Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Jahre länger dauerte;
dann ging das Gut, aber durch Kauf , an einen Neffen oder Vetter des Johanniter-Kleist über, und zwar an
den damaligen Rittmeister oder Major Louis von
Kleist, Sohn des sogenannten Magdeburg-Kleist,
welcher letztere 1806 durch Übergabe dieser Festung
an den Feind soviel Unheil für das Land und zugleich
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soviel Bitteres und Schmerzliches für die Familie he-
raufbeschwor. Ich verweile hierbei nicht, nur das
mag gesagt sein, daß mir diejenigen nicht ganz un-
recht zu haben scheinen, die der damaligen militäri-
schen Oberleitung – seitens deren ein kranker, bei-
nah achtzigjähriger Mann mit der Verteidigung der
wichtigsten Festung des Landes betraut wurde – die
größere Hälfte der Schuld zuzuschieben geneigt sind.
Louis von Kleist litt in seinem Herzen schwer unter
der Verschuldung des Vaters. Er selbst war eine her-
vorragend entschlossene Persönlichkeit, groß, schön,
ein brillanter Reiter, und zeichnete sich während der
Befreiungskriege bei den verschiedensten Gelegen-
heiten aus. Er blieb Soldat auch nach dem Feldzug
und traf immer nur besuchsweis in Protzen ein.
1815 war er Oberst, 1831 stand er in Neiße, wahr-
scheinlich als Kommandeur einer Division. Bei sei-
nem Hinscheiden war er Generallieutenant.
Als Beweis für seine Energie erzählen sich die Prot-
zener, daß er sein seitens der Ärzte schlecht kurier-
tes Bein (er hatte sich beim Sturz mit dem Pferde
den Oberschenkel gebrochen) durch einen »Wunder-
doktor« aus der Fehrbelliner Gegend neu brechen
und dann wieder heilen ließ. Die Prozedur glückte
vollkommen. Er hatte seitdem eine geringe Meinung
von der Kunst der rite promovierten Doktoren, der er
bei jeder Gelegenheit Ausdruck gab.
Schon 1826, also fünf, sechs Jahre vor dem Tode
von Kleists, war Protzen durch Kauf an den Freiherrn
von Drieberg übergegangen.
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Kammerherr von Drieberg
in Protzen
Von 1826 bis 1852
Kammerherr von Drieberg, vielen meiner Leser aus
den vierziger Jahren her als »Luftdrucks-Drieberg«
bekannt, war um 1790 geboren. Sein Vater, seiner-
zeit Rittmeister im Regiment Gardes du Corps, besaß
das zwei Meilen von Protzen gelegene Gut Kantow.
Der junge Drieberg wuchs wild auf. Die Gründe für
diese Vernachlässigung seiner ersten Erziehung ge-
hören nicht hierher. Erst von seinem vierzehnten
Jahr an änderte sich's, und was bis dahin versäumt
worden war, wurde nun nachgeholt. Hauslehrer und
Sprachmeister mußten ihr Bestes tun. Besonders
wurde die Musik gepflegt, für die von Drieberg eben-
soviel Liebe wie Beanlagung zeigte. Diese Beanla-
gung war so groß, daß eine Zeitlang die Absicht
herrschte, ihn Musik studieren zu lassen. Er wurde
zu diesem Behufe nach Frankreich geschickt und war
Schüler des Konservatoriums, als 1814 die Verbün-
deten in Paris einrückten.
Bald darauf kehrte von D. nach Deutschland zurück,
um in Berlin seine Studien fortzusetzen. Diese Stu-
dien umfaßten die mannigfachsten Gebiete. Außer
der Musik waren es die Naturwissenschaften, beson-
ders physikalische Untersuchungen, die ihn schon
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damals interessierten. In den zwanziger Jahren ver-
heiratete er sich mit einem Fräulein von Normann
und kaufte bald danach Protzen, dessen Hebung er
sich nunmehr angelegen sein ließ. Ob er immer die
rechten Mittel wählte, stehe dahin. Frau von Drie-
berg, die ihn dabei unterstützte, stellte beispielswei-
se den Satz auf, »daß knappe Fütterung das beste
Mittel sei, von den Kühen einen starken Milchertrag
zu erzielen«.
Dies alles war übrigens aufrichtig gemeint und hatte
keineswegs in einem Ökonomisierungshange seinen
eigentlichen Grund. Es war einfach originelle Theorie,
wie die vom »Luftdruck«, die der Herr Gemahl
gleichzeitig mit soviel Eifer verfocht.
Der landwirtschaftliche Betrieb war anfechtbar, desto
mehr bewährte sich von Drieberg in seinen Parkan-
lagen. Seine Talente lagen eben mehr nach der Seite
des Ästhetischen als des Praktischen hin. Der Prot-
zener Park war damals einer der schönsten im Krei-
se, dreißig Morgen groß, mit den prachtvollsten
Bäumen bestanden, dazwischen Blumenbeete, Was-
ser- und Rasenflächen.
Außer der Pflege des Parks widmete sich Drieberg
nach wie vor der Musik und – der Gesellschaft.
Das Protzener Herrenhaus galt als der gastlichsten
eines. Mit fast allen Familien der Nachbarschaft wur-
de Verkehr unterhalten, vorzugsweise mit dem Land-
rat von Zieten in Wustrau, mit
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