshalb von alten Rö-
    cken nicht trennen. Als seine Tochter einen dersel-
    ben an einen Tagelöhner verschenkt hatte, bat er ihn
    sich wieder aus und zahlte dafür.
    Seine Studien, wie schon erwähnt, gingen meist
    nach der naturwissenschaftlichen Seite hin. Er war
    ein Düftelgenie aus der Klasse der Perpetuum-
    Mobile-Erfinder und konstruierte sich eine Flugma-
    schine, mit der zu fliegen er glücklicherweise nicht in Verlegenheit kam. Er begnügte sich damit, sie »be-568
    rechnet« und gezeichnet zu haben, und gab den Bau
    als zu kostspielig wieder auf.
    Seinen Hauptruhm zog er Anfang oder Mitte der
    vierziger Jahre aus seinem großen Zeitungskrieg in
    der » Luftdrucksfrage «. Die Leute von Fach zuckten die Achseln und mochten in der Tat aus jedem Satze
    Driebergs erkennen, daß es diesem an allem wissen-
    schaftlichem Anrecht gebräche, in die Diskussion
    einer solchen Frage einzutreten, die Laienwelt aber,
    die bekanntermaßen einen natürlichen Zug zur Win-
    keladvokatur und eine Vorliebe für die Franctireurs
    der Wissenschaft hat, stand günstiger zu ihm und
    freute sich offenbar, in der Partie »Drieberg gegen
    Newton« für unsern Protzner Kammerherrn, wenn
    auch nur ganz im stillen, eintreten zu können. Der
    Kern der Sache war, daß von D. den Luftdruck
    bestritt und seinerseits aufstellte, »das Quecksilber werde nicht durch eine Luftsäule von bestimmtem
    Gewicht emporgedrückt, sondern hänge vielmehr an dem luftleeren Raum der Barometerröhre, ziemlich
    genau so, wie ein Eisenstab an einem Magnete hän-
    ge«. Diese Aufstellung besaß etwas Blendendes, und
    zwar um so mehr, als jeder luftleere Raum in der Tat
    eine gewisse Zug- und Saugekraft ausübt. Aber nur
    der Laie konnte flüchtig dadurch bestochen werden.
    Nach mehrmonatlichem Streit erstarb die Fehde;
    niemand spricht mehr davon, und nur der Beiname
    »Luftdrucks-Drieberg« ist in der Erinnerung derer
    geblieben, die jene Zeit noch miterlebt haben.
    Was seine kirchlichen Anschauungen angeht, so hiel-
    ten sie die Höhe seiner Flugmaschine und entspra-

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    chen genau der Inschrift des vorerwähnten Protzener
    Kirchensiegels: »Natur und Vernunft «.
    1852 vermählte von Drieberg seine einzige Tochter
    Valeska (vier andere waren vorher gestorben) an
    den Rittmeister von Oppen, der damals bei den Gar-
    des du Corps in Charlottenburg stand. Von Drieberg
    entschloß sich deshalb, Protzen zu verkaufen. Es
    wurde seinem Herzen nicht leicht, aber die Liebe zu
    seinem Kinde siegte schließlich über die Liebe zu
    seinem Park. Und so übersiedelte er denn. In den
    fünfziger Jahren starb er und ruht auf dem Charlot-
    tenburger Kirchhofe.
    Was den Drieberg-Tagen in Protzen folgt, ist von
    geringerem Interesse.
    Das nächste Kapitel mag uns deshalb nach Garz,
    dem alten Besitze der Quastschen Familie, führen.

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    Garz

    Und setzet ihr nicht das Leben ein,
    Nie wird euch das Leben gewonnen sein.
    Schiller
    Und lachend goß er mit eigner Hand
    Voll Wein den Stiefel bis an den Rand.
    Pfarrius

    Garz, Vichel, Rohrlack, wie schon an andrer Stelle
    hervorgehoben, sind zur Zeit Quastsche Güter im
    Westen des Ruppiner Sees. Schon seit 1419 (ur-
    kundlich nachweisbar, wahrscheinlich aber schon um
    vieles früher) saßen die Quaste oder Quäste auf
    Garz. Am Schluß des sechzehnten Jahrhunderts er-
    blicken wir sie,

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